Die letzten 12 Jahre lang hat Andreas Radlmaier die Arbeit im Projektbüro Kultur der Stadt Nürnberg maßgeblich geprägt. Aber auch schon davor war er, als verantwortlicher Kulturredakteur der Nürnberger Abendzeitung, bestens mit den kulturpolitischen Gegebenheiten der mittelfränkischen Großstadt vertraut.
1999 gründete er mit dem KulturPalast Anwanden ein Festival, das mittlerweile in ganz Bayern bekannt ist und 2003 wurde er für seine Berichterstattung mit dem Kulturpreis der Stadt Nürnberg für Kulturjournalismus ausgezeichnet.
Ende 2022 wurde Andreas Radlmaier in den Ruhestand verabschiedet, gerade zu einer Zeit, in der die Sparvorschläge des städtischen Kämmerers für den städtischen Haushalt 2023 insbesondere im Kulturbereich hohe Wellen schlugen. Einen schlechteren Zeitpunkt kann es nicht geben, könnte man meinen. Warum Andreas Radlmaier trotzdem mit sich im Reinen ist, das wollten wir in einem persönlichen Gespräch erfahren.
Ich stand bis Mitte Dezember noch auf der Gehaltsliste der Stadt Nürnberg. Zwar bin ich schon Ende August aus dem Büro ausgezogen, aber dann gab es noch einen turbulenten Herbst mit vielen Sparvorschlägen für den neuen Haushalt, die in Richtung Kultur gingen und dadurch gab es doch noch einiges zu tun. Aktuell ist das Büro ja offiziell noch ohne Leitung und insofern war ich noch ein wenig involviert, beispielsweise um Sponsorengespräche für unsere Großveranstaltungen zu führen oder auch um an Jurysitzungen teilzunehmen.
Das „aktiv aus dem Büro ausscheiden“ bezog sich darauf, dass ich 2022 wenigstens noch eine reguläre Saison (nach den zwei schwierigen Pandemiejahren) mit meinem Team zu Ende bringen wollte. Wäre ich früher gegangen, was ich auch schon mal überlegt hatte, hätte ich das Gefühl gehabt, meine Kolleg:innen im Stich zu lassen. Durch die Veranstaltungen, die wir ja zum Wohle Nürnbergs und zur Freude seiner Bürger:innen machen, gibt es bei mir einen hohen Identifikationsgrad mit der Arbeit und den handelnden Personen. Ich stehe immer noch bei Fragen zur Verfügung und helfe gerne und genau das ist mit „aktiv aus dem Büro ausscheiden“ gemeint.
Im Prinzip fühlt sich der Ruhestand wunderbar an, viele der Sachen, die man im Büroalltag erledigen muss und die jetzt nicht der Quell der reinsten Freude sind, sind nicht mehr da und man hat Zeit sich auf die Sachen zu konzentrieren, die einem wirkliche Freude bereiten. Das menschliche Miteinander geht einem schon ab, zumal wir im Projektbüro ja ein relativ kleines Team (inkl. Leitung neun Personen) waren und gemessen an dieser Größe haben wir wirklich große Festivals bzw. Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Das Projektbüro mobilisiert jährlich mit dem von ihm organisierten Veranstaltungen wie Blaue Nacht, Klassik Open Air, Bardentreffen, Stars im Luitpoldhain, Stadtverführungen usw. mehr Menschen, als Nürnberger Einwohnende hat, in guten Jahren waren das fast 600.000 Menschen. So ein Erfolg schweißt natürlich zusammen und das vermisst man schon. Aber wenn ich mir die Frage nach der möglichen Alternative stelle, macht es mir den Abschied dann doch schon leichter.
Nein, mein Abschied ist selbstgewählt, ich hatte um Auflösung meines bestehenden Vertrags gebeten, obwohl ich noch einige Zeit hätte weiterarbeiten können. Aber für mich persönlich schien der Zeitpunkt zu gehen jetzt richtig.
