
Seit Anfang Dezember erstrahlt der Nordflügel der Würzburger Residenz wieder in neuem Glanz oder genauer: die Staatsgalerie, eine Zweiggalerie der Münchner Pinakotheken, die im Frühjahr 2015 wegen Renovierungsarbeiten geschlossen wurde, kann sich nach eineinhalb Jahren nun wieder sehen lassen.
Tapeten mussten feinster Seidenbespannung weichen, das Lichtkonzept wurde überarbeitet und Werke neu arrangiert. Die Gemälde wurden allesamt von Staub befreit und des Firnis‘ entledigt, sodass die Farben wieder in satten Tönen erstrahlen. Auch die Rahmen wurden im Zuge der umfangreichen Restaurierungsarbeiten einer Verjüngungskur unterzogen. All das nahm man in Würzburg gerne in Kauf – für die Meisterwerke von Weltrang, die in der Tradition venezianischer Malerei wie denen des Giovanni Battista Tiepolo stehen, der eben nicht nur für seine fantastischen Freskenmalereien im Treppenhaus und Kaisersaal der Würzburger Residenz, sondern auch für seinen meisterhaften Umgang mit Ölmalfarbe bekannt ist. Schon vor der Renovierung, die von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und der Bayerischen Schlösserverwaltung finanziert wurde, haben hier seit 1974 rund 50 Meisterwerke aus dem goldenen Zeitalter der Malerei Venedigs ihren Platz. Darunter auch das bereits im Jahr 2006 erworbene sogenannte Winterbild „Steinigung des hl. Stephanus“, das Giovanni Domenico Tiepolo während der witterungsbedingten Unterbrechung seiner Freskenmalerei und während seines Aufenthaltes in der Residenz 1754 schuf. Nun hängt es wieder dort, wo er es einst im Auftrag der Benediktinerabtei Münsterschwarzach für die Seitenaltäre der Abteikirche malte – im großen Ovalsaal, ursprünglich übrigens ein Operntheater.
Des Weiteren finden sich in der Ausstellung Gemälde aus der Werkstatt von Tizian und Veronese, Palma il Giovane und den Bassini. Sie eröffnen den Rundgang durch die herrschaftliche Galerie. Der aus Veroneses Werkstatt stammende vierteilige Bilderzyklus, der die sieben Tugenden zeigt, hängt nun wieder an Ort und Stelle im Ovalsaal. Nur wenige Räume weiter befindet sich ein weiterer Bilderzyklus aus seiner Nachfolge, bestehend aus vierzehn Bildnissen der türkischen Herrscher und des damals amtierenden Sultans. Sie stehen stellvertretend für die (Handels-)Beziehungen zwischen Venedig und der osmanischen Welt.
Im 17. Jahrhundert kam man auch in Venedig nicht umhin, einen Blick nach Rom zu werfen. Hier revolutionierte ein gewisser Michelangelo Merisi da Caravaggio die Kunstwelt mit einem bisher nie dagewesenen Spiel aus Helldunkel, einem kraftvollen Kolorit, klassizistischen Figurenidealen und mythologischen Szenerien. Inspiriert von dieser neuen Ausdrucksform, entstand Belluccis Gemäldepaar „Amor und Psyche“ und „Danae und Perseus auf dem Floß“, die nun in Würzburg ihren Platz gefunden haben.
Machtpolitisch verlor Venedig mehr und mehr an Bedeutung, der Verbreitung der venezianischen Malerei tat das jedoch keinen Abbruch. Zwar arbeiteten die venezianischen Meister im 18. Jahrhundert immer weniger für die heimatlichen Paläste und Kirchen, dafür standen sie vermehrt im Dienst europäischer Höfe. Zu ihnen gehörte auch Giovanni Battista Pittoni, der für seine überbordenden und dekorativen Historienmalereien bekannt ist. Der zweite Teil der Ausstellung, die unter anderem Pittonis „Die Opferung der Polyxena“ und dessen Pendant „Die Großmutter des Scipio“ zeigt, beschäftigt sich mit Werken, die für die europaweite Dominanz der venezianischen Malerei im 18. Jahrhundert stehen. Für diese Zeit prägend waren vor allem Andachts- und Historienbilder, aber auch Allegorien und Porträts. Einen besonderen Boom erfuhr zu dieser Zeit auch die Vedutenmalerei. Sie zeigt hochstilisierte, prachtvoll in Szene gesetzte Stadtansichten und Landschaften und diente vor allem der städtischen Eigenpräsentation. Luca Carlevarijs Werk „Empfang der venezianischen Gesandten am Tower in London“ oder Francesco Guardis Gemälde „Blick auf Santa Maria della Salute und die Dogana“ zeigen dies eindrücklich.
All die ausgestellten venezianischen Kunstwerke arbeiten auf den krönenden Schlusspunkt der Galerie hin: Jenen bilden zwei Staffelbilder Tiepolos, auf die man in Würzburg besonders stolz ist. Das 1753 entstandene Gemäldepaar „Rinaldo im Zauberbann Armidas“ und „Rinaldos Trennung von Armida“ von Giovanni Battista Tiepolo zeugen in ihrer ausgeklügelten Komposition und handwerklichen Raffinesse von großer Könnerschaft. Bildsujet sind zwei Szenen aus Torquato Tassos Epos „Das befreite Jerusalem“.
Das erneute Aufeinandertreffen verschiedener neuzeitlicher Epochen der venezianischen Malerei in der Würzburger Staatsgalerie vermag in jedem Fall eines zu garantieren: ein lohnenswertes Ausstellungserlebnis.
Fotocredits:
Raumansicht, mit den vierzehn Bildnissen osmanischer Sultane aus der Werkstatt Veroneses, Foto: Haydar Koyupinar © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München