Sie ist überschaubar und doch so ergiebig, die globale Gemeinde zeitgenössischer Klezmer-Musiker. Alle Jahre wieder, jeweils im März, treffen sich ihre Akteure bei den Bamberger Klezmertagen und beim Internationalen Klezmer Festival Fürth in Franken. Große und kleine Konzertabende stehen dann auf der Agenda, umrahmt von facettenreichen Rahmenprogrammen, die von Führungen über Filmvorführungen und Lesungen bis zum Klezmer-Brunch alles vorhalten, was das Fan-Herz der jüdischen Traditionsmusik begehrt.
Von 04. bis 13. März quartieren sich Klezmerfans der Region in Fürth ein. Die Internationalen Klezmertage der Kleeblatt-Stadt verstehen sich als Plattform für erstklassige traditionelle Klezmermusik, aber auch für neue Trends und Entwicklungen sowie Experimente der nachkommenden Klezmorim-Generationen. „Klezmer & Jewish Music Today“, so der neue Festivaltitel, der sich im Programm-Mix auch deutlich widerspiegelt, der vor allem durch Internationalität besticht. Mit dem Faran Ensemble, Maureen Nehedar und den Jewish Monkeys spielen gleich drei Ensembles aus Israel und zeigen die orientalischen Facetten des Genres auf sehr unterschiedliche Weise. Dann ist da der kanadische Singer-Songwriter Geoff Berner, der seine scharfsinnigen politischen Texte in bester Barden-Manier mit ausreichend Punk-Attitüde und dem Akkordeon untermalt. Und die amerikanische Sängerin Sarah Aroeste, die in einem weiten Rückgriff auf ihre Wurzeln zeitgenössische Arrangements über sephardisches (Juden-Spanisch) Liedgut stülpt. Rap, Elektro-Sounds und hippe Beats erneuern die Tradition. Es bleibt die sephardische Sprache. Ebenfalls aus den U.S.A. kommen Veretski Pass & Joel Rubin mit ihrer jüdischen Hommage an die Volksmusik Polens. Thema ihres Programms sind die Polkas und Karkowiaks der polnischen Volksmusik und deren Austausch und Schnittmenge mit der jüdischen Musik. Auch Holland ist gleich mehrfach vertreten: Neben Nikitov, dem chilligen Jiddpop mit etwas Jazz und Engelsstimme ist die Shtetl Band Amsterdam zu Gast in Fürth und wird mit ihrem unverfälschten Shtetl-Sound ihrem Namen auch musikalisch gerecht: Eine Dorfkapelle spielt Ur-Klezmer. Die Legend of Kazimierz aus Polen spielen Neo-Klezmer mit slawischer Seele und stellen neben der Preßburger Klezmerband mit deren energischem Gypsy-Klezmer aus Bratislava die osteuropäische Komponente des Festivals.
Dazu gesellen sich zahlreiche Ensembles aus der gesamten Bundesrepublik: The Klezmer Tunes - großartige Musiker, klassischer Klezmer, Spielfreude und der Hang zur Perfektion. Das Klezmer- Orchester Fürth mit dem Abschlusskonzert der Workshopteilnehmer. Yxalag - sieben junge Absolventen der Musikhochschule Lübeck tragen die jüdische Musik aus dem hohen Norden nach Süddeutschland und gekoppelt mit Swing, Balkan und Klassik entsprechend jung sowie jazzig-improvisatorisch vor. Die Klezmaniaxx tragen den Klez in bester Brassband-Manier in die Stadt. Die Württembergische Philharmonie Reutlingen & Nikolay Borchev spielen klassische Musik jüdischer Komponisten. Das Dirigat hat Noam Sheriff. A Glezele Vayn spielen zum Brunch auf. Und das Duo Doyna interpretiert mit Gitarren und Klarinetten groovig-jazzig. Der Fächer der jiddischen Volksmusik wird beim 15. Internationalen Klezmer Festival Fürth weit gespannt, trägt die unterschiedlichsten Farbtöne und bereitet und riskiert neben Stars des Genres viele Facetten und Sonderformate, die das Festival zu dem machen, was es ist. Mit dem Boarisch-Jiddisches Danzl-Hoyz, den Tanzmeistern Steven Weintraub (USA) und Michael Well (D) und den Musikgruppen Michael Winograd Klezmer Trio (USA) und Well-Buam (D) setzen die Organisatoren nicht nur eine sehr besondere deutsch-amerikanische Begegnung in die programmatische Mitte des Festivals, sondern kombinieren in einem Experiment jiddische mit bayerischer Volksmusik, gespielt wie getanzt und prüfen den Clash der Kulturen mit viel Charme, Humor und auch einer Portion Mut und mit einem deutlischen Hinweis auf die Ähnlichkeiten.
