Klassiker

CLAUDIO ABBADO (1933 bis 2014)

FEIERLICH UND GEMESSEN, OHNE ZU SCHLEPPEN – R.I.P.

veröffentlicht am 20.01.2014 | Lesezeit: ca. 4 Min.

Er war einer der ganz Großen, er wird – zweifelsohne – bleiben. Die Nachricht, dass Claudio Abbado nun im Alter von achtzig Jahren in Bologna gestorben sei, stimmt traurig. Ich hatte das unverschämte Glück, Abbado einmal in Luzern erleben zu dürfen, mit einem Orchester und auf einem Festival, denen beiden er längst seinen prägenden Stempel aufgedrückt hatte. Im August 2007 war das. Schon die Generalprobe geriet zu einem Ereignis (die Karte verdankte ich dem Pauker Raymond Curfs), und dann erst die erste von zwei Konzertaufführungen, für die ich eine der beiden zurückgegebenen Karten ergattern konnte, obgleich mir Abaddos Manager zuvor wenig Hoffnung darauf gemacht hatte.

Im Orchester saßen damals, unter anderen, Sabine Mayer (Solo-Klarinette), der Bamberger Kai Frömbgen (Solo-Oboe); Hannes Läubin steuerte ein grandioses Posthornsolo bei, Anne Larsson sang den Alt-Part, und wie Abbado mit dem Tölzer Knabenchor umging, machte große Freude. Auch, ihn, Abbado, den Menschen- und Musikfreund, nach dem Konzert kurz aus der Nähe erleben zu dürfen. Hierzu passt eine Anekdote, die mir meine Freundin Claudia im Jahr darauf erzählte. Als sie, da ihr späterer Mann zu den ersten Geigen zählte, mit einem der von Abbado gegründeten Orchestern (ob es das European Community Youth Orchestra, das Gustav Mahler Jugendorchester oder das Chamber Orchestra of Europe war, vermag ich nicht mehr zu sagen) bei einer Tournee dabei sein durfte, stellten die Musiker Claudia dem Maestro vor mit den Worten: „Claudio, this is Claudia!“

Von 1990 an bis 2002 war Abbado in der Nachfolge Herbert von Karajans Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Diese Position musste Abbado aufgrund der schweren Krankheit, der er jetzt erlag, aufgeben. Sir Simon Rattle, der ihm in Berlin nachfolgte, sagte in einer Pressemitteilung: „Wir haben einen großartigen Musiker und einen sehr großherzigen Menschen verloren. Schon vor zehn Jahren haben wir uns alle gefragt, ob er die Krankheit überleben würde, die ihn nun das Leben gekostet hat. Stattdessen konnte er, und konnten wir als Musiker und Zuhörer, einen außergewöhnlichen (Lebens-)Herbst genießen, in dem alle Facetten seiner Kunst auf unvergessliche Weise zusammenkamen.“

Vor einigen Jahren habe Abbado zu ihm, Rattle, gesagt: „Simon, meine Krankheit war fürchterlich, aber ihre Folgen waren nicht nur schlecht. Irgendwie scheint es mir, als ob ich aus meinem Inneren heraus hören könnte, als ob der Verlust meines Magens mir innere Ohren gegeben hätte. Ich kann gar nicht ausdrücken wie wunderbar sich das anfühlt. Und ich bin sicher, dass mir die Musik damals das Leben gerettet hat.”

Abbado sei, so teilte Rattle weiter mit, zeitlebens ein großartiger Dirigent gewesen. „Die Aufführungen seiner letzten Jahre hatten etwas Überweltliches, und wir schätzen uns alle glücklich, sie miterlebt zu haben. Persönlich gesprochen war er immer ausgesprochen liebenswürdig und großzügig zu mir, schon seit Beginn meiner Dirigentenlaufbahn. Wir pflegten einen warmherzigen und humorvollen Kontakt – sogar noch bis letzten Freitag. Er wird tief in meinem Herzen und in meiner Erinnerung bleiben.“ Und, daran besteht keinerlei Zweifel, in der Erinnerung und in den Herzen zahlreicher Menschen, denen er durch seine Konzerte, seine Aufführungen und Einspielungen mehr als Momente des schieren Glücks geschenkt hat.

Copyright Foto: Cordula Groth

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