Betrachten wir die Zahl 2019. Striche, ein Kreis und ein weiterer, zu einem Oval langgezogen. Klare Formen, die sich vor unseren Augen zu einer Zahl verdichten. Sie bilden den Ausgangspunkt und wenn wir wollten, könnten wir mit Strichen und Kreisen noch viele weitere Figuren erschaffen. Genau wie die Bauhauskünstler.
2019 jährt sich die Gründung der Symbiose von Kunst und Handwerk zum 100. Mal. Ein Jahr voller Hommagen an das Bauhaus steht uns bevor, voller Überraschungen und voller gegliederter Formen und klarer Farben, die wir in unserer kommenden Ausgabe noch dezidierter betrachten werden.
Nun geht es erst einmal um den Auftakt, das Amuse-Bouche, das Appetit auf mehr macht und sich zugleich selbst als Kunstwerk offenbart. Und in welcher Stadt ließe sich all die Vielfalt, all die Kreativität und bisweilen auch Provokation besser einläuten als im vielseitigen, kreativen und provokanten Berlin?
So lädt die Hauptstadt vom 16. bis zum 24. Januar zum internationalen Eröffnungsfestival ein. Das Programm richtet sich an jede Altersgruppe und lockt sowohl die langjährige Bauhausanhängerin als auch den unvoreingenommenen Rezipienten mit einer Vielzahl von Formaten. Von Konzert über Installation, Tanz, Workshop bis hin zu Puppentheater und gar einer Clubnacht ist eine Vielzahl von Genres vertreten. Die künstlerische Leitung hat Bettina Wagner-Bergelt inne und die Schirmherrschaft übernimmt Frank-Walter Steinmeier, der das Festival am 16. Januar feierlich an der Akademie der Künste eröffnen wird, in der auch alle nachfolgenden Veranstaltungen stattfinden.
Den Auftakt des Auftaktes bildet am Eröffnungsabend die Konzertkreation „Bau.Haus.Klang. Eine Harmonielehre“ des Jazzpianisten und Komponisten Michael Wollny, worin er sich den musikalischen Experimenten des Bauhauses zuwendet und sucht, zu ergründen, wie Bauhaus klingt. Ein weiterer musikalischer Programmpunkt, der sphärische Klänge mit Tanz verbindet, findet sich im „Triadischen Ballett“ Oskar Schlemmers. Das 1922 uraufgeführte Tanzstück, das zu den unvergesslichsten des 20. Jahrhunderts gehört, kommt als neu aufgelegte Produktion auf die Bühne, der es keinesfalls an der burlesken und beinahe mystischen Stimmung des Originals mangelt. Nicht weniger mystisch mutet eine Inszenierung von Samuel Becketts Einpersonenstück „Krapp’s Last Tape“ an. Wie in all seinen Werken geht Beckett auf die menschliche Existenz als Grenzsituation zwischen Leben und Tod ein, wobei hier vornehmlich die vergebliche Suche nach einer verlorenen Identität im Vordergrund steht. Durch das Motiv der Sprache, die nicht länger als Medium der Erkenntnis dient, reiht sich dieses Werk in den Kanon von Sujets ein, denen im Bauhaus eine große Bedeutung beigemessen wird. Jedoch thematisiert nicht jedes ans Bauhaus angelehnte Theaterstück solch existenzielle Themen, auch für Kinder zugängliche Stoffe werden im Rahmen des Festivals behandelt. So erzählen die United Puppets mit ihrem Puppentheater „Über den Klee“ aus dem Leben Paul Klees und eröffnen auf diese Weise auch Kindern Perspektiven auf das Bauhaus. Für Kinder ungeeignet, für Erwachsene umso interessanter gestaltet sich die Clubnacht „Bauhaus.Club 2.019“. Die Symbiose aus Performance, Tanz, Installation und DJ-Session lädt dazu ein, Bauhaus nicht nur als Kunstform zu ergründen, sondern es als Lebensart zu zelebrieren. Überdies gibt es neben den einmaligen Events auch Ausstellungen während des gesamten Festival-Zeitraums. Dabei sticht besonders die Schau „Licht.Schatten.Spuren“ hervor, die Arbeiten zeitgenössischer Künstler Werken des Bauhaus-Mitbegründers László Moholy-Nagy gegenüberstellt, wobei ein Augenmerk auf dem Zusammenspiel von Licht und Schatten liegt. „Die Installation zieht eine Spur von unserer menschlichen Existenz in den Weltraum, zu den Sternen, ins Jenseits, die Ewigkeit […], wo sich Dinge abspielen, […] die uns gleichzeitig schrecken und faszinieren“, verspricht die Expositionsbeschreibung.
Da der Januar und die anderen Höhepunkte des Bauhausjahres in der Zukunft liegen, wir aber durch das Programm des Eröffnungsfestivals bereits im Bauhausfieber sind und am liebsten sofort in die bunte Welt Kandinskys und seiner Zeitgenossen eintauchen würden, teilen wir an dieser Stelle einen Geheimtipp mit Ihnen, falls es Ihnen genauso geht: Bauhaus-Bauwerke gilt es auch außerhalb des bekannten Bauhaus-Dunstkreises zu entdecken! So dehnte der Bauhausbegründer Walter Gropius seinen Wirkungskreis nach Nordostbayern aus und entwarf in Amberg die Glaskathedrale und in Selb eine Porzellanfabrik. Beide Orte frönen bereits seit Oktober der Bauhausarchitektur und begannen die großen Jubiläumsfestivitäten mit einer Sonderausstellung im Amberger Stadtmuseum, welche bis zum 17. März zu sehen ist und sich vornehmlich der als Industriedenkmal fungierenden Glaskathedrale und ihrem Schöpfer widmet.
Weitere Informationen zum Bauhausjahr erwarten Sie in unserer kommenden Ausgabe, die den perfekten Lesestoff für eine Fahrt zur Schau „Gropius, Bauhaus und Rosenthal in Amberg“ darstellt.
Fotocredits:
Licht.Schatten.Spuren, Foto © Christian Losert
Bauhaus.Club 2.019, Foto © Scott Kaplan
Boltanski, Licht.Schatten.Spuren, Foto © Christian Boltanski