Mehrmals läuft im Kriegsherbst 1632 die 15-jährige Maria Margareta Stumpf von Bayreuth nach Kulmbach. Dort versucht die junge Frau, das Lösegeld für ihren Vater zusammenzutragen. Der kaiserliche Heerführer Marchese de Grano hält ihn als Geisel. Seine Forderung an die Stadt Bayreuth: 10.000 Reichsthaler für fünf Tage Besetzung. Nach Wochen hat Maria Margareta das Geld beisammen – doch schon drei Tage nach der Übergabe stirbt der Vater an Entkräftung. Der nächste Schlag kommt zwei Jahre später – die Mutter fällt der Pest zum Opfer. Die nun 17-Jährige übernimmt die Verantwortung für die vier jüngeren Geschwister. Mit 18 heiratet sie im Folgejahr einen 13 Jahre älteren Mann. In den nächsten 10 Jahren bringt sie acht Kinder zur Welt. Fünf davon starben noch im Kleinkindalter. Der Tod des letzten Kindes bricht letztlich ihren Lebenswillen. Maria Margareta stirbt mit 28 Jahren.
Das Schicksal von Maria Margareta Stumpf aus Bayreuth ist tragisch – und doch nur eines von vielen: Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges produzierte eine große Anzahl von ähnlichen Lebensläufen und Schicksalen. Das diesjährige Gedenkjahr ist für die Tourismuszentrale Fränkische Schweiz und das Fränkische Schweiz-Museum Anlass gewesen, das Jahresthema „Auf den Spuren der Musketiere“ ins Leben zu rufen: In einer großen Ausstellung widmet sich das Fränkische Schweiz-Museum dem Dreißigjährigen Krieg. Sie heißt „Söldner, Seuchen, Schrecken. Franken und Böhmen im Dreißigjährigen Krieg“ und ist vom 24. März bis 23. September 2018 zu sehen.
Die Ausstellung
Die Ausstellung stellt die Ereignisse in der Region in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus Sicht der damals lebenden einheimischen Bevölkerung vor. Die großräumigen europäischen Ereignisse immer im Blick behaltend, vermittelt das Museum so anhand von lokalen und regionalen Beispielen die erschütternde Zeitepoche zwischen 1618 und 1648.
Die Kuratoren des Fränkische Schweiz-Museums haben zahlreiche originale Objekte aus jener Zeit zusammengetragen: Urkunden, Propagandaflugblätter, Waffen, Bilder und Alltagsgegenstände sind hier zu nennen. Aus ausgewählten überlieferten Leichenpredigten werden Biografien von Personen zusammengestellt und als Hörspiel präsentiert. Die so dargestellten Einzelschicksale erlauben einen sehr persönlichen Einblick in die Lebenswelt der Menschen zu einer Zeit, in der Glück und Schrecken sehr eng beisammen liegen konnten. Die eindrucksvollen und intensiven Grafiken eines Jacques Callot belegen dies sehr deutlich.
Die Sonderausstellung erstreckt sich über zwei Gebäude des großen Regionalmuseums in Tüchersfeld bei Pottenstein. Zusätzlich zum großen Sonderausstellungssaal werden in einem weiteren Gebäude noch zwei Stockwerke, die jetzt noch Teile der Dauerausstellung beherbergen, bespielt. Konzeptionell unterteilen die Macher die Ausstellung in mehrere Einzelthemen.
Der Weg in den Krieg
Eingangs erfahren die Besucher, wie sich die aufbauenden Spannungen zwischen den protestantischen böhmischen Ständen auf der einen und dem Kaiser auf der anderen Seite verschärften und im Prager Fenstersturz mündeten. In erster Linie ging es in diesem Krieg schließlich nicht um Konfessionen, sondern um reine Machtpolitik. Hasspredigten und Propagandablätter heizten die Situation weiter ein. In weiten Teilen des deutschsprachigen Raumes gingen die Potentaten anfangs noch von einer sehr kurzen kriegerischen Auseinandersetzung aus. Überhaupt war es nicht ein Krieg, sondern viele verschiedene Kriege: der böhmisch-pfälzische Krieg (1618-23), der dänisch-niedersächsische Krieg (1623-1629), der schwedische Krieg (1630-1635) und letztlich der schwedisch-französische Krieg (1635-1648). Rein von der regionalen Verlagerung her gesehen, waren das heutige Bayern und weite Teile Mitteldeutschlands am längsten von den Kriegen betroffen.
