Selten hat man in einem Buch länger gebraucht, um Titel und Handlungsverlauf deckungsgleich oder zumindest -ähnlich zu bekommen. Denn nach vielen Irrungen und Wirrungen schafft es der Protagonist erst auf Seite 223 seinen eigentlichen Berufswunsch zu artikulieren: Geigenbauer. Bis es dazu kommt, vergehen allerdings acht Kapitel beziehungsweise fast 50 Jahre im Leben Lars Olsen Hoems.
Edvard Hoem, ein Nachfahre Lars Olsen Hoems, hat für die Geschichte in Archiven, Zeitungsartikeln, Kirchenbüchern und Gefangenenverzeichnissen recherchiert und ist auf eine lesenswerte Lebensgeschichte gestoßen. Auch wenn es anfänglich wie ein Kriminalroman angelegt zu sein scheint, steht im Fokus des 336 Seiten starken Romans doch die Lebensgeschichte von Lars Olsen Hoem. Die napoleonischen Kriege zerstören sowohl seine Jugend als auch die damit verknüpften Träume. Er wird zum Militär eingezogen und landet schließlich in der Seeschlacht von Kopenhagen, in der die dänische Flotte 1801 von den Briten besiegt wurde. Lars gerät in Gefangenschaft und verbringt die nächsten fünf Jahre auf einem Gefangenenschiff. In dieser Zeit lernt er einen französischen Geigenbauer kennen, eine Begegnung, die sein Leben nachhaltig verändern wird.
Edvard Hoem stützt seine Geschichte auf die Erzählungen seines Großvaters und auf eigene Recherchen, deren Ergebnisse immer mal wieder direkte Erwähnung finden. Der Roman spielt hauptsächlich im Norwegen des 18. und 19. Jahrhunderts und spiegelt ein ziemlich klares Bild der Lebensumstände wider, die damals herrschten, in der Hauptsache Armut und Krieg, aber auch Liebe und Geborgenheit in der Familie. Musik spielt im Leben von Lars Olsen Hoem schon anfänglich eine starke Rolle, wird aber im Verlauf des Buches immer wichtiger und entwickelt sich insbesondere in den Zeiten seiner Gefangenschaft als seelische Stütze. Edvard Hoem hat mit „Der Geigenbauer“ einen fesselnden Roman geschrieben, den wir unbedingt zum Lesen empfehlen.
Edvard Hoem: Der Geigenbauer, Roman, Verlag Urachhaus, Stuttgart, 2022, 336 Seiten, 26 Euro. ISBN: 978-3-8251-5310-6