Vom 17. Dezember bis 8. April 2018 zeigt das Museum Georg Schäfer eine große Sonderschau. Die Ausstellung „Back to Paradise“ vereint 155 hochkarätige Werke all jener Maler, die heute aufgrund der herausragenden Bedeutung ihrer Kunst unter dem Namen „Expressionisten“ in den großen Museen der Welt vertreten sind.
Zu nennen sind dabei zuerst die Künstler der Brücke: Max Pechstein, Erich Heckel, Otto Müller, Conrad Felixmüller, Karl Schmidt-Rottluff, Emil Nolde und den Schweizer Cuno Amiet. Den Schwerpunkt bilden hier die frühen Werke Ernst Ludwig Kirchners, die um erstklassige, kaum bekannte Zeichnungen bereichert werden. Dazu treten Arbeiten von Walther Bötticher und Christian Rohlfs, der eng mit dem Expressionistenförderer Karl Osthaus in Hagen befreundet war und dessen Arbeiten einen weiteren Schwerpunkt dieser Sonderschau im Museum Georg Schäfer bilden.
Aus den Reihen der Neuen Kunstvereinigung München und der Gruppe Blauer Reiter sind Wassily Kandinsky, August Macke, Franz Marc, Gabriele Münter und Alexej von Jawlensky vertreten. Eine Brücke zur Neupräsentation der Ständigen Sammlung des Museums schlagen Werke von Max Liebermann und Max Beckmann. Es handelt sich insgesamt um 73 Gemälde, 30 Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen sowie um 52 seltene Druckgrafiken, wobei die berühmten Holzschnitte einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Expressionismus leisten.
Sieht man die Kunstbewegung des Expressionismus aus der Sicht der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts, dem Schwerpunkt der Schweinfurter Sammlung, dann gleicht sie in ihrer Kraftentfaltung bildlich gesehen einem lange ruhenden Vulkan, der plötzlich, aber nicht unerwartet, ausbricht. Denn alles, was in der deutschen Kunst Jahrzehnte zuvor unter der Oberfläche brodelte – etwa die Frage nach dem Primat von Farbe und Form gegenüber einer historistischen oder symbolischen Thematik sowie der Streit um eine deutsche Nationalkunst – fand in dem von Herwarth Walden 1911 geprägten Begriff „Expressionismus“ eine Antwort. Wobei der Vulkan – um dieses Bild weiterhin zu nutzen – an sich fern der europäischen Zivilisation zu verorten ist, jedoch mal in der Südsee, mal an der Nord- und Ostsee oder gar an den Moritzburger Seen nördlich von Dresden lokalisiert werden müsste. Denn um allzu ferne Träume und Utopien geht es im Kern gar nicht: Die Kunst des Expressionismus widerspiegelte ein neues Lebensverständnis der Künstler.
Das Paradies der Künstler wurde als Gegenentwurf zur europäischen Zivilisation, aber auch zum politisch geführten Streit um Kunst angelegt. Dabei handelte es sich um einen inneren wie realen äußeren Rückzugsort, den Emil Nolde und Max Pechstein z.B. in der Südsee zu finden hofften und zeitweilig auch fanden. Hier wie dort aber stießen sie immer wieder auf die Normen einer viktorianisch-wilhelminischen Zeit, auf eine vorgeprägte Ansicht, was Kunst sein sollte.
Diese klar umgrenzte Kunstzivilisation und die von den Kunstakademien immer noch geförderte Idealisierung des Alltags stieß auf Widerspruch. Das in der Ferne bei den Südseevölkern ebenso wie in Europa ethisch wiederzuentdeckende „Urwesenhafte“ (Nolde) war nun Herausforderung und Ziel. Dazu dienten Aufenthalte im kleinen Kreis an abgelegenen Waldseen, an einsamen Stränden und Küstenstreifen. Dazu diente auch der Einsatz starker Ausdruckswerte sowie der Bruch mit den Traditionen der Malerei. Auch bei jenen Künstlern, welche Europa nicht verließen, war damit eine gewollte schöpferische Isolation der Künstler vom Kunstmarkt und seinen Gesetzen verbunden. Die Moderne tat einen großen Schritt, auch wenn sie sich von dem unterschied, was sich weite Kreise bis dato von der Kunst erhofften. Einzig die Lebensreform-Bewegung deckte sich im Ansatz mit dem bis heute in seiner philosophischen Dimension zu wenig untersuchten Werk der Expressionisten. In der Sichtweise des Paradiesischen als privater Seelengarten wird auch der Zugang geregelt: der Dritte als Betrachter erhält durch die Kunst, das Bild, nur einen Einblick, aber keinen Überblick. Der Maler öffnet uns nur ein Fenster zum privaten Paradies. Damit wehrten sich die Künstler auch gegenüber den Kunsthistorikern, welche gerade in jener Zeit die Stilgeschichte als schablonenartiges Zuordnungssystem entwickelten. Die moderne, individuelle Vorstellung vom Paradies der Künstler einerseits traf auf eine streng wissenschaftliche Eingruppierung und Klassifikation andererseits.
Diese mit herausragenden Meisterwerken bestückte Schau in Schweinfurt kam durch eine Kooperation mit dem Osthaus Museum Hagen und dem Aargauer Kunsthaus in der Schweiz zustande. Dazu gesellen sich Werke einer am Schaffen Ernst Ludwig Kirchners ausgerichteten, exzellenten Privatsammlung. Die Ausstellung wurde bereits im Kunsthaus Aargau in Aarau, Schweiz, gezeigt. Dort erfolgte die Präsentation mit anderen Schwerpunkten und ohne die hier erstmalig präsentierten Werke aus Privatbesitz.
Fotocredits:
Ernst Ludwig Kirchner: Künstlergruppe (Unterhaltung der Künstler), 1913 (datiert 1912), Öl auf Leinwand, 95 x 95,5 cm, Sammlung Osthaus Museum Hagen, Courtesy of Osthaus Museum Hagen & Institut für Kulturaustausch, Tübingen, Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf