Der Veranstaltungsservice Bamberg um seine Macher ist nicht gerade als ein Veranstalter bekannt, der zu den risikofreudigsten der Republik zählt. Gaby Heyder, Ulf Schabacker und ihre Mitstreiter planen meist gut kalkuliert und gehen dabei nur bedingt die riskante Schiene. Als sie offenbarten, dass beim diesjährigen HUK Open Air Sommer auf dem Coburger Schlossplatz ausschließlich deutsche Acts zu sehen sein würden, war die Zahl der Skeptiker nicht gerade klein. Heutzutage sind diese Bedenkenträger kleiner, als es ein Hut sein kann. Gaby Heyder und Co. lieferten quasi ein Glanzstück ab. Der Vorverkauf war kaum angelaufen, da frohlockte die Veranstaltungsservice-Chefin bereits: Der Ticketverkauf lief grandios an. Was angesichts der Künstler nicht verwundert. Mit Sarah Connor, Unheilig und Cro bieten die Macher dem Publikum drei Megaplayer der deutschen Musikszene an. Drei, bei denen man sich sicher sein kann, dass Show und Eintrittsgeld in einer mehr als vernünftigen Relation stehen. Und drei, die auf der Bühne regelmäßig abliefern und nicht (nur) den eigenen Geldbeutel, sondern auch ihre Fans sehen. Und dazu natürlich das jährlich neu beeindruckende Ambiente auf dem malerischen Coburger Schlossplatz, das auch ohne Konzertevents eines der wohl grandiosesten im ganzen Regierungsbezirk ist. Einmal jährlich allerdings toppen sich die Coburger auch da selbst - und das können die Vestestädter, erinnert sei an das Sambafestival, bestens. Kaum ein Jahr, in dem nicht mindestens ein Auftritt an der Grenze zum Perfektionismus dargeboten wird. Man darf gespannt sein, wer es in diesem Jahr sein wird, der sich in die Geschichtsbücher einträgt: Sarah Connor mit ihrem ersten deutschsprachigen Album im Gepäck, der Graf und Unheilig bei ihrer vielleicht letzten Abschiedstournee oder auch Cro, der nach fünf Jahren erneut auf dem Schlossplatz auftreten wird und im Vorverkauf schon Rekordzahlen versprach.
13. August 2016, 20 Uhr: Sarah Connor
Sie ist - und das seit weit mehr als einer Dekade - eine der erfolgreichsten deutschen Sängerinnen überhaupt. Sarah Connor begeisterte über Jahre hinweg ein Publikum mit englischsprachigen Texten, konnte dabei auf hohem Niveau überzeugen und es deutete nichts auf einen grundlegenden Imagewandel der Blondine aus Norddeutschland hin. Doch dann das. Im Vorjahr überraschte die dreifache Mutter mit einem Album in ihrer Muttersprache. Und siehe da: Selbst diejenigen, die mit Sarah Connor bis dahin nichts anfangen konnten, fanden sie urplötzlich gut. Und das verwundert nicht. Mit ihrem ersten deutschsprachigen Album „Muttersprache“ liefert Sarah Connor schließlich die wohl größte musikalische Überraschung des vergangenen Jahres. In der ersten Woche schaffte es ihr neues Album direkt auf Platz 1 der offiziellen Deutschen Albumcharts und erreichte nach wenigen Tagen Goldstatus. Vorbei die Zeiten der kleinen 19-jährigen aus Delmenhorst, die schon damals ein Chartstürmer war. Sie ist weit reifer als sie es damals war - was nicht verwundert. Auch musikalisch liefert Connor mit dem aktuellen Album einen Meilenstein ab. Längst verziehen ist der Fauxpas, als sie einst die deutsche Nationalhymne vor einem Länderspiel der Nationalmannschaft versimpelte - was ihr, nebenbei