Klassiker

Kirill Petrenko bleibt bis Sommer 2021

In München verlängert, erst dann nach Berlin

veröffentlicht am 13.10.2015 | Lesezeit: ca. 7 Min.

Die deutschsprachige Orchesterlandschaft ist in Bewegung. So ist beispielsweise seit der Spielzeit 2014/2015 Lionel Bringuier Chefdirigent und Musikalischer Leiter der Zürcher Tonhalle, Christian Thielemann seit wenigen Monaten (und noch bis, mindestens, 2020) Chef auf dem Grünen Hügel. Unterdessen hat bei den Münchner Philharmonikern, von denen sich Thielemann im Streit davonmachte, seit der aktuellen Saison Valery Gergiev das Chefpult übernommen, politisch im Übrigen eine keinesfalls unumstrittene Person, da überaus putinnah.

Beim hr-Sinfonieorchester in Frankfurt ist Andrés Orozco-Estrada seit etwas über einem Jahr Chefdirigent, seit dem 1. September ist François-Xavier Roth Generalmusikdirektor der Stadt Köln, wo er sich in seiner damit einhergehenden Funktion als Gürzenich-Kapellmeister mit Schönbergs Kammersinfonie, mit einer Auswahl der „Notations“ von Pierre Boulez und mit Bruckners „Romantischer“ vorstellte.

Dass Roth überhaupt am Rhein wirkt, ist wohl hauptsächlich der Tatsache geschuldet, dass dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, wo Roth seit Herbst 2011 das Heft in der Hand hat, im kommenden Jahr nach einer Entscheidung des Rundfunkrates und von Politikern, deren Tun derart laut zum Himmel schreit, dass es noch das klangewaltigste Orchestertuttiforte nicht zu übertönen vermag, der Garaus gemacht werden wird. (Roth selbst äußerte sich dazu bei einem Bamberg-Dirigat im ausverkauften Keilberth-Saal und erhielt dafür rauschenden Beifall.) Genauer: Die Freiburger sollen mit dem SWR Sinfonieorchester Stuttgart fusionieren. Das soll – notabene – angeblich ohne Kündigungen vonstattengehen. Auch werde sich für die „Konzertbesucher in Stuttgart und Freiburg […] nichts ändern“, wenn man den Worten des Intendanten Peter Boudgoust Glauben schenken mag. Und was ist – beispielsweise – mit Donaueschingen?

Bei den Wiener Symphonikern ist seit der Saison 2014/2015 der aus Zürich gebürtige Philippe Jordan Chefdirigent, bei den Bamberger Symphonikern – Bayerische Staatsphilharmonie wird der Tscheche Jakub Hruša vom Herbst 2016 auf Jonathan Nott nachfolgen, der nach Genf geht, während Andris Nelsons, derzeit Musikalischer Direktor des Boston Symphony Orchestra (er zählte auch als Rattle-Nachfolger zu den zwei, drei heißen Kandidaten), im Herbst 2017 das Amt als Gewandhauskapellmeister antreten wird. Gleichfalls von 2017/2018 an wird beim Deutschen Symphonie Orchester Berlin Robin Ticciati auf Tugan Sokhiev nachfolgen. Eine weitere Veränderung wird zu diesem Zeitpunkt in der hauptstädtischen Musiklandschaft anstehen, denn Simon Rattle wird zum London Symphony Orchestra, also in seine britische Heimat, zurückkehren.

Die Berliner Philharmoniker ließen in einer Pressemitteilung vom frühen Donnerstagnachmittag verlauten, Petrenko werde „mit der Saison 2019/2020 sein Amt als Chefdirigent und Künstlerischer Leiter der Berliner Philharmoniker antreten“, allerdings mit „Rücksicht auf seine Verpflichtungen an der Bayerischen Staatsoper in München“ in seiner ersten Saison als Chefdirigent der Berliner „zunächst eine verringerte Anzahl von Konzerten übernehmen“. Der Bratscher Ulrich Knörzer, zugleich Mitglied des Orchestervorstandes, äußerte sich so: „Die Wahl Kirill Petrenkos als Nachfolger von Sir Simon Rattle hat in der Musikwelt ein überwältigendes Echo gefunden. Deshalb freut es uns sehr, dass wir nun einen Zeitplan zur Amtsübernahme haben und dass wir dem Berliner Publikum unseren künftigen Chefdirigenten in allen kommenden Spielzeiten präsentieren können.“ Schon vor seinem Berliner Amtsantritt wird Petrenko nämlich als Gastdirigent zu erleben sein, in Berlin und auch auf Tournee.

