Am 8. April 2023 wird die Kunstwelt kurz innehalten und einem Mann gedenken, der ihr wie keiner zuvor und vielleicht auch keiner danach seinen Stempel aufgedrückt hat, Pablo Picasso. Am 25. Oktober 1881 in Málaga (Spanien) als Sohn des Zeichenlehrers José Ruiz Blasco geboren, offenbarte er schon früh seine künstlerische Begabung. Bereits mit 15 Jahren wurde er 1896 in die Kunsthochschule La Lonja in Barcelona aufgenommen, die er aber bereits ein Jahr später verließ, um der Academia de S. Fernando in Madrid beizutreten. In seiner frühen Schaffenszeit malte Picasso noch gegenständlich, bevor er zwischen 1901 und 1904 begann seinen ersten eigenen Stil zu entwickeln, die sogenannte „Blaue Periode“. Seit 1904 dauerhaft in Paris wohnend, wurde er schnell zum Mittelpunkt einer Künstlergemeinschaft, der unter anderen auch Joan Miró, Henri Matisse und Georges Braques angehörten. Der „Blauen Periode“ folgte die „Rose Periode“, in der sich Picasso stark von dem Thema Zirkus inspirieren ließ, was sich an den von ihm zur damaligen Zeit verwendeten Sujets ( gut erkennen lässt.
Einen maßgeblichen Einfluss auf Pablo Picasso hatte Paul Cézanne, den er ehrfurchtsvoll „… unser aller Mutter“ nannte (Matisse nannte ihn übrigens „… unser aller Vater“). Die Sicht auf Cézannes Werke endete bei Picasso in der Entwicklung einer neue Formensprache. Er und sein Kollege Georges Braque waren die Wegbereiter des (analytischen) Kubismus, einer Darstellungsform in der Gegenstände in stereometrisch-kubische Formen aufgefächert wurden. Das Gemälde „Les Demoiselles d‘Avignon aus dem Jahr 1907 steht als Wendepunkt in der Geschichte der abendländischen Malerei, steht es doch für die Anfänge der abstrakten Malerei, auch wenn Picasso selbst nicht den letzten Schritt zur vollständigen Abstraktion vollzog. Er widmete sich in den folgenden Jahren insbesondere Stillleben und Portraits in monochromer Farbgebung. Aus dem analytischen wurde so der synthetische Kubismus. Gleichzeitig schuf er, unter Beachtung von Formschönheit und strenger Linienführung, monumentale Frauenbildnisse und kehrte so scheinbar zu einer eher klassizistischen Malweise zurück. Der Beginn des spanischen Bürgerkriegs (1936) hinterließ auch bei Pablo Picasso einen tiefen Eindruck. Er bezog mit und in seinen Bildern Stellung gegen den Faschismus im Besonderen und gegen Krieg und Gewalt im Allgemeinen. „Guernica“ (1937), sein großformatiges Bild in dem er den Luftangriff der deutschen Legion Condor auf die gleichnamige, nordbaskische Stadt anprangerte, gilt heute noch als Höhepunkt seines Versuchs der politischen Einflussnahme.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges hielt sich Picasso überwiegend in Südfrankreich auf und widmete sich zunehmend dem Gestalten mit Keramik, was auch dazu führte, dass die von ihm verwendete Farbpalette wieder farbenfroher wurde. Bis ins hohe Alter war Picasso künstlerisch tätig. Egal ob man ihn für einen (oder den) größten Künstler des 20. Jahrhunderts hält oder man an ihn als einen überheblichen Egozentriker denkt, Pablo Picasso war sicher an der Entwicklung aller großen Stilrichtungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich beteiligt, sein Werk kann man getrost als Musterbeispiel für die inhaltliche und künstlerische Auseinandersetzung mit der Moderne ansehen. Schon während seines Schaffens gelang es ihm bereits in aufsehenerregenden Einzelausstellungen gezeigt zu werden und er war der erste Maler, der noch zu Lebzeiten durch eine Ausstellung in der Grande Galerie des Louvre (1971) geehrte wurde. Er hinterließ das umfangreichste Werk eines bildenden Künstlers im 20. Jahrhundert. Insgesamt 16.051 Gemälde und Zeichnungen, 1.200 Skulpturen, 3.000 Keramiken und mehrere tausend Grafiken stammen aus oder von der Hand Picassos.