bemerkt, neben viel Spott auch ehrliche Symphatien einbrachte. „Nach zehn Jahren Musikkarriere zog sie sich bewusst zurück. Nahm sich Zeit für sich und ihre Familie. Jetzt ist sie wieder da: neu, echt und aufrichtig emotional, wie noch nie zuvor“, heißt es im Pressetext zum Album. Wohl wahr. Seltener hat eine Plattenfirma eine neue Scheibe so treffend analysiert, ohne dabei überheblich zu wirken. Sarah Connor hat sich natürlich nicht wirklich eine Auszeit genommen, aber sie hat ihr künstlerisches Selbstverständnis auf den Prüfstand gestellt. Nur nicht ihren Gesang. Herausgekommen ist der Wunsch, nicht mehr nur Songs zu singen, sondern diese auch selbst zu schreiben, selbst zu texten, selbst zu produzieren und selbst zu bestimmen, wie sie klingen und was sie ausdrücken sollen. Nach fünf Jahren intensiver persönlicher Arbeit fand sie dann mit Peter Plate, Ulf Sommer und Daniel Faust - ehemals Rosenstolz - die richtigen Partner, die sie behutsam dazu ermutigten, ihre eigene Art zu finden, sich musikalisch auszudrücken. Entstanden ist ein außergewöhnliches, persönliches Album voller Songs, die überraschen und berühren. Die durch Sarah Connors einzigartige Stimme so vertraut und doch so neu klingen. Und vielleicht zum ersten Mal wirklich Sarah Connor sind. Auf Deutsch, authentisch, unterhaltsam und zugleich voller Bauchgefühl. Und das beweist sie auch seit Jahren auf den Konzertbühnen der Republik. Sie schwankt zwischen Melancholie und fast schon übertriebener Freude in der Interaktion mit ihrem Publikum. Und ganz nebenbei beweist sie, dass ihre Stimme zum Besten zählt, was deutsche und deutschsprachige Popmusik zu bieten haben. Das Besondere am Connor-Gig: Im Gegensatz zu den anderen beiden Konzerten wird der Schlossplatz teilbestuhlt und bietet dementsprechend „nur“ gut 7000 Menschen Platz.
14. August 2016, 20 Uhr: Unheilig
Vor ziemlich genau eineinhalb Jahren platzte die Bombe im deutschen Musikgeschäft. Der Graf gibt gleichzeitig zur Veröffentlichung seines letzten Longplayers „Gipfelstürmer“ seinen Abschied vom Musikgeschäft bekannt - zumindest vorerst. Getaucht in ein Wechselbad der Emotionen hieven seine Anhänger das Studioalbum einmal mehr an die Spitze der deutschen Charts und die Gipfelstürmer-Konzerte wurden zu unvergesslichen emotionalen Abenden - Konzertkarten zu ergattern war ein nahezu unmögliches Unterfangen. Wer sich gefreut hat, den Grafen ein letztes Mal auf der Bühne zu sehen, der wurde aber dann doch enttäuscht - obwohl es die meisten gefreut haben dürfte. „Ein letztes Mal - Die Open-Air-Konzerte 2016“ heißt die nunmehr (vielleicht?) tatsächlich letzte Tournee von Unheilig, bevor der Vorhang über dem Grafen fällt. Auf einer ausgedehnten Konzertreihe können sich der Ausnahmekünstler und Fans gebührend voneinander verabschieden - unter anderem auch auf dem Coburger Schlossplatz. Ein letztes Mal darf in jeder Stadt nochmals ausgelassen gefeiert werden. Ein letztes Mal wird Der Graf mit seiner markanten Stimme eine energiegeladene Show präsentieren. Ein letztes Mal wird Der Graf sagen: Dankeschön! Das war Unheilig. Und Unheilig haben in Coburg eine perfekte Vergangenheit. Schon 2011 gastierten der Graf und seine Combo auf dem Schlossplatz. Mit überwältigendem Feedback. In