Manfred Koch studierte in Würzburg und Paris Theologie, Philosophie und Französisch für das Lehramt an den Gymnasien. Referendariat und zweites Staatsexamen in Bamberg. Nach kurzer Lehrtätigkeit im Schulbetrieb zieht es ihn Richtung Erwachsenenbildung: VHS, KEB, bevorzugt Medienpädagogik. 1995 wurde er Leiter der Medienzentrale Bamberg. Seine lang gehegte Leidenschaft zu Film und Foto bekam einen festen Rahmen. Und die nötige Freiheit zur Entfaltung, einschließlich der passionierten Arbeit in der „fotonahen“ Filmvermittlung. Seit 2000 widmet er sich ganz seiner großen Leidenschaft, der Fotografie. 2014 wurde er in die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh) berufen, wo er einige Jahre im erweiterten Vorstand mitarbeitete.
Er ist wohl das, was ein erfolgreicher Autodidakt genannt werden kann. Seit seiner Kindheit wächst sein Interesse an der Fotografie, feilt er seine Fähigkeiten beim Fotografieren. Alte Autos und LKW festhalten, so der Beginn dieser Passion. Die er fortan in Kursen mit großem technischen, aber auch philosophischem Interesse verfolgte. Mit dem Wissen wuchsen die Möglichkeiten. Manfred Koch changierte auf beiden Seiten. Nimmt und gibt davon, in zahlreichen Workshops und Seminaren.
Die Themen, die ihn beschäftigen, sind vielschichtig und vor allem tief. Der Philosoph und Theologe hinter der Linse sind prägend, bei aller Begeisterung für den künstlerischen Prozess des Fotografierens selbst. Es geht ihm um Weisen der Weltwahrnehmung. Durch ein Vergrößerungsglas, durch ein waches, geduldiges Auge, durch Spiegelungen als Motiv, durch die richtige Bewegung, die den Fotoapparat zum Pinsel macht, zur Lupe, zur Beweisführung. Es geht ihm um den (fast) perfekten Augenblick, den das Leben immer wieder schreibt. Was Koch festhält, hat er vorher gründlich überlegt. Der Zufall bleibt dennoch sein Begleiter, das Quäntchen Glück, das seiner Vorahnung im Idealfall Recht gibt, denn die Geschehnisse sind nicht vollständig planbar. Er inszeniert nicht, sondern nutzt das reale Leben, dessen Motive „randomisierte“ Elemente seiner Komposition werden. Er sucht und findet Kulissen und fängt ihre Qualitäten und die darin stattfindenden Handlungen ein. Im echten, ungeschönten Leben. Geduld und Beharrlichkeit sind seine Schlüssel. Originelle Realitäten das Ergebnis. Auf die elaborierte, adäquate Bildkomposition legt er dabei großen Wert. Koch beherrscht den Goldenen Schnitt & Co. Nutzt geschult die fotografischen Stilmittel in all ihren Facetten, schafft mit jeder Aufnahme ein überlegtes Zusammenführen von Ort und Zeit, von räumlicher Darstellung und dem besonderen Moment.
Seine Neugier auf das Leben und seine Besonderheiten legt er über das Foto. Macht es zum „Still“ seines autobiographischen, erdachten Dokumentarfilms, zum Zeugen des Besonderen im Alltäglichen. Das Nachbearbeiten hat daher wenig Bedeutung. Der Eingriff bleibt meist verhalten. Koch kommt vom Analogen und das macht ihn trotz digitaler Kamera aus. Die Qualität liegt im Prozess, in der fotografischen Technik, im gelungenen Moment, in der Entdeckung und im Hand-Werk. Sein dokumentarischer Anspruch erlaubt keine Schönfärbung a posteriori. Nichts ist erfunden – alles „gefunden“ und live erlebt und eingefangen.