Das es in seinem 50. Todesjahr eine Fülle an Ausstellungen geben würde, war längstens bekannt. Das einzige Picasso-Museum Deutschlands in Münster übernimmt auch hier eine besondere Rolle. Es beherbergt die weltweit umfangreichste Sammlung der Lithografien Pablo Picassos sowie weitere Picasso-Bestände in verschiedenen künstlerischen Techniken und aus unterschiedlichen Schaffensperioden. Große Werkkonvolute seiner künstlerischen Mitstreiter Georges Braque, Marc Chagall, Joan Miró und Henri Matisse gehören ferner zu den Schätzen des Museums. In wechselnden Ausstellungen beleuchtet das Picasso-Museum das facettenreiche Werk des Spaniers, indem es sein grafisches Schaffen in Dialog zu Malerei und Skulptur stellt. Solchen Querbezügen gehen auch die seinen künstlerischen Weggefährten gewidmeten Ausstellungen des Museums nach. So ist es – ganz im Sinne seines Namenspatrons – ein Haus des beständigen Wechsels, das mehrfach im Jahr mit Sonderausstellungen lockt. . Als einziges Picasso-Museum Deutschlands etablierte sich das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster seit seiner Eröffnung zu einem Ort von nationaler und internationaler Bedeutung.
Bereits seit dem 4. Februar und noch bis zum 7. Mai 2023 präsentiert das Haus mit „Zum Zeigen gegeben“ eine Hommage zum 50. Todestag Pablo Picassos. Die Schau „Zum Zeigen gegeben“ ist Teil der „Picasso Celebration 1973-2023“, die unter der Federführung des Musée Picasso, Paris, mit weltweiten Veranstaltungen an den Spanier gedenkt.
Mit der am 27. Mai beginnenden und bis zum 17. September 2023 andauernden Ausstellung „Celebrating Picasso – Künstler – Mensch – Genie(?)“ liefert das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster einen zweiten wichtigen Beitrag. Es präsentiert in allen zwölf Ausstellungsräumen die vielen Gesichter und Facetten des Spaniers. Leihgaben aus Privatsammlungen Deutschlands und der Schweiz im Verbund mit dem Eigenbestand des Museums beleuchten die Komplexität des spanischen Multitalents, das sich bis ins hohe Alter immer wieder neu erfand. So wurde Picasso schon zu Lebzeiten zur Ikone künstlerischer Genialität und Schöpferkraft. Im Parcours der Ausstellung entsteht von Raum zu Raum, von Exponat zu Exponat ein Mosaik, das den Künstler und den Menschen Picasso in seiner Wandelbarkeit, aber auch mit all seinen Widersprüchen präsentiert.
Wie kaum ein anderes Werk ist Picassos Schaffen eng an die Biografie des Künstlers gebunden. Im Falle des Spaniers sind Mensch und Werk untrennbar miteinander verbunden. So hat seine Muse und Lebensgefährtin Françoise Gilot einmal festgestellt, Picasso habe mit dem Blut seiner Mitmenschen seine Werke geschaffen. Picassos bewegtes Leben und sein Schaffen werden heute anders bewertet als vor 50 Jahren. Seine ersten großen Biografen waren ausnahmslos Männer, die als Zeitzeugen einen bevorzugten Zugang zu seinem Schaffen für sich in Anspruch nahmen. Ist der spanische Künstler vor dem Hintergrund von Cancel Culture und der Me too-Bewegung grundlegend neu zu bewerten? Die Münsteraner Ausstellung will keine bloße Hommage sein. Sie versucht stattdessen Impulse zu geben, die einen kritischen und zeitgemäßen Umgang mit dem in den Olymp der Genialität erhobenen Künstler ermöglichen. So enthält die Ausstellung auch partizipative Räume, die die Besucher:innen zu Reaktionen und eigenen Kommentaren herausfordern. Weitere Informationen zu den Ausstellungen im Kunstmuseum Pablo Picasso Münster findet man unter www.kunstmuseum-picasso-muenster.de.