Zum Wochenende 18. bis 20. März feiern die Bamberger Klezmertage ihren Höhepunkt. Altbewährtes mit Feingefühl würzen und mit Frischfleisch mischen ist das diesjährige Rezept des Festivalmachers Albert Herrnleben. Denn mit der Global Shtetl Band sind bekannte Gesichter mit ihrer New Yiddish World Music wieder einmal zu Gast beim Festival in der Weltkulturerbestadt. Zum ersten Mal allerdings gemeinsam mit Gustavo Mendoza, dem kolumbianischen Flötisten, der in 2004 als Mitglied der Bamberger Symphoniker regelmäßig in Bamberg zu hören war. „7 glezer“ lautet der Titel ihres aktuellen Albums, auf dem scheinbar mühelos musikalische Traditionen vom Schwarzen Meer bis zu den karibischen Inseln vereint werden und Geschichten mit Tiefgang in bester Tanzlaune verarbeitet sind, die live nur noch mehr zur Geltung kommen. Am Samstag gibt das Trio Rozhinkes sein Debüt bei den Bamberger Klezmertagen. Mit Klarinette, Violine und Klavier spielt diese 2011 gegründete „kleyne Kapelye“ aus Leipzig auf großen und kleinen Konzert-Bühnen, Hochzeiten und Vernissagen, und bringt dabei ein sehr vielfältiges Repertoire zu Gehör. Am Sonntag folgt der Festivalhöhepunkt: Kasbek sind wieder zu Gast - Ehrengäste könnte man beinahe sagen. Als Frieder Breitkreutz, Andreas Karpen und Christian Müller als junge Musiker kurz nach dem Bau der Mauer Berlin mit Klezmermusik erobern wollten, sind alle auf englische und amerikanische Popmusik fixiert. In den russischen Emigranten-Kneipen rund um den Halensee waren sie damals willkommen. Und daher stammt das Lied, das der Gruppe ihren Namen gibt: „Kasbek“. Der Folk-Hype bescherte den „Berliner Russen“ früh breiteres Publikum. Und ihre besondere Note half ihnen den Abstieg des Folk einige Jahre später schadlos zu überstehen und brachte sie in den letzten Jahrzehnten über den halben Erdball. Berlins ältestes und „vielsaitigstes“ Klezmer-Ensemble spielt jiddische Lieder, Klezmer, russische und rumänische Weisen und Klänge vom Balkan - seit nunmehr fünfzig Jahren. Zum Jubiläum haben sich Kasbek ihre allererste Sängerin, Fanja Czempin, zurück ins Ensemble geholt, um mit ihr zusammen in Bamberg 50 Jahre Kasbeck zu feiern. Auf die Lieder der osteuropäischen Roma darf sich das Publikum diesmal besonders freuen. Mit den Berlinern teilen sich zum ersten Mal in der Geschichte der Bamberger Klezmertage Musiker des Vorprogramms die Bühne. Das junge Trio Swinging KlezMen aus Erlangen gibt vor den “alten Hasen” Kostproben ihres Repertoires.
Als Vorhut der Bamberger Klezmertage fungiert kein Geringerer als Alex Jacobowitz, der Meister des Marimbaphons aus New York, den definitiv jeder, wenn nicht aus den Konzertsälen, dann aus den Fußgängerzonen dieser Welt kennt. Zur Buchveröffentlichung „Ein klassischer Klezmer“ laden die Bamberger Klezmertage gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg am 17. Februar, um 20 Uhr, in das Buch- und Medienhaus hübscher. Es wird gemutmaßt, dass Jacobowitz sein Instrument dabei hat. Am 04. und 05. März gestalten Andrea Pancur, Albert Herrnleben und Arnd Rühlmann jeweils um 20 Uhr im Club Kaulberg einen Ephraim-Kishon-Abend unter dem Titel „Leben & Liebe ist schwer kombinierbar“. Am Sonntag, den 13. März geben Dirk Bayer und Harald Schuberth in der Lounge des Jugendgästehaus am Kaulberg unter dem Titel „Oi, was für Schlamassel“ (Jüdische Narrengeschichten) eine Lesung mit Musik.
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YXALAG, Foto © Frank Jasper
Glezele Vayn, Foto © Pressefoto
Jewish Monkeys, Foto © Pressefoto