Ob der jetzt wieder so gefeierte Joseph Beuys weiland geahnt hätte, welche Folgen seine wohlfeilen Sprüche wie „Jeder ist ein Künstler“ oder „Alles ist Skulptur“ einst zeitigen würde? Allzu viele Kunstaspiranten haben das für bare Münze genommen und glauben nun, es genüge, Kunst zu behaupten, und dann sei sie das auch. Aber der Erfolg gibt den Kunstbehauptern und Kunstbehaupterinnen (die weibliche Form ist hier sehr wichtig, wie wir gleich sehen werden) recht, denn angesichts der zunehmenden Naivität von Kuratoren, Sammlern und Sponsoren kommt man damit durch. Und frau auch. Tracey Emin erklärte 1999 ein ungemachtes Bett zum Kunstwerk (die dazugehörigen Utensilien verschweigen wir hier) und bekam dafür prompt den Turner-Preis. Manche nennen das Konzeptkunst, andere Persönlichkeitsmythologie.
Niemand hat die simple Methode, durch spleenige Ideen mediale Aufregung zu erzeugen, so perfektioniert wie Marina Abramovic. Ihre mehrmonatigen exhibitionistischen Sitzmarathons haben sie weltberühmt gemacht. Das Privatissimum als behauptetes Kunstwerk, da bleibt von Beuys’ „sozialer Skulptur“ nicht mehr viel übrig. Das kann sich rächen, wenn es künstlerisch wirklich einmal ernst wird. Die Münchner Callas-Show der Abramovic jedenfalls – wieder so ein Ego-Trip – wurde zu Recht verrissen. Auch Staatsintendant Nikolaus Bachler hatte sich wohl blenden lassen. Sie versteht sich als Performerin – und das genau ist das Problem, denn diese mediengerechte Bezeichnung verweist auf den problematischen Umgang mit ungeschützten Begriffen, mit denen Jeder und Jede hantieren kann. Performen, das klingt einfach gut.
Dabei gibt es ja genügend Beispiele für gelungene performative Kunst, also das geglückte Zusammentreffen von Darbietungen verschiedener künstlerischer Ausdrucksformen, die dem ursprünglichen Wortsinn von engl. ‚Performance‘ gerecht werden. Jede Kabarettistin, die mit Worten, Mimik und Musik virtuos umgeht, ist eine Performerin im besten Sinne. Multitalente sind das, die ihre Könnerschaft auf verschiedenen Gebieten kombinieren und das Publikum nicht mit einer eindimensionalen Obsession langweilen. Oder schauen wir auf die performative Lokalmatadorin Nora Gomringer, wenn sie mit ihrer eleganten Kombination von Sprache, Lautmalerei, Witz und Gestik ein One-Woman-Gesamtkunstwerk auf die Bretter zaubert. Da wird das Performen auf seinen Begriff gebracht.