Was! für! ein! Brett! AC/DC waren in der Stadt. Und was die Hardrock-Legenden auf dem Nürnberger Zeppelinfeld zweieinhalb Stunden kredenzten, war auf allerhöchstem Niveau angesiedelt. Mit kleinen Makeln, aber mit der Wirkung eines Donnerschlages. Apropos. Die ersten Zeilen ihres Monsterhits „Thunderstruck“ sind so ein bisschen wie die Allgemeinverfassung vieler der 75.000, die die australischen Ikonen (ein letztes Mal?) genießen durften und nach dem denkwürdigen, von ARGO Konzerte, Semmel Concerts und United Promoters präsentierten, Abend ihren Heimweg antraten.
„Ich war gefangen mitten auf einem Bahngleis. Sah mich um und ich wusste, es gab kein Zurück. Meine Gedanken rasten und ich dachte: „Was kann ich tun“? Und ich wusste,
es gab keine Hilfe, keine Hilfe von Dir. Der Klang der Trommeln schlug in meinem Herzen. Der Donner der Kanonen zerriss mich.“ - viele fühlten sich, wie Frontmann Brian Johnson kurz vorher noch sang. Die Abreise aus der Norisstadt glich für viele Gäste einer zweiten Geduldsprobe. Trotz zahlreicher zusätzlich eingesetzter Busse und Bahnen völlig überfüllte öffentliche Verkehrsmittel, auch Autofahrer hatten auf dem Weg in die Ausfahrtsstraßen mehr Mühe als lieb: Nicht wenige standen stundenlang in den Zubringer- und Nebenstraßen des weiten Stadionumfeldes. Sehnsüchtige Blicke in Richtung des geschichtsträchtigen Zeppelinfeldes inklusive. Doch da standen keine Legenden mehr auf der Bühne. Die erklangen aus vielen Lautsprechern in den Autos dafür umso lauter. Ein Abend hallte nach bei den Menschen. Ein Abend, der geprägt war von Brian Johnson und Leadgitarrist Angus Young.
Exakt auf den Tag genau 45 Jahre nach der Veröffentlichung des Erfolgsalbums „Highway to Hell“ gaben sich die Legenden neun Jahre nach ihrem letzten Gastspiel in Nürnberg noch einmal die Ehre. Es war das letzte Album mit dem einstigen Frontmann Bon Scott am Mikrofon. Ein Jahr später schon starb der 33-Jährig an den Folgen einer Alkoholvergiftung. Ersetzen durfte ihn der bis heute als Shouter aktive Brian Johnson. Der 76-jährige Sänger mit der coolen Schiebermütze als Markenzeichen hat sich als Nachfolger schnell eingefunden, die (teilweise noch mit Scott als Sänger) eingespielte „Back in Black“-Scheibe gilt als absoluter Meilenstein der Rockgeschichte, ist bis heute das kommerziell erfolgreichste Album der Band.
Und heute? AC/DC leben von ihrem Kult. Sie hegen ihn, sie pflegen ihn. Und – das Wichtigste: Sie können das noch wie eh und je. Geschenkt, dass Johnsons Stimme nicht mehr den Glanz versprüht, den sie zu Hochzeiten der Band hatte. Auch geschenkt (oder sogar gedankt), dass mit dem anstelle von Chris Slade als Ersatz für Phill Rudd hinter den Trommelfellen sitzenden Matt Laug, Bassist Chris Chaney und Rhythmusgitarrist Stevie Young, Sohn und Nachfolger von Gründungsmitglied Malcolm Young, die drei anderen Mitstreiter der Kultband quasi unsichtbar agieren. Alles fokussiert sich auf Johnson und dem immer noch mit allerlei Traditionen aufwartenden Angus Young. In (furchtbar hässlicher!) weinroter Schuluniform, es dürfte sich um eine aus Samt gehandelt haben, mit fast noch hässlicher wirkender Schirmmütze schlürfte er über die Bühne. Doch was heißt hier schlürfen? Voller Power tigerte der 69-Jährige ikonisch über die Bretter, die die Welt bedeuten, Duckwalks und ein grandioses mehrminütiges Gitarrensolo in der Spätphase des Konzertes inklusive.
Markus Söder war da schon nicht mehr vor Ort. Bayerns Ministerpräsident outete sich auf seinem Instagramaccount als Fan der Band seit Schulzeiten, der noch nie ein Konzert von AC/DC gesehen habe. So kam er: Stilecht im Bandshirt, mit Sonnenbrille und Ledersakko gekleidet. Einige Lieder blieb er da, ehe es ihn weiterzog. So er (was überraschend wäre) das Band in der Menge genoss, erlebte er denkwürdiges. Man darf davon ausgehen, dass er es verpasst hat. Im Gegensatz zu knapp 80.000 anderen Menschen. Selten hat man im Frankenland eine solche Insel der Glückseligkeit erlebt. Strahlende Gäste, egal wo man hinblickte. Gute Laune auch vor der riesigen Bühnen und den übergroßen Leinwänden, die auch diejenigen in den hintersten Reihen mitnahmen. Und die Band, respektive die beiden Hauptprotagonisten auf der Bühne? Die hatten merklich Spaß daran, die Nostalgie zu befeuern.
Lediglich vier Lieder der wenig überraschenden Setlist stammen aus dem neuen Jahrtausend. Der Rest? Band- und Musikgeschichte pur. For those about to Rock, T.N.T., Dirty Deeds, Back in Black, Stiff upper lip, Shoot to thrill, You shook me all night long, Whole lotta rosie, Let there be rock, Highway to hell und natürlich Thunderstruck: Es blieben kaum Wünsche übrig beim Publikum. Um ehrlich zu sein: Keine. Was blieb vom Abend? Für viele (der Schreiber dieser Zeilen nimmt sich nicht aus....) der Muskelkater des Lebens. Und einer der vielleicht grandiosesten und erinnerungswürdigsten Konzertabende der jüngeren Vergangenheit. Um es noch einmal mit den Schlussworten von Thunderstruck zu formulieren: Man war wie vom Donner gerührt. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. Danke, Brian Johnson! Danke, Angus Young! Danke, AC/DC!