In der Sonderausstellung „Böblinger Bilderbogen…“ wird die wechselhafte Geschichte einer süd(west)deutschen Stadt anhand von künstlerischen Spuren beleuchtet. Erstmals werden dafür die miteinander befreundeten Maler Reinhold Nägele (1884-1972) und Fritz Steisslinger (1891-1957) mit Bildern der Stadt und der näheren Umgebung, die sie während ihrer Wirkungszeit in Böblingen gemalt haben, in Bezug gesetzt.
Von den beiden in der Region verwurzelten wie deutschlandweit renommierten Künstlern können in dieser sich an der Schnittstelle von Kunst, Stadthistorie und Heimatgeschichte ausgerichteten Doppelausstellung noch nie öffentlich gezeigte Gemälde, Miniaturen, Hinterglasbilder, Zeichnungen und Grafiken aus insgesamt 5 Jahrzehnten präsentiert werden. Ein besonderes Highlight besteht darin, dass die Reihe der „Böblinger Bilder“ aus der Frühphase des bis zu seiner Emigration 1939 in Stuttgart lebenden „Malerstars“ Reinhold Nägele, die auf dem Kunstmarkt und in überregionalen Sammlerkreisen äußerst begehrt und beliebt sind, niemals so umfassend zusammengetragen werden konnte.
Während Reinhold Nägele mit seltenen Ansichten und spektakulären Ausschnitten des zeitgenössischen Stadtlebens vertreten ist, die zum Zeitpunkt seines auf dem Böblinger Flugplatz zu absolvierenden Militärdienstes im Jahr 1916 entstanden sind, rundet sein Kollege Fritz Steisslinger die Schau mit einem im Zeitraum über mehrere Jahrzehnte verlaufenden Stadtbilder-Panorama an Gemälden aus den „goldenen wie giftigen“ Zwanzigern über die „Zeitenwende“ der 1930er- und 1940er-Jahre, bis zu den „Aufschwungjahren“ der Nachkriegsära ab. Beim Anblick der erlesenen Auswahl an eindrucksvollen Werken, die in eine architektonisch aufwändig gestaltete Ausstellungsszenerie eingebettet („georeferenziert“) und der Thematik entsprechend mit zeitgenössischen Schriftstücken, topographischen Plänen, nachgebildeten Modellen und zeittypischen Exponaten angereichert werden, kommt Wehmut auf: Denn die Malerfreunde halten in dieser buchstäblichen „halben Jahrhundertschau“ den Weg während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer sich rasant wandelnden, in die Moderne aufbrechenden, zuvor verstärkt landwirtschaftlich geprägten Kleinstadt in atmosphärisch eindrücklichen und gleichzeitig zeitdokumentarisch wertvollen Ansichten fest. Im retrospektiven Kontext zeichnen sie farbenfrohe Puzzlestücke einer wechselvollen Stadtgeschichte, die ansonsten überwiegend anhand von Schwarz-Weiß Fotografien überliefert worden wäre.
Gemäß einer Zeitreise zurück ziehen sie uns schlag(licht)artig in die Vergangenheit, erzählen uns längst Vergessenes oder Verdrängtes und lassen uns in schönster Nostalgie schwelgen… Zugleich spannen die Bilder einen Bogen vom vergangenen Jahrhundert in die Jetztzeit und stehen – leider aktueller denn je – als Mahnmale. Denn die Bilder erheben neben neu geschaffenen und im Schicksalsjahr 1943 unwiederbringlich verlorenen Wahrzeichen zudem stellvertretend die Chronologie einer einst unversehrten Stadtgestalt im Südwesten Deutschlands vor den verheerend verlaufenden Erschütterungen im „Dritten Reich“ zum diskutierbaren Thema.
Infos & Termine:
bis 23. April 2023
Mi–Fr von 15.00 bis 18.00 Uhr
Sa von 13.00 bis 18.00 Uhr
So & Feiertage von 11.00 bis 17.00 Uhr
Städtische Galerie Böblingen im Museum Zehntscheuer
Pfarrgasse 2
71032 Böblingen
Tel. (07031) 669 17 05
www.staedtischegalerie.boeblingen.de