Bayreuth hat seit dem Ende der Corona-Pandemie im Kultursegment eine in vielen Bereichen spannende Entwicklung hinter sich. Die Wagnerstadt lässt mit einigen neuen Festivalreihen aufhorchen, die allesamt beim Publikum auf offene Ohren stoßen. Eine der Veranstaltungsreihen, die es bereits vor der für den Kultursektor immens schwierigen Zeit gab, hat die Pausenzeit schadlos überstanden: Der längst etablierte Bayreuther Comedyherbst steht auch in diesem Jahr wieder hoch im Kurs bei den kulturbeflissenen Menschen, geht in seine insgesamt zehnte Runde.
Es darf gelacht werden. Ohne Maske, ohne Scham und ohne Ende. Schließlich ist Lachen gesund. Vor allem in einer Zeit, in der die Abende schnell kühl werden, die Sonne sich allmählich in Richtung Winterschlaf bewegt, die Tage erst bunter, dann grauer werden und der Winterblues sich erst langsam und bedächtig, dann mit gefühltem Karacho in die Alltage einschleicht. Genau die richtige Zeit, den eigenen Körper (und auch seine Mitmenschen) mit viel Lachen aus dieser eher depressiv angehauchten Zeit zu bringen. Und die Gäste in der Wagnerstadt: Die passen sich der frühherbstlichen Phase an: Sie sind alles andere als grau. Sie sind bunt. So bunt wie einer schöner Herbstwald.
Einer der Plätze, der sich für Kabarett und Comedy in Bayreuth hervorragend eignet, ist seit Jahren schon das Zentrum. Dort, wo der ansässige Veranstalter Motion alle Jahre wieder in den Herbstmonaten dem Blues den Kampf ansagt und den Comedyherbst mit allerlei Leckerbissen über die Bühne bringt. Das ist im Jahr 2024 kein bisschen anders. Einmal mehr dürfen sich die Comedy- und Kabarettfreunde auf elf Abende voller aufstrebender und längst etablierter lustiger Zeitgenossen und Zeitgenossinnen freuen. An fünf Abenden gehört die Bühne der weiblichen Fraktion. Und da Suchtpotenzial, bestehend aus dem selbsternannten „erfolgreichsten Alkopop-Duo“ Ariane und Julia am 11. Oktober zu zweit auf Stippvisite in der Wagnerstadt sind, ergibt sich betreffend der Frauenquote eine Pattsituation: Sechs Damen und sechs Herren beehren die oberfränkische Bezirkshauptstadt in der Summe.
Ein Highlight steht am 14. November an. „Mama Bavaria“ Luise Kinseher gibt sich die Ehre im Herzen Oberfrankens. Mit ihrem Programm „Wände streichen. Segel setzen.“ nimmt sie ihr Publikum mit auf eine gewohnt turbulente Reise durch den Alltag. Nicht minder lustig wird es am 6. Oktober. Da ist Lisa Feller wieder einmal in der Stadt. Die 48-jährige Düsseldorferin rockt mit ihrem Programm „Dirty Talk“ derzeit landauf, landab. Schmutziges Gerede: Momentan hat das Hochkultur. Im Fernsehen, den sozialen Medien und nicht zuletzt in Beziehungen. Die Feller hat sich dem angenommen. Mal tiefgründig, fast schon schockierend. Mal frech, provokant und obszön. Elf Jahre jünger und dabei keinen Tick weniger frech als Feller ist auch Helene Bockhorst. Am 22. November wird die so kühl wirkende Hamburgerin mit dem mitunter derben Humor im Zentrum anzutreffen sein. Wer die studierte Kommunikationswissenschaftlerin dabei nur nach Äußerlichkeiten beurteilt: Der wird sein blaues Wunder erleben. Den Spagat zwischen Humor und Tiefgang zu bewältigen, ist ihre Intuition. Sich selber aufs Korn nehmen: Das kann sie bestens. Anderen den Spiegel vorhalten: Auch das beherrscht sie aus dem Effeff. Am Ende erleben die Leute ein Potpourri der guten Laune, gepaart mit ironisch, melancholischen Pointen – Prädikat: Sehens- und hörenswert!
Der Auftakt im Oktober ist am 4. des Monats Rolf Miller vorbehalten. Quasi der männliche Bockhorst. Nur erfahrener. Elegant stolpern und den Elefanten umgehen. Das ist und bleibt Miller. Grandios ignorant, vital, dumpf und komplett halbwissend. Wie immer gibt der 57-jährige stoisch den Fels in der Brandung, der mit Zuversicht wegschaut, vollmundig alles und dabei nichts sagt; und natürlich alles bemerkt, nur nicht das eigene Scheitern. Am 12. Oktober wird es tiefgründig. Satirisch. Und real. Friedemann Weise – Satiriker, Autor, Liedermacher, Kabarettist und Comedian – stellt den Content in den Mittelpunkt. Genau den Content, der derzeit die Köpfe vieler Jugendlicher überschwemmt. Content ist längst so etwas wie Lob in früheren Jahren. Nur braucht man kein Lob dafür. Likes sind ja ähnlich. Eines vergessen viele dabei: Erst wenn der letzte Mensch Content macht, werdet ihr merken, dass Kleinkunst manchmal auch nicht schlecht ist. Eine wunderbare Persiflage auf das heutige „Leben“. Am 19. Oktober gibt es die Steigerung zu Weise. Hagen Rether ist in Bayreuth zu Gast. In aller Ausführlichkeit verknüpft der Kabarettist Aktuelles mit Vergessenem, Nahes mit Fernem, stellt infrage, bestreitet, zweifelt. Bis zu dreieinhalb Stunden plädiert Rether mit und ohne Klavier leidenschaftlich für Aufklärung und Mitgefühl, gegen Doppelmoral und konsumselige Wurstigkeit: Wandel ist möglich – wenn wir wollen. Nicht zuletzt ist Jan Philipp Zymny am 12. November zu Gast. Der 31-jährige, einst als Poetry-Slammer groß geworden, bietet großartige Stand-up-Comedy. Sein Programm „Quantenheilung“ beweist das einmal mehr.