Das Saisonarbeiter bezog sich wohl eher auf die Wahrnehmung der Menschen. Mit der „Blauen Nacht“ starten wir praktisch die Saison im Frühjahr, um nach den „Stadtverführungen“ im September, sofern nicht noch das „Silvestival“ kommt, die Saison zu beschließen. Aber bei unserem vermeintlichen Winterschlaf handelt es sich schlicht um einen Wahrnehmungsirrtum. Für uns gilt, wie für viele Veranstalter auch, „nach dem Festival ist vor dem Festival“, das heißt wir gehen dann nahtlos in die Neuorientierung, Vorbereitung, Akquise von Künstlern und Sponsoren über, damit wir im darauffolgenden Jahr eine Neuauflage unserer Veranstaltungen präsentieren können.
Das kommt ein wenig auf den Erscheinungstermin Ihrer Zeitung an. Ich hoffe doch, dass in Kürze ein(e) Nachfolger:in feststeht. Die Vorgehensweise ist für eine öffentliche Verwaltung schon üblich. Für die einzelnen Abteilungen wäre ein geschmeidiger Übergang vielleicht besser, aber es ist üblich. Außerdem sind die Sparmaßnahmen der Finanzverwaltung in Nürnberg ja bekannt und auch durch eine spätere Besetzung offener Stellen lässt sich zusätzlich Geld einsparen.
Stolz ist ein Begriff, mit dem ich wenig anfangen kann, zumal ich aus einer Generation stamme, in der der Begriff Stolz sicher noch anders konnotiert war. Insofern Stolz nein, aber es war schon beglückend zu erleben, wie sich eine Stadt wie Nürnberg bei bestimmten Veranstaltungen verändern und fast schon einen anderen Charakter annehmen kann. Insbesondere bei den Veranstaltungen, die im Altstadtkern stattfanden, konnte und kann man diese Veränderungen sehr gut wahrnehmen. Die Macht der Kultur, die eine Stadt in einen anderen Zustand versetzt, das zu erleben ist etwas Wunderbares. Das gilt übrigens auch schon für die Zeit vor meiner Tätigkeit als Leiter des Projektbüros, diese Faszination habe ich auch schon als Journalist verspürt. Was macht Kultur oder auch Musik mit Menschen. Die Sorgen der Menschen, die es ja eigentlich immer gibt, in den Hintergrund treten zu lassen, das ist eine der großen Stärken des Genres.
Ich glaube, dass viele der Veranstaltungen, die wir machen durften, die Stadt prägen. Aber es macht nur Sinn, wenn die Kolleg:innen in den anderen Häusern die Programmatik mit ihren Veranstaltungen ergänzen, sonst wäre das Ganze sozusagen ein Sahnehäubchen ohne Kuchen.
Ich glaube schon, dass die Veranstaltungen für den Jahresrhythmus der Nürnberger Menschen wichtig sind, vor allem in Krisenzeiten. Ein gutes Beispiel ist das „Bardentreffen“. In einer Zeit, in der der Musikgeschmack hauptsächlich von internationalen Großkonzernen geprägt wird, können Menschen hier Musik hören, die eigentlich zur Entdeckung freigegeben werden muss und dass wir es immer wieder schaffen, die Neugier der Menschen zu entfachen, das ist erstaunlich und toll. Natürlich spielt es auch eine Rolle, dass unsere Veranstaltungen kostenfrei zu besuchen sind. Ulrich Maly, der ehemalige Oberbürgermeister hat das Bardentreffen einmal als „Vollversammlung der Stadtgesellschaft“ bezeichnet und damit hat er es ziemlich treffend beschrieben. Unsere Großveranstaltungen sind ein Pfund für Nürnberg, mit dem hoffentlich auch in Zukunft weiter gewuchert wird.