Martin Hoffmann, Intendant der Stiftung Berliner Philharmoniker, sagte: „Wir alle bei der Stiftung Berliner Philharmoniker freuen uns auf Kirill Petrenko. Ein besonderer Dank gilt der Leitung der Bayerischen Staatsoper, mit der wir in allen terminlichen Fragen ein kollegiales Einvernehmen gefunden haben.“ Aus der Pressestelle hieß es zudem, man plane derzeit einen Pressetermin mit Petrenko – der dergleichen bekanntermaßen überhaupt nicht mag, wenn er es nicht gar für überflüssig hält – und werde informieren, sobald die Terminfindung abgeschlossen sei.

Unterdessen kommt aus München die Kunde, dass Staatsintendant Nikolaus Bachler und Generalmusikdirektor Kirill Petrenko das Vertragsangebot von Staatsminister Ludwig Spaenle annehmen und ihre laufenden Verträge an der Bayerischen Staatsoper bis Ende August 2021 verlängern. Aufgrund der Verpflichtung von Maestro Petrenko – der gestern in Paris mit dem Bayerischen Staatsorchester (und Jonas Kaufmann in der Partie des Bacchus, sowie, im Vorspiel, zugleich als „Der Tenor“) „Ariadne auf Naxos“ machte – als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker werde dieser in seiner letzten Spielzeit 2020/21 als „Gastdirigent der Bayerischen Staatsoper“ tätig sein.

„Kirill Petrenko und ich sind vor Monaten übereingekommen, unsere Arbeit an der Bayerischen Staatsoper drei weitere Spielzeiten fortzusetzen. Wir haben noch viele Ideen und gemeinsame Projekte, auf die wir uns an diesem einzigartigen Haus zusammen mit allen Mitarbeitern freuen“, so Nikolaus Bachler. Und Petrenko: „Ich fühle mich der Bayerischen Staatsoper, dem Staatsorchester und nicht zuletzt dem wunderbaren Münchner Publikum sehr verbunden. Mir persönlich ist es wichtig, in diesem Haus und mit diesem Orchester an einer kleinen, gemeinsamen Ära zu arbeiten.“ Kunstminister Spaenle ist sich sicher: „Unter Nikolaus Bachler und Kirill Petrenko hat die Bayerische Staatsoper künstlerische Höhenflüge erlebt, die von Publikum und Kritikern weltweit als Sternstunden der Oper gefeiert wurden. Wir sind stolz, dass es uns gelungen ist, beide in München zu halten und freuen uns auf die kommenden Spielzeiten.“

In der laufenden Spielzeit stehen drei Akademiekonzerte unter der Leitung von Petrenko an, darunter jenes Mitte März mit der „Schottischen“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy und Gustav Mahlers „Lied von der Erde“. Und im Juni wird der Generalmusikdirektor die „Symphonia Domestica“ dirigieren sowie – vor der Pause – Tschaikowskys op. 35 mit dem Solisten Frank Peter Zimmermann (Violine). Unter den Opern, die Petrenko in den kommenden Wochen und Monaten in München leiten wird, sind die „Götterdämmerung“, eine Neuinszenierung der „Meistersinger“, „Lulu“, „Tosca“ und „Die Fledermaus“.

Generalmusikdirektor Kirill Petrenko am Pult, Foto © Wilfried Hoesl

Spaenle, Petrenko, Bachler, Foto © Ulrike Myrzik und Manfred Jarisch

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