Nach über zehnjähriger Abstinenz aus Franken gibt sich eine der begnadesten Soulröhren des Erdballes am 18. April in der Nürnberger Meistersingerhalle wieder einmal die Ehre: Anastacia kommt, um die Norisstadt zu bezirzen.
Die Gene, die sie in die Wiege gelegt bekam, waren nicht die schlechtesten. Anastacia Lyn Newkirk, vor 47 Jahren in Chicago das Licht der Welt erblickend, war gesegnet: Vater Robert Sänger, die Mutter Diane Hurley Sängerin am ruhmreichen Broadway. Und der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Heute lässt sich getrost behaupten: Mit weltweit mehr als 30 Millionen verkauften Tonträgern ist die vom Leben geprägte Amerikanerin eine der bekanntesten Stimmen unserer Zeit. Ein unumstrittener Weltstar, der mit Hits wie „I‘m outta love“ aus ihrer 2000er-Debütscheibe „Not that kind“ über „Paid my dues“ bis hin zu „Left outside alone“, „Sick and tired“ und „Heavy on my heart“ aus dem 2004er-Album „Anastacia“ ein Millionenpublikum begeistert, eine außerordentliche Präsenz bei Bühnenauftritten zeigt und die Bodenhaftung - nicht zuletzt aufgrund eigener Lebenserfahrungen - nie wirklich verloren hat.
Die wohl schwärzeste, weiße Stimme auf dem Musikmarkt mit der dunklen, souligen Stimme musste neben ihren musikalischen Erfolgen immer wieder gesundheitliche Tiefschläge verkraften. Als Kind litt sie an Morbus Crohn - entdeckt ungeachtet dessen ihre Leidenschaft fürs Tanzen, später erkrankt sie an Krebs, muss 2013 eine geplante Tour absagen, nachdem die Krankheit erneut auftauchte. Schon 2003 stellten die Ärzte erstmals Brustkrebs bei ihr fest. Mehrere mehrjährige Pausen waren die Folge, am Ende ließ sich Anastacia beide Brüste operativ entfernen. Doch trotz aller Rückschläge - sie kam immer wieder zurück. Und immer wieder ein Stück gereifter. Was all die Jahre geblieben ist: Eine glockenklare Stimme und die Vorliebe für modisch farbige Brillen, die die modebewusste Sängerin stets trug. Einige Jahre lang verzichtete sie, die auch schon eine eigene Klamottenkollektion mit der Würzburger Firma S. Oliver kreierte, zugunsten von Kontaktlinsen auf ihr Markenzeichen. Inzwischen aber sind die Gläser auf der Nase wieder zurück. Und - so kurios das klingen mag - auch der Erfolg.
Im November veröffentlichte die amerikanische Songschreiberin und Sängerin ihr gleichnamiges „Ultimate Collection“-Album, auf dem sie die großen Hits, und das waren so einige, ihrer Karriere noch einmal zelebrierte – inklusive zwei neuen Titeln. „Ultimate Collection“ war der Nachfolger des Studio-Albums „Resurrection“, das in Europa einmal mehr zündete und - wie schon drei andere Scheiben vorher - in Deutschland, England und der Schweiz die Top 10 erreichte und Anastacias zeitlosen Glanz dokumentierte. Am Rande bemerkt: Kurioserweise hat die Souldiva mit dem Lebenslauf, der eigentlich in ihrer Heimat Amerika für sich schon eine Geschichte wert wäre, eben dort nie wirklich ihren Durchbruch feiern können. Nach einem anständigen Achtungserfolg mit ihrer Debütsingle „I‘m outta love“ gelang es der - weiterhin auch optisch sehr, sehr ansehnlichen - Amerikanerin nicht mehr, dort nachhaltig in die Hitparaden einzusteigen. Aus recht einfachem Grund: In ihrer Heimat galt der weißen Bevölkerung die Stimme als zu schwarz, viele dunkelhäutige Amerikaner schätzen wohl die Stimme, konstatieren aber schlichtweg, dass ihnen Anastacia zu weiß sei.
Aber auch ohne amerikanische Heimat: Das abgelaufene Jahr war für die mittlerweile 47-jährige - lange Jahre schummelte sie sich medial einige Jahre jünger und klärte die Allgemeinheit erst 2008 über ihr wahres Alter auf - Anastacia erneut ein grandioses Jahr, das sie auf ihrer 80 Termine umfassenden „Resurrection“-Tour um die ganze Welt führte. „Ich fühle mich gesegnet und bin demütig, dass ich die Erfahrung dieses aufregenden nächsten Kapitels meines Lebens machen darf. Die Idee hinter meiner ‚Ultimate Collection‘ war, für jeden etwas dabeizuhaben“ so die Soul-Künstlerin kürzlich. Auf ihrer „Ultimate Collection“-Sommertour 2016 darf sich Nürnberg wieder einmal der Schönheit erfreuen, die seit ihrem vielumjubelten Auftritt auf dem Reichsparteitagsgelände Anfang 2000 mit Abwesenheit in fränkischen Gefilden glänzte. Zeit wird es also, dass sie wieder einmal auftaucht. Gespannt darf man sein, ob sie die Rockröhre herauszaubert, oder - wie auf der Vorjahrestour präsentiert - die ruhigeren, fast schon intimen Momente in den Fokus stellt. Denn sie kann auch anders. Sie kann leise und bedächtig. Immer dann, wenn sie die Regler nach unten fahren lässt, nur mit Gitarre und Schlagzeug performend, sind es die ganz großen Momente bei ihren Konzerten. Wie auch immer: Man darf sich auf eine Mittvierzigerin freuen, die trotz aller gesundheitlicher Rückschläge in blendender Verfassung zu sein scheint. Im Mittelpunkt steht inzwischen wieder ausschließlich die Musik.
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Anastacia live in Bamberg, Foto © Andreas Bär