der Historie des Coburger Open Airs war der Auftritt nach der von Soul-Diva Whitney Houston und dem der Berliner Spaß-Rocker Die Ärzte der Gig mit den drittmeisten Zuschauern überhaupt. Knapp 15000 Leute säumten vor fünf Jahren den malerischen Schlossplatz und ließen den Unheilig-Auftritt zu einem der unvergessenen Art werden. Zum Abschied haben Unheilig für ihre Fans ein ganz besonderes Zuckerl im Gepäck. Die Setlist auf der „Ein letztes Mal - Die Open-Air-Konzerte 2016“ wird mit einigen unplugged Tracks aus dem ganz aktuellen Longplayer des MTV unplugged Albums gespickt sein: Ein musikalischer Hörgenuss zum Ende der Unheilig Discographie - zumindest dem vorläufigen. „Wir wollen ein letztes Mal mit Euch gemeinsam eine unvergessliche Zeit verbringen und gemeinsam auf eine unheilige musikalische Reise gehen. Für alle - eingeschlossen die Unheilig Familie und Fans - wird es große emotionale Momente auf jedem einzelnen Open Air geben, denn mit jedem Tag rückt das Abschiedskonzert und der letzte öffentliche Auftritt des Grafen am 10.09.2016 näher. Tränen der Freude und des Abschieds werden nah beieinanderliegen und schöne Erinnerungen werden bleiben“, so die Band in einer Pressemitteilung. Man darf also gespannt sein.
15. August 2016, 20 Uhr: Cro
Der finale Act in Coburg hat es in sich. Coburg wird zu Croburg! Der Vorverkauf für den Rapper mit der prägnanten Pandamaske lief überragend an. Gut möglich, dass der Rap-Popper aus dem Schwabenländle Unheilig in der Besucher-Chartliste des Open Air Sommers knackt. Es ist schon jetzt absehbar, dass der Gig ausverkauft sein wird - und damit die 15000er-Marke wieder einmal fallen könnte. Und diejenigen, die dabei sind, dürfen sich auf einen richtig leckeren Musikhappen freuen. Mit seinem MTV-Unplugged-Album schoss Cro auf Anhieb von null auf eins in den Charts. Und bei seinen bisherigen Auftritten heimste er allerhöchste Lobeshymnen ein. Mit einem kompletten Orchester begibt er sich auf Tour - eifert damit vielen Vorbildern und Vorreitern nach. „Der Sound ist fett, der Einsatz von Streichern und Bläsern macht wirklich Sinn“, so die BZ in Basel über den Auftritt des einstigen Gipfelstürmers, der auf der aktuellen Tour mit einem 22 Mann starken Orchester aufläuft. Cro rockt die Bühnen, wo er auch gerade präsent ist. Ein ganz besonderes Highlight dabei: Wenn der 26-jährige Stuttgarter Frank Sinatras „New York, New York“ einstimmt, ist Gänsehaut garantiert. Ein perfekt arrangiertes Orchester, ein gewohnt solider Rapper und ein Ambiente der Extraklasse: Es sollte überraschen, würde dieser Auftritt des Pandabär-Rappers nicht in die Annalen des Coburger Festivalsommers eingehen. Richtig Stimmung kommt dabei bei all seinen Hits auf, von denen es inzwischen eine ganze Menge gibt. „Einmal um die Welt“ zum Beispiel, oder eben „Easy“ - gleichzeitig irgendwie auch das Motto eines Cro-Konzertes - „Du“, „Ein Teil“, „Nie mehr“, „Traum“, „Whatever“: Er spielt sie alle. Auch „Bye bye“, mit dem er zuletzt an die Spitze der deutschen Singlecharts gestürmt war - logisch. Und am Ende wird Coburg zu Croburg. Wetten?
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CRO unplugged, Foto © Delia Baum
Unheilig, Foto © Erik Weiss
Sarah Connor, Foto © Pressefoto