Manche Themen lassen Manfred Koch nicht wieder los: Zeichen an der Wand – der Schriftzug als Blickfang, Übergangenes – das anthropomorphe Leben der Pariser Zebrastreifen, Meerhimmelland – von uferloser Rahmensetzung der Meerlandschaft. Und manche Orte sind Heimat seiner Themen geworden: St. Peter Ording zum Beispiel und immer wieder Paris mit all ihren Geschichten, mit ihrer künstlerischen Historie, ihrem besonderen Ductus, ihrem Licht, ihrem echten Leben:
Meerhimmelland
Wie schrieb schon Thomas Mann über die Lübecker Bucht?: „Das Meer ist keine Landschaft, es ist das Erlebnis der Ewigkeit.“ Ähnliches muss Koch erfahren haben, an diesem, seinem Lieblingsstrand in St. Peter Ording. Mit horizontal bewegter Kamera hält er sie fest, die filmischen Landschaften, die durch lange Belichtungszeiten in Unschärfe verschmelzen. Zwischen Meer und Himmel zeichnet er den Horizont, einer Linie gleich, akkurat zentriert, die beides versöhnlich verbindet und den Fotografien ihre gewichtige Mitte verleiht. Hier mehr, da weniger. Unschärfe als Stilmittel. Erzeugt durch die Bewegung der Kamera und die Bewegung des Meeres. Der Fotoapparat und seine „Pinselführung“. Das Experiment wird zur Tugend.
Written on the walls
Gleich zweimal schafft Koch inhaltliche Bezüge zu seiner Fotografie-Serie zu Texten auf Wänden. Den alten biblischen Text im Buch Daniel, die Geschichte des babylonischen Königs Belsazar, dem eine geisterhafte Schrift an der Wand, das Menetekel, Unheil verkündet. Und die Zeile „The words of the prophets are written on the subway walls” aus dem Popsong “The Sound of Silence” von Simon & Garfunkel. Folgerichtig sind es Zeichen und Texte auf Wänden, die der Fotograf aufspürt. In denen er Botschaften sucht und zahlreich findet,
manche mit doppeltem Boden und dreifachen Bezug. Die semantische Relevanz von Zeichnungen oder Farben, so Koch, sei ihm ebenso wichtig wie das geschriebene Wort. Der hermeneutische Kontext ist mehr als willkommen. Formuliert ihm seine Erzählungen zu einzelnen Fotografien. Unschwer erkennbar liegt in der erschöpfenden Erforschung des Aufgefundenen seine größte Leidenschaft, erzählt er die Geschichten gerne ganz und ausführlich, statt nur einzelne Bilder zu liefern. Auch wenn sie noch so für sich sprechen.
Übergangenes
Auf die Idee, die Zebrastreifen der französischen Hauptstadt in Serie zu fotografieren, muss man erst einmal kommen. Seit 1995 begeistern Koch die anthropomorphen Erscheinungen im Übergangenen, für das symbolisch der Fußgängerüberweg in den Fokus gerät. Natürlich werden darin die Pariser Umtriebigkeit und Frequenz deutlich. Doch Koch geht es um Details. Darum, in Zebrastreifen so zu lesen, wie andere in Wolken. Jede Form eine andere Figur. Pareidolie mal anders. Die eigenen Assoziationen zulassen. Aufzuzeigen, was ein Ausschnitt aus dem Ganzen mit der Wahrnehmung macht, wie sich Figürliches und Abstraktes verändern und abwechseln, wenn die Rahmensetzung schweift. Übergangen ist folglich nicht nur der Zebrastreifen als solcher, sondern allzu oft die Wahrnehmung seiner ästhetischen Qualitäten. Koch spricht von der Entdeckung der Schönheit im Banalen oder gar im vermeintlich Hässlichen der Großstadt. Zwangsläufig verfestigt er diese Dichotomie mit jeder seiner Aufnahme. Der intelligente Ausschnitt und die Verfeinerung der Kontraste unterstreichen dies.
Wasserfarben | Wasserzeichen
In den neuesten Arbeiten liefert Koch mit den Spiegelungen in Wasseroberflächen von Flüssen und Seen impressionistische Farbspiele aber auch sehr reduzierte, grafische Bilder von der Botanik des Seeufers. Es geht um Licht. Auch. Um Reflexion, Farbspiel und Formgebung. Um abstrakte Landschaften, die im Spiel von Natur und Linse sichtbar werden. Einmal mehr geht es Koch darum hinter die Kulissen der Wahrnehmung zu fühlen, der Realität neue Strukturen abzuverlangen. Mit beinahe synästhetischem Effekt.
In zahlreichen Ausstellungen waren seine Fotografien bereits zu sehen, u.a. in Paris, Graz, Frankfurt, Nizza, Bonn, Bremen oder Stuttgart. Zuletzt beim Internationalen Festival Fotografischer Bilder in Regensburg. Aktuell im Bonifatiushaus Fulda und ab 17. März bei einem Heimspiel in der Gruppenausstellung, zusammen mit Nicole Hülswitt, Christoph Klesse, Gudrun Schüler, Denis Delaunay und Laurent Perraut, auf der Giechburg in Scheßlitz.