
Die Harfe und der Jazz. Eine allzu seltene Liaison. Dabei gründeten Pionierinnen wie Alice Coltrane oder Dorothy Ashby eine fabelhafte musikalische Tradition des Jazz, in der bis heute beinahe ausschließlich Frauen brillieren. So auch zeitgenössisch Amanda Whiting, die sich ausgezeichnet in diese Rubrik eingliedert. Musikalisch gegenwärtig, ganz und gar nicht aus der Zeit gefallen und dennoch enorm groovy angelegt, wie es bei Ashby bereits Eigenart war. Der Titel „After dark“ suggeriert das Ende der Dunkelheit. Damit verleitet Amanda Whiting ihre Hörer dazu, die Augen zu öffnen. Sich dem seltenen und sanften Harmonieinstrument hinzugeben, das zwischen Melodie und Vielklängen changiert, beiderlei Rollen übernimmt und stets den hypnotisch gehaltenen Rhythmen folgt. Kongenial daneben singt die Flöte, mit der willkommene Abwechslung in das Melodie- und Solospiel gebracht wird. Bisweilen auch Gesänge. Dabei kommt die Harfe bisweilen dem Gitarrenspiel sehr nahe, doch bleibt Außenseiter und Extraklasse zugleich. Im unisono-Spiel zwischen Harfe und Querflöte gipfelt dann die Solierqualität. Originell und aufregender als der beste Bläsersatz. Harmonische Treppenkultur stellt den nötigen Raum für eine schlichte Rezeptur, die meisterhaft zelebriert wird. Ein wunderbares Instrument, das nicht umsonst immer wieder auch einmal im Jazz ein Zuhause findet. Und diesen dabei weder groß erneuert noch ihm einen Bärendienst erweist. Denn es bringt sehr rare Klangfarben in seine Welt. Eine wunderbare Künstlerin, tadellos an der Harfe und mit bestechender Neugier. Theoretisch Herrin aller Sinne, praktisch so bezaubernd wie ihr Instrument. Musikalisch eingängig, beschwingt, mit Nuancen und Raffinessen. After dark öffnet die Augen, ist zum sich hineinlegen.