Aber auch andernorts in Deutschland wird dem Meister gehuldigt. Vom 26. Februar bis zum 21. Mai 2023 kann man im Kunstmuseum Moritzburg in Halle die Ausstellung „Der andere Picasso: Zurück zu den Ursprüngen“ besuchen. Es werden etwa 100 Arbeiten auf Papier und Keramik gezeigt, auch um die weniger bekannte Schaffensseite des spanischen Malergenies zu zeigen. Der andere Picasso entführt die Besucherinnen und Besucher in einer stimmungsvollen Inszenierung in die fast spielerische Welt der einzigartigen Keramiken dieses ungemein kreativen Künstlers, die er ab 1946 in der Madoura-Werkstatt im südfranzösischen Vallauris schuf. Sie waren viele Jahrzehnte kaum zu erleben und werden in jüngster Zeit gerade wiederentdeckt. Im großen Picasso-Jubiläumsjahr 2023 gibt es in Deutschland dafür exklusiv nur in Halle (Saale) die Gelegenheit.
Neben den wunderbaren Keramiken zeigt die Ausstellung Grafiken und Zeichnungen, die Picassos lebenslange Rückkehr zu seinen familiären Ursprüngen, seine nicht abreißende Verbundenheit mit den Traditionen seines Geburtslandes Spanien und seine Inspiration durch die antiken Kulturen des Mittelmeerraums vermitteln. Darüber hinaus geht es um Picassos Poesie und seine Beziehungen zum modernen Tanz. Die bisher der Öffentlichkeit wenig bekannte schriftstellerische Tätigkeit Picassos wird repräsentiert durch Picassos poetische Arbeit und grafische Serie „El entierro del conde de Orgaz“, die Bezug nimmt auf El Grecos bekanntes gleichnamiges Gemälde in der Pfarrkirche Santo Tomé in Toledo.
Ein weiterer Fokus liegt auf Picassos Zusammenarbeit mit den Ballets Russes, die 1909 vom russischen Impresario Sergej Djaghilew (1872−1929) gegründet wurden. Gezeigt werden Druckgrafiken mit Kostümen und Kulissen des Bühnenbildes von Le Tricorne, außerdem ein Auszug der Aufführung von Le Tricorne mit dem Ballet Nacional de España, in dem die von Picasso entworfene Ausstattung zu sehen ist. Weitere Informationen findet man unter www.kunstmuseum-moritzburg.de.
Ebenfalls in Halle, zeigt die Kunsthalle „Talstrasse“ vom 3. März bis zum 29. Mai den Dialog zwischen Pablo Picasso und seinem Zeitgenossen Jean Lurçat (1892–1966). Und vom 17. September 2023 bis zum 7. Januar 2024 ist die Ausstellung „Pablo Picasso – Max Beckmann. Mensch, Mythos, Welt“ im Wuppertaler Von der Heydt-Museum zu sehen. Sowohl Picasso als auch Beckmann haben die Malerei in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts maßgeblich geprägt. Bisher gab es noch keine Ausstellung, in der die Werke der beiden Malergenies auf breiter Basis direkt miteinander verglichen werden konnten. In einer Zusammenarbeit vom Von der Heydt-Museum Wuppertal und dem Sprengel Museum Hannover wurde dies nun erstmals ermöglicht. Informationen gibt es im Netz unter www.kunstverein-talstrasse.de und/oder unter www.von-der-heydt-museum.de.