Das ist sicherlich diskussions-, vielleicht auch fragwürdig, aber man muss sich irgendwann entscheiden, ob man den niedrigschwelligen Zugang zur Kultur anbietet, oder eben nicht. Etwa 10 Prozent der Bevölkerung interessieren sich wirklich für das Thema Kultur. Wenn man Kultur bei großen Bevölkerungsteilen dauerhaft etablieren möchte, müssen wir es auch wagen, diesen Menschen den ganzen Reichtum verschiedener Kultursparten anzubieten und da ist natürlich der „Eintritt-frei-Gedanke“ der erste Appetithappen. Daneben rufen wir ja alle Gäste zu Spenden auf. Sprich: Sympathien sollen der Refinanzierung dienen.
Ich hatte befürchtet, dass Sie mich das fragen würden. Das ist schwer, weil diese Projekte unterschiedliche Stärken und Schwächen haben. Stark ist bei allen unseren Veranstaltungen der Vernetzungsgedanke, also das Anbinden von Menschen in einer multidiversen Umgebung.
Aber auch der Vernetzungsgedanke innerhalb der Kulturschaffenden ist ein wichtiger Bestandteil. Die „Blaue Nacht“ ist letztlich der Schulterschluss einer Kulturszene. Da nehmen in der Regel 50 bis 60 unterschiedlichste Kultureinrichtungen teil, von ganz groß bis ganz klein, vom Club bis zum Staatstheater, die auch in ihrem Bestand völlig unterschiedlich sind. Die einen privatwirtschaftlich finanziert, die anderen massiv kommunal oder staatlich gefördert. Den Menschen diesen Reichtum vor Augen zu führen, ist auch eine der ganz großen Qualitäten unserer Veranstaltungen.
Bei einer Veranstaltung wie „Stars im Luitpoldhain“ ist es zum Beispiel die antike Vorstellung von Einheit von Zeit, Ort und Handlung. Diese Art der Festlichkeit funktioniert deshalb so gut, weil sie den Menschen in unserer fragmentierten Welt die Chance gibt, den Überblick zu behalten. Aber ein von mir ersonnenes Projekt ist mir nachhaltig in Erinnerung: der „Boulevard Babel“, 2018 im Vorfeld der Kulturhauptstadtbewerbung. Da haben wir eine baumlose, seelenlose, vierspurige Straße in Nürnbergs Südstadt vom Netz genommen, Straßenbahn-Linien umgeleitet, die Fahrbahn mit Rollrasen und Bäumen begrünt, die Straße als Begegnungsort genutzt, gekocht, diskutiert und in den Läden und Häusern dahinter Theater gemacht, Lesungen, Crash-Sprachkurse und vieles mehr. Das Konzept hat also vieles aufgegriffen an Themen, was sich gerade massiv in den Vordergrund drängt: Klimaschutz, Mobilität, Miteinander, Kultur als Türöffner, Einbindung einer migrantischen Gesellschaft.
Nein, eigentlich nicht. Wir mussten im April 2020, beim ersten Lockdown, die für Anfang Mai geplante Blaue Nacht absagen. Aber wir haben auch sofort begonnen, in Alternativen zu denken und wir haben etliche Sonderformate und Reihen aufgelegt. Haben mitten im Lockdown in Hinterhöfen Konzerte organisiert, mit einem Minimalpublikum, das teilweise auch nur auf den Balkonen stand. Ca. 70 bis 80 Konzerte mit Nürnberger und regionalen Künstler:innen haben wir organisiert, auch um zu zeigen, dass wir unser Publikum nicht vergessen. Anders als bei Corona-Angeboten wie „Kultur vor dem Fenster“ war mir besonders wichtig, dass immer erst die Gage für die Künstler:innen gesetzt war, denn das war ja in dieser Zeit auch immens wichtig. Ebenso wie die dadurch gebotene Plattform nach außen. Es folgten experimentelle Projekte wie der „Kunst-Anschlag“, die Seebühne am Dutzendteich, die Kunst-Parcours „Lost & Found“, die Reihe „Muse im Museum“ mit 20 Nürnberger Museen oder auch das Rauhnächte-Festival. Das alles haben wir im Mai 2020 begonnen und dabei die Chance genutzt, bei allem Verdruss, den diese Zeit mit sich gebracht hat, experimentelle Formate zu entwickeln, zu denen man sonst nie die Möglichkeit hat. Weil sich in normalen Zeiten die Gelder einfach nicht umschichten lassen, weil man das Bestehende fortführen muss, zusätzliche Gelder nicht zur Verfügung stehen und ein bisschen die Sorge besteht, dass eine Veranstaltung nicht so funktionieren könnte wie man sich das wünscht. Die Erfahrung zeigt, dass Festivals etwa zehn Jahre brauchen, um im Bewusstsein der Konsumenten anzukommen. Insofern scheut man sich immer ein wenig davor, Testballons aufsteigen zu lassen, weil man eben nicht weiß, ob es funktioniert.
