Peter Martin Jacob ist so etwas wie ein Urgestein der A Cappella-Szene der Republik. Fast 20 Jahre lang tourte er mit der Bayreuther Band Six Pack durch die Lande, ist als Radiomoderator und Veranstalter heutzutage aus der in den letzten Jahren schier explodierenden Szene nicht mehr wegzudenken. Und auch in Bayreuth hinterlässt er weiterhin Spuren: Mit dem Festival Sangeslust am 8. Oktober und von 3. bis 5. November. Dann ist die Wagnerstadt wieder einmal Zentrum der akustischen Virtuosen und der inzwischen in Mannheim beheimatete Ex-Wagnerstädter gibt sich die alljährliche Ehre.
Vier Einzelveranstaltungen stehen zum inzwischen siebten Mal im Fokus der A Cappella-Freunde: Die Serenata Balkonia, das Kinderkonzert, Sing Sing, die A Cappella-Nacht, das klassische Konzert in der JVA Bayreuth und – einmal mehr das Highlight verrückter dreier Tage: das Restaurantfestival in fünf verschiedenen Lokalitäten mit fünf Bands.
27 Jahre ist es her, dass Six Pack, eine aus Bayreuth stammende Akustik-Comedy-Truppe, aus der Taufe gehoben wurde. Und damit wegbereitend daran schuld, dass A Cappella heutzutage in der Festspielstadt ein mehr als nur salonfähiges Genre darstellt. Six Pack – und A Cappella-Musik – sind Kult in ihrer Heimatstadt. Und haben im Laufe von fast drei Dekaden einen anfänglichen Trend längst etabliert. Was die wenigsten wissen dürften: Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine Schnapsidee, die zur Gründung der Kombo führte. Bei einem Ausflug in die Ostgefilde der Republik kurz nach der Wende intonierten die Dabeigewesenen spontan nach einer alkoholgeschwängerten Nacht am nächsten Früh den Klassiker „Ein kleiner grüner Kaktus“. Und stellten ebenso treffend wie zackig fest, dass die Spontanidee durchaus stimmig ist und sich darauf aufbauen ließe. 27 Jahre später stehen Six Pack am 8. Oktober bei der A Cappella Nacht zusammen mit dem europaweit prämierten Ensemble „CASH-N-GO“ aus Augsburg und der Schweizer Truppe „Bliss“ auf der Bühne des evangelischen Gemeindezentrums. „Drei Comedy A Cappella-Gruppen auf einmal, das habe ich mir immer mal gewünscht, jetzt ist es soweit“, so Organisator Jacob voller Vorfreude. Nicht minder spektakulär wird es einen knappen Monat später an einem Festival-Wochenende mit geballten Terminen, kulinarischen und auch architektonisch-akustischen Leckerbissen.
Den Anfang macht die Berliner Crew Bogarts, die im Brausaal des Liebesbier zum Tanz – respektive zum Gesang – bittet. Das Mitsingkonzert war in den letzten Jahren der Geheimtipp des Festivals: an die Wand geworfene Songtexte, das Publikum intonierte. Lautstark und schräg oder auch andächtig und präzise – es gibt nichts, was es dabei nicht gibt. Der Spaßfaktor steht im Vordergrund an einem Abend, an dem auch das Kulinarium einen hohen Stellenwert einnimmt. Apropos Bogarts. Sie bilden den musikalischen Mittelpunkt des Festival-Wochenendes. Nicht nur der Opener gehört den Berlinern, auch das Kinderkonzert am Sonntag im Zentrum (ein heimlicher Höhepunkt dreier verrückter Tage) bestreiten die Hauptstädter, die selbstredend am spektakulär anmutenden Samstag ebenfalls die Mikrofone schwingen. Oder besser gesagt: ihre Stimmen sprechen lassen. Mikrofone braucht es nicht unbedingt, um in kleinen, aber feinen Locations eine herrliche Dinner-Atmosphäre zu schaffen.
Der Samstag ist seit jeher der Tag mit den meisten Highlights. Beginnend mit der Serenata Balkonia. Die Bogart´s, Georgian Six, Hörband, Quintense und Upsweep bitten bei freiem Eintritt zum akustischen Hörgenuss. Auf dem Balkon des markgräflichen Opernhauses geben die fünf Protagonisten des Abends um 18 Uhr das hörbare Klingelzeichen zum Auftakt des Restaurantfestivals, präsentieren Teile ihres Repertoires, jede Truppe bietet ein Stück als Appetizer für den Abend. Nur eine halbe Stunde später ertönt die Auftaktglocke in gleich fünf Restaurants der Wagnerstadt. Die Trendlocation Liebesbier, die etablierte Sudpfanne, das, nach dem Rosenau-Brand wiedereröffnete Wiegners 1872, das Richards und das altehrwürdige Restaurant Goldener Löwe sind die Stätten, in denen Gourmet- und Sangesfreunde allerlei Genüsse kredenzt bekommen. Das Besondere an dem Restaurant-Festival: Nicht die Besucher wechseln die Location. Die Bands tingeln durch Bayreuth und spielen an allen fünf Orten für das sich kulinarisch verwöhnen lassende Publikum.
Ein weiteres Qualitätsmerkmal des A Cappella-Wochenendes ist das klassische Konzert am finalen Sonntag in der JVA Bayreuth. Genau: im Gefängnis. Respektive im Ordenssaal der Justizvollzugsanstalt – ein Saal mit dem Klang einer Kirche. Eine besondere Herausforderung für jeden Künstler. Und „Georgian Six“ stellen sich dieser gerne. Fünf Männer und Sängerin Ketevan Kartvelishvili, die als beste Sopranistin Georgiens gilt, rocken hinter schwedischen Gittern. Doch was heißt hier rocken? Sie verzaubern mehr, als dass sie laut sind. Gespannt darf man sein auf den explizit angekündigten Säbeltanz von Aram Khatchaturian. Glaubt man den Veranstaltern, und die wissen um was es geht, erwartet die Zuhörer da ein wahres Klangfeuerwerk. Eines, das mit der Geburtsstunde von A Cappella in Bayreuth, dem kleinen grünen Kaktus aus alkoholgeschwängerten Mündern nach einer durchzechten Nacht nicht mehr viel zu tun hat und das trotzdem quasi so etwas wie die direkte Abfolge dieser Idee ist.
Fotocredits:
„Kiddy Kiddy Bäng Bäng“, Foto © Pressefoto
Restaurant, Sangeslust-Festival, Foto © Pressefoto
Restaurant, Sangeslust-Festival, Foto © Pressefoto