Und wer in diesem Jahr einen Abstecher nach Österreich, genauer gesagt nach Wien machen wird, der sollte sich unbedingt die Ausstellung „Picasso. Zum 50. Todestag“ in der Albertina anschauen. Die Albertina, ein „Must see“ eines jeden Wien Aufenthaltes präsentiert ca. 90 Werke des spanischen Malers, darunter 18 aus der eigenen Sammlung und über 70 weitere Werke Picassos, darunter solche Klassiker wie „Frau mit grünem Hut“ aus dem Jahr 1947 oder auch „Nackte Frau mit Vogel und Flötenspieler“ von 1967. Online kann man unter www.albertina.at mehr erfahren
Wen es noch weiter in die Ferne zieht, der kann in Frankreich, Spanien, den USA und in vielen anderen Ländern die Werke Pablo Picassos in zahlreichen Ausstellungen bewundern. Nachstehend haben wir die wichtigsten für Sie aufgeführt:
Frankreich
Paris
„Picasso und die Prähistorie“ im Musée de l’Homme - Museum national d’histoire naturelle
8. Februar bis 12. Juni 2023
„Picasso-Feier, die Sammlung wird bunt!“ im Musée national Picasso-Paris
7. März bis 6. August 2023
„Gertrude Stein und Picasso. Die Erfindung der Sprache“ im Musée de Luxembourg
13. September 2023 bis 21. Januar 2024
„Das Paris der Moderne 1905 - 1925“ im Petit Palais
17. Oktober 2023 bis 28. April 2024
„Picasso. 2023 Zeichnungen“ im Centre Pompidou
18. Oktober 2023 bis 22. Januar 2024
Antibes
„Picasso 1969-1972: Das Ende vom Anfang“ im Musée d’Antibes
8. April bis 25. Juni 2023
Vallauris
„Formen und Metarmorphosen : Picassos keramisches Schaffen“ im Musée Magnelli, Keramik Museum
6. Mai bis 30. Oktober 2023
Castres
„Goya in den Augen von Picasso“ im Musée Goya de Castres
30. Juni bis 1. Oktober 2023
Spanien:
Málaga
PICASSO: Körper und Materie im Picasso-Museum Málaga
08. Mai - 10. September 2023
Picassos Lebensabschnitte im Museum Geburtshaus Picasso Málaga
21. Juni - 01. Oktober 2023
Das Echo Picassos im Picasso-Museum Málaga
02. Oktober 2023 - 24. März 2024
Madrid
Die letzte Periode Picassos in La Casa Encenida in Madrid
19. Mai bis 17. September 2023
Picasso – El Greco im Prado-Nationalmuseum in Madrid
13. Juni bis 17. September 2023
Picasso vs. Velásquez im Velásquez-Haus in Madrid
1. September bis 30. November 2023
Picasso. Heiliges und Weltliches im Thyssen-Bornemisza-Museum in Madrid
4. Oktober 2023 bis 14. Januar 2024
Picasso 1906: Die große Transformation im Museum Reina Sofia in Madrid
14. November 2023 bis 4. März 2024
Bilbao
Picasso: Körper und Materie im Guggenheim-Museum Bilbao
29. September 2023 bis 14. Januar 2024
Barcelona
Picasso und die spanische Keramik im Designmuseum Hub Barcelona
1. Juni bis 30. September 2023
Miró – Picasso (II) im Picasso-Museum Barcelona / Stiftung Joan Miró
19. Oktober 2023 bis 25. Februar 2024
A Coruña
Das Weiß von Picasso in der blauen Periode im Museum der Schönen Künste in A Coruña
23. März bis 23. Juni 2023
USA
Charlotte (North Carolina)
Picasso Landscapes: out of bounds in The Mint Museum
25. Februar bis 21. Mai 2023
New York
Der junge Picasso in Paris im Solomon R. Guggenheim Museum
12. Mai – 7. August 2023
Die Gemälde für Hamilton Easter Field im Metropolitan Museum of Art
12. September 2023 bis 21. Februar 2024
Picasso in Fontainebleau im MoMa
1. Oktober 2023 bis 10. Februar 2024
Cincinnati
Picasso Landscapes: out of bounds im Cincinnati Art Museum
24. Juni bis 15. Oktober 2023
Denver
Picasso Landscapes: out of bounds im Denver Art Museum
12. November 2023 bis 3. März 2024