Unter dem Titel „1561 n. Chr. – Ufos über Nürnberg“ präsentierte das Rosentaler-Ensemble unter der Leitung von Christopher Berensen am 31.10.2024 ein faszinierendes Konzert in der Johanniskapelle in Bamberg. Schon der Titel ließ das Publikum erahnen, dass hier etwas völlig Ungewöhnliches zu erwarten war. Der Untertitel des Konzerts, „Alte Musik trifft auf Neue. Was geschah am 14. April 1561?“, gab einen vielversprechenden Einblick in das kreative Konzept, das Neugierde und Spannung weckte.
Gleich zu Beginn wurde darauf hingewiesen, dass das Konzert den „Schleier zwischen Diesseits und Jenseits“ durchlässig machen wollte. Das Publikum tauchte ein in einen abgedunkelten Raum, in dessen Hintergrund das Gewölbe in mystischem Rot erstrahlte, und ließ sich auf die unheimliche Frage nach den Ereignissen des 14. April 1561 ein.
Den Auftakt bildete ein Stück, das die Klangwelt der Renaissance auf typische Weise einführte. Doch schon im nächsten Werk verbanden sich improvisierte elektronische Klänge von echobreed.com auf beeindruckende Weise mit den historischen Instrumenten – eine harmonische Verschmelzung von Alt und Neu, meisterhaft umgesetzt durch Daniel Hrens fein abgestimmte elektronische Improvisationen und Kompositionen.
Begleitet wurde die Musik von der Lesung des frühneuhochdeutschen Textes des Hans-Glaser-Flugblatts, das von den rätselhaften Himmelserscheinungen im Jahr 1561 berichtet. Dieser Text diente als dramaturgischer Leitfaden und wurde absatzweise von einem Schauspieler mit prächtigem fränkischen Akzent vorgetragen. Schön wäre es allerdings gewesen, wenn der Schauspieler live anwesend gewesen wäre, statt nur elektronisch eingespielt. Der Text war zusätzlich im Programmheft abgedruckt, was das Verständnis erleichterte.
Das Flugblatt beschreibt erschreckende Erscheinungen wie Sonnen, Monde, Blitze und Kugeln – Phänomene, die sowohl Faszination als auch Furcht hervorrufen. Die Musik spiegelte diese wachsende Spannung wider und führte das Publikum durch Kirchen- und Tanzmusik des 16. Jahrhunderts, untermalt von sphärischen elektronischen Klängen, die die Grenzen zwischen Erwartbarem und Unerwartetem verwischten. Bei Stücken wie Romanesca, Bergamasca und Chi Passo konnte man den Musikern, in diesem Fall Johanna Steinborn (Blockflöte, Pommer, Schalmei) und Chris Berensen (Renaissancegitarre), die Spielfreude förmlich ansehen – ein Funke, der auch auf das Publikum übersprang.
Kurz vor der Pause wurde die Atmosphäre noch einmal intensiver: In Stephen Yates’ virtuoses „Solfeggietto V“ für Cembalo, dessen filmmusikartige Qualität an Ludovico Einaudi erinnerte, rückten die im Hintergrund projizierten Videoaufnahmen seltsamer Himmelsphänomene – angeblich geleaktes Material des US-Militärs – in den Fokus. Die visuelle Untermalung lief den Abend hindurch in einem rotierenden Zyklus und bezog sich gezielt auf die beschriebenen Ereignisse des Flugblatts von 1561. Diese visuelle Ergänzung verlieh dem Konzert eine absichtlich beklemmende und fesselnde Note. Den Höhepunkt vor der Pause bildete Johann Pachelbels Toccata und Fuge für Orgel, die mit einem bedrohlichen Klangbild begann und in eine ekstatische Gruppenimprovisation überging, bei der Orgel und Synthesizer sich zu einer Einheit verbanden – fast, als befände man sich auf einer Elektro-Party.
Nach der Pause änderte sich die Stimmung: Die Klänge wurden sanfter, die Atmosphäre gelöster und friedlicher. Daniel Hren trat in einigen Stücken als Schlagwerker in Erscheinung und spielte dabei auf echten Tierknochen, was der Inszenierung eine archaische Note verlieh. Auch die Beleuchtung des Gewölbes änderte sich und erstrahlte nun in beruhigendem Grün. Zum Abschluss des Abends betonte das Ensemble nochmals die Nähe alter Musik zur Kirchenmusik, was gut zu der heilsgeschichtlichen Deutung des Flugblatts passte, das die himmlischen Phänomene als göttliche Botschaft interpretierte. Ein leicht schauriges Werk von Violeta Dinescu (*1953) schloss diesen nachdenklich stimmenden, außergewöhnlichen Abend ab.
Doreen Hart, 5.11.2024