Unsere experimentellen Dinge haben eigentlich alle funktioniert und einige hätte man sicher fortführen können. In Variation führen die Kolleg:innen eine Idee weiter, die wir schon im Jahr 2022 hatten. Neben der kulturellen Grundversorgung der breiten Bevölkerung, ist eine der wichtigen Aufgaben des Projektbüros, mit den kulturellen Mitteln Stadtentwicklung zu betreiben. Das heißt Orte aufzusuchen, die kulturell nicht besetzt und vielleicht auch problematisch sind und dort zu schauen, was an diesen Orten passiert, wenn man sie mit Kultur erfüllt. Vor diesem Hintergrund habe ich mich dafür stark gemacht, den Kunst-Parcours „Lost and Found“ in einem Teil des Nürnberger Burggrabens zu machen. Unser „Mauerblümchen-Festival“, finanziert mit Landesmitteln, will im September 2023 den Graben zwischen Hauptbahnhof und Opernhaus interdisziplinär bespielen, ohne den soziokulturellen Gedanken zu stark zu betonen.
Ja, diesen Gedanken hatte ich 2020 / 2021 schon, weil auch erkennbar war, dass die politische Praxis nach dem Lockdown keine andere wurde. Die Maßnahmen der Politik waren aus Sicht eines Kulturschaffenden enttäuschend und frustrierend. Mir war aber auch klar, dass wir unbedingt ins Reguläre zurückfinden müssen. Deshalb habe ich meinen Kollegen im November 2021, kurz vor der vierten Pandemiewelle, gesagt, dass wir 2022 eine reguläre Saison machen werden, obwohl uns allen nicht klar war, ob und wie es funktionieren kann. Bei der Blauen Nacht 2022 wussten wir vier Wochen vorher noch nicht wirklich, wie wir das anbieten können. Da sprach man noch von Obergrenzen, bei Indoor-Veranstaltungen wurde noch über Maximalkapazitäten nachgedacht. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass es bei so einer komplexen Veranstaltung wie der Blauen Nacht, bei der das Wandern von Haus zu Haus quasi zum Programm gehört und die Häuser aber gleichzeitig so unterschiedlich sind, eine Menge zu diskutieren gab.
Ich denke schon, dass es das aus kommunaler Sicht gab. Beim Klassik Open Air 2021 habe ich das selbst erlebt. Hier war die Kommune bis hoch zur Stadtspitze der Meinung, dass man dieses Open Air durchführen kann, wo dann aber seitens der Staatskanzlei ein Veto eingelegt wurde. Was genau hinter den Kulissen besprochen wurde, weiß ich nicht, aber letztlich mussten wir das Festival absagen. Insofern reichte der Nürnberger Einfluss wohl nicht aus.