Die Kriegsherren
Dieses Kapitel stellt die Biografien der wichtigsten Akteure vor. Hier sind die politischen Köpfe zu nennen: die Kaiser Matthias (bis 1619) und Ferdinand, der Winterkönig Friedrich und der König Gustav Adolf. Von den Heerführern finden von Pappenheim, von Mansfeld, Tilly und Wallenstein besondere Beachtung.
Die Region und ihre Akteure
In der Fränkischen Schweiz konkurrierten mehrere Machtblöcke um die Vorherrschaft: Das Hochstift Bamberg, die Reichsstadt Nürnberg, die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth und die Reichsritter. Gerade in den Anfangsjahren des Krieges war sich niemand über das wirkliche Ausmaß der Auseinandersetzungen im Klaren. Gerade der Markgraf versuchte, sich lange neutral zu verhalten. Den lokalen Amtmännern kam die wichtige Schlüsselposition zwischen der Obrigkeit und den Untertanen zu. Über sie lief die Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten.
Das bäuerliche Leben
Die Ausstellung beschreibt die Lebensverhältnisse der bäuerlichen Familien in der Region. Die Bevölkerung lebte in offenen Dörfern oder in landwirtschaftlich geprägten Kleinstädten. Durch die unzureichende medizinische Versorgung auf dem Land verstarben viele Menschen schon sehr früh. Verursacht durch die Drangsale des Krieges aßen die Bewohner aus Not oftmals Eicheln, Hunde und Katzen. Eine Mangelernährung lässt sich recht gut am Skelettmaterial nachweisen.
Viele Männer folgten dem Lockruf des Handgeldes bei der Anwerbung und verdingten sich fortan als Söldner. Insgesamt ist die Bevölkerung in Bewegung. Namenslisten verdeutlichen, dass im Laufe des Krieges sich neue Familien niederlassen.
Das städtische Leben
Das Leben in der Stadt folgte einem anderen Rhythmus als auf dem Land. Hier sind Handwerker und Kaufleute ansässig. Umgeben von einer Mauer boten Städte einen gewissen Schutz. Doch waren gerade die Städte auch lukrative Kriegsziele – konnte man doch von der Bürgerschaft Geld, Schmuck und andere Luxuswaren abpressen – siehe die Geschichte von Maria Margaretas Vater. Die Offiziere quartierten sich zusammen mit ihren Gemahlinnen und Kindern häufig in den Städten ein. Für die Versorgung ihrer Truppen und des Trosses forderten sie von den Einheimischen Geld und Naturalien. Die Enge auf den Gassen und die fehlende Abwasserversorgung förderten das Ausbrechen von Seuchen.
Niedergang des Geldes
Ein Bevölkerungswachstum und eine Migration der Landbevölkerung in die Städte verursachte eine Teuerung – insbesondere betraf dies Nahrungsmittel. Eine Verarmung der Städter war die Folge. Die Landesherren versuchten gegenzusteuern. In ihren Münzprägestätten ließen sie Münzen mit einem geringeren Feingehalt schlagen. Gerade in den ersten Kriegsjahren wurde für die Söldneranwerbungen zusätzliches Geld benötigt. Es ist die Zeit der Kipper- und Wippermünzen. 1610 erhielt man für einen Reichsthaler 90 Kreuzer, in den Jahren 1622 bis 1623 über 600 Kreuzer. Ab 1623 zogen die Landesherren die schlechten Münzen aus dem Verkehr, zumal die Söldner diese als Bezahlung nicht anerkannten.
Die Söldner
Die Generäle des Dreißigjährigen Krieg warben ihre Soldaten in Städten an. Nicht selten pressten die Offiziere der Sieger die besiegten Feinde auch in die eigene Truppe hinein. So konnte es durchaus geschehen, dass ein Söldner mehrfach die Seiten wechselte und mal für die katholische Liga, mal für die protestantische Union kämpfte – unabhängig von seiner eigenen Konfession. Das Tagebuch des Söldners Peter Hagendorfs gibt tiefe Einblicke in das Leben eines Soldaten. Hagendorf legte im Zeitraum seiner Tagebucheinträge zwischen 1625 und 1649 22.500 km zurück. Er kämpfte in Italien, Deutschland, spanische Niederlande und Frankreich. Unter anderem lag er mit seiner Truppe – während er gerade in schwedischen Dienst stand – vor der katholischen Festung Forchheim.
