
Als wir vor einigen Jahren den plötzlich in Mode gekommenen Begriff ’Influencer*innen’ vorstellten, hätten wir uns kaum vorstellen können, dass eine eigentlich inhaltslose Tätigkeit, nämlich der Entschluss, irgendetwas beeinflussen zu wollen, eine solche Karriere würde machen können. Mittlerweile generieren die seltsamen Geschöpfe dieses Namens viele Millionen Euros oder Dollars, obwohl sie der wohl dümmsten Beschäftigung nachgehen, die sich denken lässt, nämlich der narzissenhaften Zurschaustellung ihres zurechtgebastelten Körpers. Nun ja, wer’s mag und dafür auch noch bezahlt – gönnen wir es den eitlen Selbstbespiegler*innen.
Eine andere Tätigkeit - oder nennen wir es Verhalten - hat sich mittlerweile ebenfalls von jeglichen Inhalten abgelöst und ist sogar zur Berufsbezeichnung geworden: Aktivist bzw. gerne auch Aktivistin. Früher engagierte man sich für ein klar benanntes Ziel, war Atomkraftgegner*in, Fluchthelfer*in, Demonstrant*in gegen den Vietnamkrieg, Ostermarschierer*in oder meinetwegen auch Hausbesetzer*in, setzte sich also stets für eine inhaltlich klar definierte Sache ein. Neuerdings scheint nicht mehr so sehr der Anlass oder die Grundüberzeugung zu zählen, sondern das Engagement als solches wird zum Selbstzweck und gebiert eine dazu passende Berufsbezeichnung, eben den personalisierten Aktivismus.
Überall wimmelt es mittlerweile von Aktivisten*innen, die sich in Ermangelung eines Brotberufs ganz dem Aktivsein als solchem verschrieben haben. Aktiv ist nämlich ein von vorneherein sehr positiv besetzter Begriff, gegen den man nichts haben kann, zumal dann, wenn die jeweiligen Aktivitäten Problemlagen mit gesellschaftlich anerkanntem Veränderungsbedarf betreffen und entsprechend hohen Sympathiewert genießen. Immer öfters wird in Interviews auf die Frage nach dem Beruf voller Stolz die Antwort gegeben, man sei Aktivist*in. Wenn das so ist, steigen angesichts ständiger Verfügbarkeit die Einsatz- bzw. Verwendungsmöglichkeiten dieser Leute. Sie werden quasi zu Söldnern der guten Sache. Neuerdings gibt es sogar eine Agentur, die sich um einschlägige Schulung kümmert. Auch Weltverbesserung will schließlich gelernt sein…