Um diese Frage zu beantworten muss man noch ein wenig Geduld aufbringen und das Jahr 2023 vielleicht noch vorbeigehen lassen. Was die Veranstaltungen des Projektbüros angeht, so hatten wir 2022, trotz schwieriger Vorplanungen, ein unfassbar erfolgreiches Jahr. Wir hatten so viele Gäste wie in Vor-Corona-Zeiten. Das lässt sich aber erklären. Eintritt frei, unter freiem Himmel und damit verbunden kein Ticketzwang mit der Möglichkeit einer späten Absage, kein Testzwang dessen Ergebnis mich dann zwingt der Veranstaltung fernzubleiben. Unsere Veranstaltungen sind da sicher nicht das Maß aller Dinge, aber ich glaube schon, dass es für die derzeitigen Entwicklungen verschiedene Ursachen gibt. 2022 war eine Übergangssaison, in der zum Beispiel alte Ticketbestände abgearbeitet wurden. Und wenn man den Menschen zwei Jahre lang erklärt, dass Theater oder Konzertsäle und -hallen hochkontaminierte Räume sind, in denen man sich anstecken kann, dann wirkt das sicher noch nach. Angst vor Ansteckung, Abarbeitung der Tickethalde und eine Änderung im Nutzerverhalten, das sind wohl die Dinge, die die Saison 2022 beeinflusst haben. Interessant wird beispielsweise auch sein, wie sich das auf die Lichtspielhäuser auswirken wird.
Es scheint wohl der natürliche Reflex eines deutschen Kämmerers zu sein, bei der Kultur einsparen zu wollen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir, wenn es uns nicht gelingt, den Bereich Kultur aus dem Sektor „freiwillige Leistung“ herauszubringen und in eine wie auch immer geartete Form von Pflichtaufgabe umzuwandeln, damit leben müssen, dass es für alle Kämmerer dieses Landes das naheliegendste sein wird, auf freiwillige Dinge zu verzichten, um Einsparpotentiale zu realisieren. Interessant ist, dass um einen Bereich sehr intensiv gerungen wird, der im Gesamtetat eigentlich nur vier bis fünf Prozent ausmacht. Das bedeutet, dass zum Beispiel bei der Blauen Nacht, die den städtischen Etat mit 90.000 Euro „belastet“, um Einsparungen gerungen wird, ohne dass die Anzahl der Menschen, die zu diesem Termin nach Nürnberg kommen und konsumieren oder auch übernachten und damit Geld in der Stadt lassen, gegengerechnet wird. Leider investieren wir nicht in die Krise hinein, was sicherlich sinnvoller wäre. Die Diskussion über die Reduzierung der Großveranstaltungen kam leider erst nach meinem Abschied auf, so dass ich keinen aktiven Einfluss mehr nehmen konnte.
Das ist eine Frage, die bis weit ins politische Verständnis unseres Landes hineinreicht. Meiner Meinung nach gibt es verschiedene kulturelle Aufgaben. Eine privatwirtschaftliche, die sich natürlich irgendwo rechnen muss und eine staatliche Kulturaufgabe deren Ziel es sein muss, das Kulturbewusstsein der Menschen zu stärken. Innerhalb dieser staatlichen Kulturaufgabe kann und soll man sich nach Möglichkeit natürlich mehr trauen und man sollte dabei die Entwicklung von Kultursparten massiv begleiten.
Falls wir uns auf einem Weg befinden auf dem Kulturangebote, egal ob privatwirtschaftliche oder staatliche, nur noch unter betriebswirtschaftlichen Aspekten betrachtet werden, dann glaube ich, dass dies einer radikalen Vermarktung aller Branchen vehement Vorschub leistet. Und dieser Effekt wurde durch die Pandemie auch noch verstärkt. Als Beispiel mag der internationale Popmarkt dienen, bei dem sich mittlerweile drei Großkonzerne den Markt fast vollständig gesichert haben.
