Es ist etwas Köstliches, wenn man eine Kunsterfahrung teilt. Sie kennen das? Der Brahms der Symphoniker am Samstag? War er nicht absolut fantastisch? Die Revue des Wildwuchsensembles, die am Freitag Premiere hatte – war das nicht wildes, glücklich machendes Spektakel? Lesen Sie auch so gerne oder besser … fasziniert Heinz Strunk? So kann es ewig weitergehen für Menschen, die Genuss aus Produkten der Kultur ziehen können.
Nun ist es nicht höflich, von einer Malerin sprechen zu wollen und viele andere Künstler vor ihr zu erwähnen. Ich wage dies auch nur, weil ich voll Sicherheit sagen kann: Sie hält es aus. Ihr Werk misst sich ganz selbstverständlich mit den Arbeiten anderer Größen.
Viola Bittl, aktuell Villa Concordia-Stipendiatin, kommt aus Eichstätt, war reisend und ausgezeichnet in Finnland, Marokko, Georgien und New York, hat in Frankfurt an der Städlschule studiert, war Meisterschülerin, hat ihre Ausstellung in der Galerie Walter Storms vor ein paar Monaten fast vollständig ausverkauft. Diese wenigen biographischen Nennungen sollen Sie lediglich marginal orientieren. Sie sollen schauen. Und das können Sie!
Für diese Ausstellung hat die Malerin 5 große neue Bilder geschaffen und legt 12 Papierarbeiten kleinerer Formate vor. Elf der siebzehn gezeigten Bilder entstanden in Viola Bittls Bamberger Künstlerhaus-Atelier, von wo aus sie noch bis März arbeitet.
Viola Bittl malt abstrakt und braucht große Flächen für ihre Formen; denkt sie von klein zu groß und back again. Die Malerin fragt sich in ihrem auch reisenden Leben, ob es tatsächlich immer die große Form sein muss und beantwortet die Frage individuell und auf Werkphasen verschiedentlich angelegt. Das alles wächst und atmet, expandiert und bewegt sich. Für die Begleitung der Gedanken auf Reisen sind es die Papierformate, die mit Lack, oft mit Nagellack und Ölpastell gemalt werden. Nagellack ist eine witzige Auffälligkeit im Atelier der Künstlerin: Seine unzähligen Varianten bieten Farben und Pinsel an, die kompakt den Gedankentransfer begleiten auf Reisen besonders, denn Leinwände sind schwer und eitel. Dieses Werk ist in Entwicklung, ohne dass es jung wäre. Es ist vielmehr schon jetzt: zeitlos.
Die großen Bilder von Viola Bittl leben mit Farben, die in den 60er Jahren geboren wurden. Das ist mein eigener Eindruck und kommt sicherlich von dem Moment auf dem Zeitstrahl, den man der Auseinandersetzung mit dem Thema nicht gegenständliche, abstrakte Malerei zuspricht. Die Malerin wählt die Mittel der Tradition: Öl auf Leinwand. Das macht die Bilder „stark und dezent“ zugleich, so Anna Kerstin Otto. Die 60er Jahre erlebten die Explosion und das Raffinement von Werbung und Fotografie. Die Lust am nicht-Gegenständlichen fiel auf das Verlangen auch nach dem Gegenteil. Je expliziter die Welt wahrgenommen werden konnte – mitunter sogar – aus dem Weltall mit besonderen Kameras ein Blick auf den Planeten zum ersten Mal ermöglicht wurde, desto vehementer das Verlangen nach Surrealismus und Abstraktion. Beide Bewegungen teilen sich das letzte Jahrhundert fast zur Hälfte auf und kreierten ihre eigenen ästhetischen Sprachen.
Viola Bittl wählt Formen und färbt diese. Weshalb ihre Malerei mir skulpturaler scheinen mag, als wenn der Prozess andersherum wäre. Erst die Farbe – das ist ein anderes Diktat. Jedes ihrer Bilder bearbeitet die Frage nach Malerei, ihrer Notwendigkeit und inneren Motorisierung erneut. Die große Verschiedenheit ihrer Bilder zeigt einen immer neuen Ansatz, um den unzählige Maler sie beneiden. Sie werden es sehen:
Wir zeigen Viola Bittls Werke im modernen Anbau unseres barocken Künstlerhausgebäudes täglich bis zum 19. Januar. Geöffnet: Mo–Do 8–12 und 13–15 Uhr / Fr 8–13 / Sa & So & 1. und 6. Januar 11–16 Uhr. Geschlossen sind wir nur am 16.12., vom 24. bis 27. und am 31.12. Sonst sind wir da.
Kommen Sie unbedingt mal am Tag vorbei – viele Künstler lassen sich erst mit Skepsis auf unseren tageslichtgefluteten Ausstellungsraum ein, und viele bemerken dann, dass das ein gutes Wagnis ist.
Bilder für Bamberg, Bamberg for Bittl: Es wird Zeit, dass Sie schauen können!
Nora-Eugenie Gomringer