Die Stammdiskothek als Wohnzimmer. Wer kennt den geflügelten Satz und den Traum aus seinen jungen Jahren nicht. Einer, der das mit Fug und Recht behaupten kann, hat seine Jugendjahre längst hinter sich: Wolfgang Ambros. Die Austro-Pop-Legende, am 3. November im Hegelsaal in Bamberg auf der Bühne, ist im Rentenalter angelangt. Und wohnt in seiner österreichischen Heimat in einer umgebauten, ehemaligen Diskothek. Irgendwie typisch Ambros. Er macht Sachen, von denen andere träumen. Oder eben, sieht man sich seine Krankenakte näher an, auch nicht. Der 65-Jährige ist ein Phänomen. Zu Lebzeiten ist er eine Legende. Und genießt die ihm noch bleibende Zeit anscheinend intensiver, als er es je tat. Und wer könnte es ihm verdenken? Wo Katzen dem Reden nach sieben Leben haben, scheinen es bei Wolfgang Ambros noch einige mehr zu sein. „Ich habe anscheinend zwölf“, gestand er einst skeptisch schmunzelnd. Malaria, ein schwerer Autounfall, einer mit dem Boot, dazu ein Feuerdesaster. Nicht zu vergessen seine Krebserkrankung. Unterzukriegen ist der „Godfather“ des Austro-Pop nicht. Einzig sein Rückenleiden macht dem seit kurzem mit seiner dritten Ehefrau Uta verheirateten Grantler doch schwerer zu schaffen, als ihm lieb sein dürfte. Schon vor 14 Jahren sang er „Oid wern“ – gebessert hat sich der Zustand seines Kreuzes seither nicht. Wer ihn seit seiner Wirbelsäulenoperation vor drei Jahren auf der Bühne gesehen hat, der weiß das: Der seit jeher nicht gerade korpulente, in Niederösterreich aufgewachsene Barde schleppt sich seitdem mehr schlecht als recht auf den Hocker, der sein Leben inzwischen fast fünfzig Jahre lang entscheidend mitprägt. Gut, um den drohenden Rollstuhl kam er herum. Und die Leidenszeit ist vorbei. Gut, dass es das Leben abseits dieser Schicksalsschläge mehr als nur gut meint. Neben einer frischgebackenen Ehefrau bereichern ein Hund und bald auch noch das erste Enkelkind das Leben des gebürtigen Wieners. Und natürlich der nicht abebbend wollende Kult um den Austro-Pop, der seit einigen Jahren die Charts in schöner Regelmäßigkeit entert. Ein Luxus, von dem die Fendrichs, Danzers, Ambros‘ und Co. vor einigen Jahren nur träumen konnten. Klar: Gassenhauer bestimmten das musikalische Dasein des Wahltirolers aus Waidring. „Gezeichnet vom Leben“, singt er treffenderweise. Und irgendwie darf man ihm, der so oft so authentisch wirkt, nicht wünschen, dass all seine von Traurigkeit geprägten Lieder Realität werden. Dann schon lieber, dass er und seine große Leidenschaft lange weiterleben. Schließlich ist der Hobby-Skilehrer dank seiner Kulthymne „Schifoahn“ zur Kultfigur von jung bis alt geworden. Und nicht wegen der „Tendenz zur Demenz“. Der schmale Grat von purem Leben und Schicksalsschlägen bestimmt die Songauswahl Ambros‘ weiterhin an seinen kurzweiligen Bühnenabenden, während derer er seine Anhänger und Zuhörer auf eine spannende Zeitreise mitnimmt. Eine Reise, die inzwischen 45 Jahre lang andauert. Und die er inzwischen in ruhigere Bahnen lenkt. Mit seinem Bühnenprogramm „Pur“ ist er auch schon wieder fünf Jahre lang unterwegs. Musikalisch reduziert auf seine akustische Gitarre dazu das Spiel des begnadeten Keyboarders Günter Dzikowski an den Tasteninstrumenten und Roland Vogl am Bass, hat eine besondere Faszination. Ambros begeistert auch in dieser Form. Ein besonderes Konzerterlebnis in exklusiven Theatern und kleineren Sälen – intime Momente sind garantiert. Und das ein oder andere Gänsehauterlebnis bei den ruhigeren und nachdenklicheren Nummern des Liedermachers. Aber auch Party pur. Die zieht er ganz bewusst bis zum Ende des Abends hin. Er bricht sich keinen ab, schon zu Beginn pauschal darauf hinzuweisen, dass „Schifoahn“ erst das letzte Lied des Konzertes sein wird. Wer kann, der kann. Und noch mehr kann, wer auch diese Phase mit vielzähligen Evergreens wunderbar verkürzen kann. Es ist eine Trilogie des eigenen Lebens. Er vergisst die Zeit ohne eigenes Dach über dem Kopf nicht – genauso wenig wie den unerbittlich näher rückenden Tod. Wäre da nicht der lebensbejahende Schalk im Nacken: Es könnte einem fast etwas Angst um Wolfgang Ambros werden. Er vergisst seinen alten, viel zu früh verstorbenen Kumpel Georg Danzer nicht. Im Gegensatz zu Rainhard Fendrich, mit dem er seit dessen Kokaineskapaden gebrochen hat. Da kommt er wieder durch, der österreichische Grantler, der seinen Weg konsequent geht. Was in dem Fall durchaus schade ist. Schließlich hätte so ein Wohnzimmerkonzert in Ambros‘ einstiger Diskothek durchaus Charme. Irgendwie wäre es typisch für den Querdenker, würde er auch das irgendwann ins Auge fassen. Vorher dürfen sich die Fans auf Akustik-Konzerte in gemütlichen, kleinen Hallen freuen und ihr Idol auf seine alten Tage weiter feiern. Den hält jung, was andere schon weit früher erfahren. Die eigene Ehefrau, der neue Hund. Und demnächst auch noch die Enkelin. Sohnemann Matthias, Schlagzeuger der Bad Vöslauer Erfolgs-Band „Seiler und Speer“ und aus der ersten Ehe hervorgegangen, zeichnet für die Vergrößerung der Ambros‘schen Patchwork Familie verantwortlich. Immer wieder ist er mit Ex-Freundin Anne, Mutter der Zwillinge, zu sehen. Und seine frisch angetraute Ehefrau mit ihrem Sohn an der Seite. Irgendwie ist Ambros anders als andere. Und es dürfen Wetten angenommen werden, dass auch diese Konstellation früher oder später einen eigenen Gassenhauer in musikalischer Form geschenkt bekommt. Es würde die Dramaturgie des Lebens vollenden. Na gut. Das wäre zu dramatisch ausgedrückt. Es würde sie abrunden.
Fotocredits:
Wolfgang Ambros live auf der Bühne, Foto © Christian Koller
Wolfgang Ambros live auf der Bühne, Foto © Markus Brandmayr