Metropolitan

Bayreuth macht Lust auf Lektüren

Roger Willemsen, Kehlmann und Kolleginnen

veröffentlicht am 26.11.2014 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Im Januar 2015 verließ der vielleicht größte Romancier (jedenfalls: unter den Jüngeren) des Landes zum ersten Mal seit Jahren seine Heimatstadt, um am Literaturfestival „Leselust“ in Bayreuth teilzunehmen. So, sollte es einmal so weit kommen, dass über Daniel Kehlmann, einen der wohl begabtesten Autoren, wie wir hierzulande haben, ein Roman geschrieben werde, könnte dessen erster Satz lauten. Kehlmann hat es am Beispiel des Geodiäten und Mathematikers Carl Friedrich Gauß und, in Parallelführung, des Naturforschers Alexander von Humboldt vorgemacht. Der zukünftige Biograph würde damit nur ganz leicht Kehlmanns Einstieg in „Die Vermessung der Welt“ variieren.

Zwar hat der im Januar vor vier Jahrzehnten in München geborene, in Wien, wo er nach dem Besuch einer Jesuitenschule Philosophie und Germanistik hörte, bereits 1997, also noch während seiner Wiener Studienzeit, mit „Beerholms Vorstellung“ sein Romandebüt vor- und zwei Jahre hernach mit „Mahlers Zeit“ nachgelegt. Doch erst die „Vermessung“ war es, die ihm vor einer Dekade zu weltweitem „Ruhm“ verhalf.

So war Kehlmanns „Roman in neun Geschichten“ von 2009 betitelt, dem jetzt, nach einer Sammlung mit Rezensionen, Vorlesungen und der viel Lärm machenden Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele vor inzwischen sechs Sommern, „F“ folgte. Mit diesem jüngsten Roman um Lug und Trug in Familie, um Schein und Sein, um Fakt und Fiktion, eröffnet Kehlmann am 23. Januar das Literaturfestival in der Wagner-Stadt. Die „Leselust“ hatte nach einer längeren Karenzzeit 2014 einen Neustart gewagt, der enormen Widerhall fand. Große Namen locken eben und machen Lust auf Lektüre. Nach Schätzing, Sick, Hacke dürften heuer neben Kehlmann beispielsweise auch Roger Willemsen, Jan Weiler und Sebastian Fitzek für ein gut gefülltes „Zentrum“ (Äußere Badstraße 7A; Beginn jeweils 20 Uhr) sorgen.

Am Valentinstag wird Fitzek zum Ausklang der „Leselust“ aus seinem Psychothriller „Passagier 23“ vortragen. Keiner, heißt es, kreiere so atemlos machende Plots (ergo hat der promovierte Jurist seit 2006 Bestseller um Bestseller herausgebracht, die teils für die Theaterbühne und die Kinoleinwand adaptiert wurden), keiner liefere derart viele überraschende Wendungen, keiner zeige so viel Ideenreichtum. „Passagier 23“ führt vor die lesenden Augen, dass eine Seefahrt, zumindest auf einem Kreuzfahrtschiff, alles andere als lustig sein kann. Wir sind gespannt!

Die gebürtige Bremerin Julia Engelmann, zu Gast am 25. Januar, ist Jahrgang 1992 und in die Slam-Szene hinein- und in ihr aufgewachsen. Sie trifft mit ihren vor Energie sprühenden Texten den Nerv der Zeit. Das lässt sich zumindest aus der Tatsache schließen, dass die Schauspielerin und Slammerin mit „One Day“ einen „Poetry-Slam-Smash-Hit“ gelandet hat, den sich bis Mitte November auf You Tube über sieben Millionen Menschen angehört hatten.

Engelmanns Botschaft, Träumen endlich Taten folgen zu lassen, ist freilich so neu nicht. Seien wir mutig, Baby, suchen wir das Glück, leben wir das Leben, ehe es zu spät ist, kurz: carpe diem, gaudeamus igitur. Horaz und ein bisschen auch Brahms lassen neben der Bremerin, neben Pop und Tim Bendzko, grüßen. Engelmann ist in Bayreuth im Übrigen nicht die einzige Slammerin. Zu ihrem zweiten „Hate-Slam“ – die Premiere 2014 war umjubelt – lädt die Redaktion des Nordbayerischen Kurier am 4. Februar ein.

Fußball und Literatur, das geht gut zusammen, das hat Tradition. Man denke an Peter Handkes „Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27.1.1968“, an dessen „Angst des Tormanns“, 1972 von Wim Wenders verfilmt, an die Fußballsonette Ludwig Harigs, an die Gedichte Ror Wolfs und Robert Gernhardts. Und an (Philipp) Köster & (Jens) Kirschneck, die Redakteure des Berliner Magazins für Fußballkultur „11FREUNDE“. Mit viel Humor widmen sie sich etwa dem Wesen, Wohl und Wehe der deutschen Spielerfrau, den verregneten Auswärtsfahrten zu Hansa Rostock oder dem großen Theoretiker Andreas Möller. Kirschneck und Köster sind am 30. Januar live im „Zentrum“ zu erleben.

Am 11. Februar präsentiert Roger Willemsen „Das hohe Haus“. Ein Jahr lang hat sich der Autor und Adolf-Grimme-Preis-Träger dem Bundestag ausgesetzt, sämtliche Sitzungen als engagierter Zeitgenosse und aus der Perspektive des Augenzeugen verfolgt und tagebuchartig darüber Protokoll geführt. Auf der Bayreuther Bühne wird Willemsen seine parlamentarischen Exkursionen gemeinsam mit der Schauspielerin Annette Schiedeck und dem Hörfunk-Moderator Jens-Uwe Krause in Auszügen vorstellen.

Jan Weiler liest an Wagners Todestag, also am 13. Februar, aus „Das Pubertier und andere Geschichten“. Der Erfolgsschriftsteller erzählt darin von der für alle Familienmitglieder schlimmsten und doch schönsten Zeit im Leben eines jungen Menschen. Weiler hat das perfekte Buch für unverstandene Jugendliche und entnervte Eltern vorgelegt. Das Bayreuther Festival verspricht abermals, seinem Namen alle Ehre zu machen. Statt Last ist Lesen Lust. Das gilt selbstverständlich auch für häusliche Lektüren, über die bei der „Leselust“ präsentierten Bücher und Autoren hinaus.

Copyright Fotos:
Roger Willemsen © S. Fischer Verlag
Jan Weiler © Thomas Leininger
Daniel Kehlmann © Heji Shin

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