Plünderungen und Drangsale
Mehrere zeitgenössische Künstler stellten die Plünderung eines Dorfes eindrucksvoll in ihren Werken dar. Es wurde geraubt, gebrandschatzt und gemordet. Oftmals hatten die Plünderungen gar keinen militärischen Zweck, sondern waren Ergebnis einer durch die allgegenwärtige Gewalt verrohten Gesellschaft. Zunächst lagen vor allem die Orte entlang einer Heerstraße, die leicht zu erreichen waren, im Visier der Plünderer. Die Bewohner versteckten ihre Wertgegenstände in der Feuerstelle, im Bereich des Kamins oder in der nahen Umgebung. Blieb eine plündernde Truppe länger im Ort, gruben sie zielgerichtet die Feuerstellen und andere beliebte Verstecke aus.
Belagerungen und Kämpfe
Die mit einer Stadtmauer umgebenen Städte wurden belagert. Je nach Größe des Heeres konnte eine Belagerung mitunter mehrere Monate dauern. Bei zu großem Widerstand brachen die Offiziere eine Belagerung auch recht schnell wieder ab. Peter Hagendorf schreibt beispielsweise, dass sie aus Forchheim heftig mit Kanonen beschossen wurden und schließlich schnell weiterzogen. Eine Belagerung war eine langwierige Prozedur. Selten war die angreifende Streitmacht so groß, um eine Stadt völlig von der Außenwelt abzuschneiden.
Seuchen und Ernährung
Viele Menschen an einem Ort, mangelnde Ernährung und unzureichende medizinische Versorgung führen schnell zu Seuchen. Immer wieder kommt es während des Krieges zum Aufflackern der Pest. Diese war nicht nur auf die Städte begrenzt. So standen im Jahr 1634 im Ort Busbach 8 Geburten, 157 Pesttoten, gegenüber. Gerade bei größeren Ansammlungen von Soldaten kommt es auch schnell zu Durchfallerkrankungen.
Die Entvölkerung ganzer Landstriche führt zum Zusammenbruch der Lebensmittelversorgung. Zeitzeugenberichte beschreiben, dass sich die Menschen aus Not von Eicheln ernährten. Auch Katzen und Hunde wurden gegessen. Der Engländer Dr. Vincent stellte in seinem Werk „Lamentations of Germany“ aus dem Jahr 1638 diese Situation bildlich dar.
Friedenssehnsucht und Friedensverhandlung
Trotz des Todes der meisten Akteure in der Mitte der 1630er-Jahre wird der Krieg fortgeführt. In der Region Oberfranken finden weiterhin zahlreiche Belagerungen und Plünderungen statt. Jedoch lässt sich hinter den Aktionen der einzelnen Kriegsparteien keine einem größeren Kriegsziel dienende Strategie erkennen. Vielmehr erscheinen die Kampfhandlungen als eine Art Privatkrieg einzelner Offiziere, die, um eigene Vorteile zu erlangen, eine Gegend terrorisieren. Die Situation erinnert an heutige Warlords.
Ab 1643 begannen in Westfalen die fünfjährigen Friedenskongresse. In Münster verhandelte der Kaiser mit Frankreich und in Osnabrück verhandelte er mit den Schweden. Schließlich konnten 1648 in den beiden Städten nach mehrmonatigen Verhandlungen die Friedensverträge erfolgreich zu Ende geführt werden. Nach heutigem Verständnis waren die Friedensverträge eher Waffenstillstandsabkommen. Der eigentliche Friede wurde im Friedensexekutionskongress zwischen April 1649 und 1650 in Nürnberg ausgehandelt. Dieser Prozess der Friedensfindung wurde Vorbild für die Friedenserlangung in späteren Kriegen.
Das Begleitprogramm
Zusammen mit der Tourismuszentrale Fränkische Schweiz ist begleitend zur Ausstellung ein ergänzendes Programm entstanden. So kann man im April an einer Führung durch die Sonderausstellung teilnehmen (1.4., 14 + 16 Uhr). Verschiedene Vortragsveranstaltungen informieren über Franken im Dreißigjährigen Krieg (11.4., 19.30 Uhr), den Alltag zu damaliger Zeit (25.4., 19.30 Uhr), archäologische Befunde (2.5., 19.30 Uhr) sowie die Krankheiten des Feldherren Wallenstein und seiner Soldaten (16.5., 19.30 Uhr). Überdies finden im April und Mai zwei Konzerte statt: ein Konzert der Kurrende Bad Düben in St. Nikolaus Ebermannstadt (29.4., 17 Uhr) und ein musikalischer Abend der Lingua musica in der Kirche St. Kilian in Pretzfeld (5.5.). Am Internationalen Museumstag am 13. Mai sind verschiedene Aktionen rund um die Sonderausstellung geplant.
Fotocredits:
Fränkische Schweiz-Museum Tüchersfeld, Foto © Fränkische Schweiz-Museum Tüchersfeld