Fürth als Kulturhauptstadt. Mit einigen Veranstaltungen hat sich die Kleeblatt-Stadt einen guten Namen weit über die Region hinaus gemacht. Ganz vorne: Das vielbeachtete Klezmer-Festival. Die Beziehung von Fürth und dem Judentum hat eine lange Tradition. Und die feiert man alle Jahre wieder. In der Zeit von 6. bis 15. März begrüsst Fürth einmal mehr zahlreiche Gäste von nah und fern. Unter dem Motto "Alles töfte!?" geht es um die Frage, wie die Gesellschaft mit Antisemitismus und Rassismus umgeht. Über 400 Jahre lang war Fürth eine der größten jüdischen Gemeinden in Deutschlands. Im Nationalsozialismus flüchteten über 3000 jüdische Fürther oder wurden ermordet. Inzwischen ist in Deutschland längst wieder jüdisches Leben präsent und auch in Fürth hat sich eine Gemeinde etabliert. Art. 5 III hat sich im Vorfeld mit Gerti Köhn unterhalten. Sie zeichnet seit kurzem verantwortlich für das Städtische Kulturamt in Fürth.
Fürth ist eine charmante, aufstrebende Stadt. Hier gibt es viele engagierte Menschen, die etwas bewegen wollen, wie z.B. die Initiative Fürth Ort, die sich für ein nachhaltiges Kultur- und Kreativzentrum in der Alten Feuerwache in der Innenstadt engagiert. Oder auch die Protestgarten-Bewegung, die sich für ein selbstverwaltetes soziokulturelles Zentrum mit Bandübungsräumen, Platz für Theater, Konzerte, etc. stark macht. Zudem gibt es echte Geheimtips, wie das inklusive Soundfestival, bei dem Musiker/-innen mit und ohne Handicap gemeinsam musizieren oder das Gastspiel, das Kenner und Interessierte jedes Jahr an einem Wochenende im Herbst in mehr als 40 Ateliers und Galerien lockt und mit Arbeiten hiesiger bildender Künstler/-innen und ihrer Gäste konfrontiert. Und natürlich sind da die Festivals, die das Kulturamt verantwortet. Mit dem Internationalen Klezmer Festival Fürth / Jewish Music Today gibt es in Fürth eines der größten europäischen Klezmer-Festivals, das den aktuellen Entwicklungen internationaler jüdischer Musik eine Plattform gibt.
Mit der Übernahme der Kulturamtsleitung ist ja keine komplette Neuausrichtung verbunden. Die Kultur einer Stadt entwickelt sich über Jahre, Jahrzehnte und ich sehe es als meine Aufgabe, diese Entwicklung zu beobachten und weiter positiv zu beeinflussen. Gerade das Klezmer Festival hat sich von seinen Anfängen im Jahr 1988 von einem Wochenende des jiddischen Liedes konsequent weiterentwickelt. In den 90ern kehrte die Klezmer-Musik aus Amerika nach Europa zurück, prägte auch hier eigene Spielweisen aus, mittlerweile wird Klezmer sogar in Japan gespielt. Klezmer hat viele verschiedene musikalische Einflüsse aufgenommen und Impulse gegeben. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen: Das Klezmer Festival Fürth zeigt Entwicklungen aktueller jüdischer Musik. Die Bandbreite ist groß, diese gilt es abzubilden und an den neuesten Experimenten dranzubleiben. So haben wir beispielsweise zum nächsten Festival den kanadischen HipHopper Socalled zusammen mit der Thilo Wolf Big Band für ein gemeinsames Konzert eingeladen. Ein absoluter Höhepunkt des Festivals, der zu ungeahnten Hörerlebnissen führen wird. Neu ist, dass wir angesichts des wachsenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft Musiker/-innen „Tacheles“ reden lassen. Den Anfang macht Rapper Ben Salomo beim nächsten Festival, der sein Buch „Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens“ vorstellt. Hierin beschreibt er seine Erfahrungen mit rassistischen und ausgrenzenden Strömungen im Deutsch-Rap, die vor allem großen Einfluss auf Jugendliche ausüben.
Natürlich freue ich mich auf alle Konzerte, aber auch auf die Filme, Führungen zur jüdischen Geschichte durch Fürth aber auch im Jüdischen Museum Franken und die Workshops. Klezmer ist pure Leidenschaft, Freude und Leid gleichermaßen. Ein Austoben der Leidenschaften garantieren die unbestuhlten Konzerte am zweiten Wochenende mit der französischen Band „Tram des Balkans“ oder auch „Geoff Berner“ und den „Jewish Monkeys“, die ihr letztes gemeinsames Konzert geben. Die Band löst sich auf. Aber auch das erste Wochenende mit der amerikanischen Klezmerszene um Michael Winograd oder der jüngsten Band des Festivals „Yxalag“ versprechen absolute Virtuosität und Spielfreude. Eine völlig neue Klangfarbe bringt Victoria Hanna aus Israel mit. Sie mixt uralte religiöse und philosophische Texte mit fetten Beats aus der Loop-Station und ist eine absolute Stimmakrobatin.
Das Nürnberger Team um Prof. Hans-Joachim Wagner leistet unglaublich gute Arbeit. Es ist nicht leicht, den Kriterien so einer Bewerbung gerecht zu werden, trotzdem ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln und damit eine Sogwirkung zu erzielen. Nürnberg hat erkannt, dass es durch Kooperation gut ans Ziel kommen kann. Und so hat es die ganze Metropolregion mit eingebunden. Es ist erstaunlich zu sehen, wie nahezu alle Städte und Landkreise mitziehen und gemeinsame Veranstaltungsformate entwickeln. Nürnberg ist auf gutem Weg, den Titel zu bekommen. Die Entscheidung fällt im Herbst. Bis dahin werden wir auch in Fürth weiter an den regionalen Formaten mitstricken und darüber hinaus eigenes entwickeln, mit dem sich Fürth im 2025 positionieren wird.