Es gibt ja eine Arbeitsgemeinschaft für kulturelle Zusammenarbeit der vier Städte im Großraum, Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach. Die gibt es seit 40 Jahren. Hier hat man bis vor 10 Jahren versucht, diese Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Großveranstaltung aufscheinen zu lassen, wie zum Beispiel „Moving Cultures“ bei der es darum ging, die Bereicherung der Kulturlandschaft der Region durch den Zuzug neuer Bürger aus anderen Ländern und Kulturen in den Vordergrund zu stellen.
Zu Beginn der Kulturhauptstadtbewerbung haben wir mit vielen Kolleg:innen aus Nordbayern diese Möglichkeiten der engeren Zusammenarbeit in Gesprächen vorangetrieben und gerade, was diesen Flickenteppich Nordbayern angeht, ist es wünschenswert, ein wenig dieses „Kirchturm-Denken“ beiseitezuschieben und pragmatische Ansätze zu suchen. Aber solange sich die Ressourcenfrage, egal ob finanziell oder personell, nicht massiv verbessert, wird sich da wenig bewegen. Denn diese zusätzlichen Aufgaben sind, wie sinnstiftend sie auch sein mögen, zeit- und geldfordernd und müssten eben noch neben den bisherigen Aufgaben wahrgenommen werden. Aber im Kern wäre der Verbund sicherlich sinnvoll, weil Nordbayern eine immens reiche Kulturlandschaft mit verschiedensten Schwerpunkten und Stärken hat. Und diese gemeinsam zu präsentieren, in welcher Form auch immer, kann nur sinnvoll sein.
Ich wäre gerne intensiver der Frage nachgegangen, warum gerade Nürnberg im Bereich der Literatur Defizite hat, sowohl was Produktion als auch „Zulieferung“ angeht. Warum gibt es hier relativ wenig Verlage, das Netzwerk ist sicherlich ausbaufähig. Und warum kommen aus dieser Gegend hier weniger national renommierte Autor:innen und kann man da Abhilfe schaffen. Dieses Thema in den Blickpunkt zu stellen, hätte mich sehr gereizt. Wir haben 2014 mit der „Criminale Nürnberg/Fürth“ versucht herauszufinden, wie die Menschen auf verschiedene Formen der Literatur reagieren. Das Festival war damals ein großer Erfolg und daran hätte ich gerne angedockt. Das scheiterte aber sowohl an den personellen wie auch den finanziellen Ressourcen.
Ob ich etwas hätte sein lassen sollen, müssen sicherlich andere beurteilen. Das „Silvestival“ wurde beispielsweise von der Kämmerei sehr kritisch betrachtet, weil dadurch Mittel aus dem Haushalt gebunden wurden. Allerdings waren die Gastronomie und die nordbayerischen Künstler äußerst begeistert und hätten am liebsten eine jährliche Wiederholung.
Ich befürchte nein. Nach fast fünf Jahrzehnten in der Kultur waren die Rahmenbedingungen eigentlich immer gleich gut oder gleich schlecht. Der Ruf nach finanzieller Besserstellung hallt schon lange durch die Kulturlandschaft. Aber anderen Bereichen geht es sicherlich ähnlich. Mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine ist es schon bemerkenswert, dass ein Wehretat um 100 Mrd. Euro angehoben wird, wobei ich die Sinnhaftigkeit hier gar nicht anzweifeln möchte. Hätte ein(e) deutsche(r) Bildungsministerin vor Jahren 100 Mrd. Euro zur Ertüchtigung des deutschen Schul- und Bildungssystems gefordert, ich nehme an, dieser Beschluss wäre nicht gefasst worden.
Momentan habe ich keine großen Pläne. Ich habe einige Angebote mich weiter zu betätigen und das werde ich sicher auch tun. Meine Arbeit in Stiftungen und Beiräten fortführen. Ziel ist es aber auch im nächsten halben Jahr den Kopf so freizubekommen, um sich nochmal völlig neuen Dingen zuwenden zu können. Für die „Restlaufzeit“ sozusagen.