Patricia Kaas ist so etwas wie das Gesicht des modernen Chansons. Die kürzlich 50 Jahre alt gewordene Französin mit saarländischen Wurzeln meldete sich zum runden Wiegenfeste mit dem ersten Studioalbum seit inzwischen 13 Jahren eindrucksvoll zurück. Eine Tournee lässt bei ihr nicht lange warten. Am 17. Februar gastiert sie in der Nürnberger Meistersingerhalle.
Patricia Kaas. Schlichter kann man ein Album kaum betiteln. Was andere zum Beginn ihrer Karriere tun, macht die Kaas im Laufe ihres gefühlten 20. Frühlings. Und sie tut es fast schon ungewohnt anders. Sie lässt den Anhängern eine ungewöhnlich persönliche Platte zukommen – geschrieben aber weiterhin nicht selbst. Songs über Inzest („La maison en bord de mer“) und häusliche Gewalt gegen Frauen („Cogne“) versprechen nicht gerade oberflächliche Betrachtungen, sind aber doch keine persönlichen Erfahrungswerte. Die neuesten Werke der Französin werden musikalisch herausragend von ihren beiden Produzenten in Szene gesetzt. Der Brite Jonathan Quarmby, er produzierte zuletzt das gefeierte Debüt des in Paris lebenden, englischen Sängers Benjamin Clementine, als federführender Mann. Dazu Fin Greenall (bekannt unter seinem Künstlernamen Fink), ein in der deutschen Hauptstadt Berlin wohnender Brite, der mit seinen Arrangements vielen Songs eine warmtemperierte, wohlklingende Note verliehen hat.
Beweisen muss sich die Kaas längst nichts mehr. Die an der Grenze zum Saarland geborene Tochter eines lothringischen Bergmannes und einer deutschen Mutter hat den musikalischen Olymp längst erklommen. Fast 20 Millionen verkauften Langspieler, über 1000 Konzerte weltweit, die in den größten Konzerthallen der größten Städte weltweit: Mehr geht eigentlich nicht. Doch Patricia Kaas wäre nicht Patricia Kaas, würde sie nicht neue Maßstäbe anpeilen. Und das schafft sie immer wieder vor allem auf den Bühnen. Mit ihrer grandiosen tief-warmen Stimme, ihrer Wandlungsfähigkeit und ihrer enormen Präsenz überzeugt sie das Publikum immer wieder aufs Neue. Einer der Gründe, weshalb sie als der französische Superstar der Neuzeit gilt. Dabei ist die zierlich-grazile Kaas eine, die die von ihr glanzvoll präsentierte Leichtigkeit des Seins so richtig nie erleben durfte. Schon als achtjährige stand sie bei einem Gesangswettbewerb erstmals auf einer Bühne, im zarten Alter von elf Jahren hatte sie ihr erstes langandauerndes Engagement im Saarbrücker Club „Rumpelkammer“, in dem sie sieben Jahre lang auf der Bühne sang. 28 Jahre ist es inzwischen her, dass Mademoiselle Kaas schließlich die großen Bühnen eroberte. Eine behütete und geregelte Jugendzeit? Die sieht wohl anders aus. Kult-Schauspieler Gerard Depardieu entdeckte die Schönheit einst. Mit „Mademoiselle Chante Le Blues“ legte sie die Messlatte mit einer ihrer ersten Singles auf eine immense Höhe. Eine Höhe, die sie trotz aller Tiefen immer wieder erklimmen konnte. Auch die abgelaufenen 13 Jahre ohne „echtes“ Album gingen nicht spurlos an der Französin vorbei. Künstlerisch wie auch privat galt es, sich in vielen Dingen neu zu definieren und zu erfinden. Nicht zuletzt der Tod ihres geliebten Hundes setzte ihr, so etwas wie die personifizierte Single-Frau, mächtig zu. Am Ende stand ein Burnout und ein mühevoller Neubeginn. Einer, der rundum geglückt scheint. Auch wenn sie selbst sagt, „dass die 50 eine scheußliche Zahl ist“ - sie scheint mit sich und ihrem Umfeld im Reinen zu sein. Mit ihrer ganz besonderen Situation hat sich sich arrangiert. Aus der Jugendzeit ging es direkt auf die Bühnen der Welt. Privatleben? Mit nichten. Männer? Immer einmal wieder, aber nie lang andauernd. In ihrer vor vier Jahren erschienen Autobiographie geht sie mit sich selbst hart ins Gericht. Und muss sich eingestehen, dass die einzig wahre Liebesbeziehung, die sie pflegt, die mit der Bühne und ihrem Publikum ist. Wenn man ehrlich ist: keine wirklich erstrebenswerte Basis für ein rundum zufriedenes Leben. Aber eine gute, wenn nicht sogar perfekte, Basis für eine erfolgreiche Welttournee mit all ihren Tücken und Vorzügen. Patricia Kaas verspricht schon im Vorfeld mehr Konzert- als Cabaretfeeling. Weniger Edith Piaf, dafür mehr Patricia Kaas. Ein spannender Gedanke. Danser! Instantanément. Schließlich kann es die Kaas auch abseits des Chanson-Genres. Der Blues, die Klassik, die Popmusik und auch der Rock sind ihr nicht fremd. Eine feine Melange verschiedenster Stilrichtungen machte das Schaffen von Patricia Kaas stets spannend – und diesen Spannungsbogen auf die Bühnen zu bringen, das ist vielleicht eine der größten Stärken, die die 50-Jährige ihr Eigen nennen kann. Gepaart mit Erinnerungen an vergangene Zeiten, hat sie so den Bogen zur Neuzeit und der Gegenwart stets harmonisch gespannt. Allen Widerständen und Rückschlägen zum Trotz.
Fotocredits:
Patricia Kaas, Foto © Yann Orhan