Bei der Suche nach dem Regensburger Kunstverein stellt sich schnell heraus, dass sich in der Donaumetropole, neben dem altehrwürdigen Kunst- und Gewerbeverein, gegründet 1838, in den 80ern eine zweite Vereinigung etabliert hat, die als Neuer Kunstverein Regensburg e.V. ähnliche Ziele verfolgt. Was es mit dem „Nebenbuhler“ auf sich hat und wie die Vereine heute zueinanderstehen, erfährt art5drei im Interview mit der Vorsitzenden.
Der Verein, gegründet im Herbst 1987, ist, was namentlich schon in ihm steckt, entstanden in direkter Abgrenzung zum alteingesessenen, historischen Kunst- und Gewerbeverein Regensburg. Als neuer, zunächst gegenpoliger Kunstverein entstanden, suchte er sich sein Aktionsfeld außerhalb der ausgetretenen Pfade des Vorläufers und stellt sich gegen die damaligen Ausgrenzungen. Die anfänglichen Meinungsverschiedenheiten jedoch seien Geschichte und inzwischen lebten die beiden Vereine in friedlicher Koexistenz und mit partieller Kooperationsbereitschaft. Manche ihrer Mitglieder seien in beiden Vereinen aktiv, so die Vorsitzende. Und auch wenn der Neue Kunstverein räumlich hinter der Ausstattung seines Vorgängers zurückbleibt, trägt er mit seinen Ausstellungspositionen zur Präsenz der Gegenwartskunst namhaft bei.
Der Verein versteht sich seither als öffentliches Forum zur Vermittlung aktueller Kunst- und Kulturentwicklungen. Er gründet auf einen weit gefassten Kulturbegriff und versteht sich im Gegensatz zum häufigen Klischee des elitären Kunstbetriebs als sehr offener Verein für jedermann. Neben regionalen Entwicklungen legt er sein Augenmerk auch auf Tendenzen der überregionalen Kultur. Der Konflikt, den künstlerische Positionen auslösen, sieht er als Stärke und befördert den dazu gehörigen öffentlichen Diskurs gerne. Neben der schwerpunktmäßigen Beschäftigung mit bildender Kunst sind daher auch Bereiche wie Architektur, Stadtplanung, Design, Rauminszenierung, Grafik oder Bildhauerei abwechselnd Gegenstand seiner Aktivitäten. Historische Ansätze sollen bei allen Aktivitäten nicht ausgespart werden, da insbesondere eine vertiefte Kenntnis der Geschichte den Blick für die Phänomene der Gegenwart schärft. Hauptsächlich bringen die Vereinsaktivitäten neue Strömungen in der zeitgenössischen Kunst nach Regensburg. Doch auch an der allgemeinen (kultur-)politischen Debatte beteiligen wir uns gerne. Zuletzt beispielsweise innerhalb der Diskussion um das sündteure Klohäuschen am Schwanenplatz, in unmittelbarer Nähe zu unserem Ausstellungsraum. Oder mit der Veröffentlichung einer Schriftenreihe unter anderem zur Nazi-Architektur in Regensburg. Diese Broschüren entstanden Anfang der 90er. (Vgl. 3. Band: „Messerschmittwerke“ Bilder vom Aufbau eines Rüstungsbetriebs 1936/47)
Der Verein war bis 2014 in Königwiesen, wo die Hochhäuser sind. In einem 60er Jahre Bau der Baugenossenschaft „Neue Heimat“. Hochhaus, kein Briefkasten, kein Wasseranschluss und Vernissagen beim Edel-Döner! In einem Teil der Sparkasse im ehemaligen Einkaufszentrum, das jetzt abgerissen wurde. Das war toll, weil man draußen war, in einem internationalen Umfeld mit vielen Sprachen, Studenten und Soundcollagen. Heute sind wir in unserem neuen, aktuellen Domizil, Schwanenplatz 4. Halb so groß, doppelt so teuer, dafür zentraler. Ein Gymnasium in der Nähe, die besuchen uns regelmäßig. Nun sind wir eingebettet zwischen Historischem Museum, Jazzclub Leerer Beutel und städtischer Galerie. Und pflegen wieder ein sehr nachbarschaftliches Verhältnis. Natürlich auch mit dem Wirtshaus.
Nachdem die Vorstandschaft, die vorwiegend aus Künstler:innen besteht, gleichzeitig als Jury für die Ausstellungen fungiert, findet sich deren Kunstauffassung 1:1 in den Aktivitäten wieder. Gleichzeitig hinterfragen wir diesen kuratorischen Beitrag aktiv in Künstlergesprächen und Diskussionsveranstaltungen, die die Ausstellungen begleiten.
Uns interessieren vor allem jüngere Positionen der Gegenwartskunst und der allgemeine kulturpolitische Diskurs. Die kompakte Größe von Verein und Ausstattung verleihen ihm eine große Flexibilität, die im Kunstkontext der Stadt beflügelnd sein kann und Lösungen anbietet, die größere Institutionen nicht so umsetzen können. Dies schlägt sich in der Programmatik sichtbar nieder.
Begleitend zu den Ausstellungen gibt es Künstler:innen-Gespräche: Künstler:innen zum Anfassen. Möglichst schwellenfrei. Jeder darf fragen und mitdenken. Auch realisieren die Vereinsmitglieder - im Vorstand sind zwei Kunstpädagogen - immer wieder kulturelle Bildungsprojekte mit Schulen und versuchen die Schüler:innen für die Ausstellungen zu interessieren. Gemeinsame Fahrten zu Kunstausstellungen außerhalb (bspw. Documenta, Würth in Künzelsau) und Kunstsymposien runden diese Aktivitäten ab.
Der Verein hat aktuell 110 Mitglieder. Er ist zuletzt etwas gewachsen, was auf seine vermehrten Aktivitäten zurückzuführen ist. Wir haben eher nicht ganz junge Mitglieder. Junge Kreative ziehen es vielleicht vor, ihr eigenes Schaffen in den Vordergrund zu stellen und sind noch mit vielen eigenen Interessen beschäftigt? Gut ein Drittel der Mitglieder sind Kunstschaffende.
Das Team besteht aus der Vorsitzenden Renate Haimerl Brosch, dem zweiten Vorsitzenden Karl Rimbach-Zorzi, dem Schriftführer Dietmar Wild, dem Kassierer Erwin Bürk und den Beisitzern Peter Gigglberger, Wolfram Schmidt und Max Erl. Kassenprüfer ist Hans Brandl. Den Ehrenvorsitz hat Reiner R. Schmidt.
Im letzten Jahr hat der Verein sein 35-jähriges Jubiläum gefeiert. Alle zwei Jahre wählt er für den Schwanenplatz eine Skulptur aus. Im Jubiläumsjahr wurde der „Turm für Jan Palach“ des tschechischen Bildhauers Václav Fiala installiert. Ein anderer Höhepunkt, der sich spontan ergeben hatte, war das Konzert mit Henning Sedlmeir aus Berlin. Er hatte am Vortag einen Auftritt und unser Max aus dem Vorstand hat ihn im Anschluss in den Neuen Kunstverein geholt.
Dieses Jahr haben wir, zum kulturellen Jahresthema „Höhenflüge“ der Stadt Regensburg, vier Zeitfenster eingerichtet, in denen Künstler:innen des Vereins Projekte realisieren konnten.
So gab es die Ausstellung „Fotografische Höhenflüge“ mit Gertraud Wolf, Klaus Eifler, Wolfgang Puscher, Lilo Siegel und Johanna Neumann in unserem Kunstraum.
Auch die Walter-Boll-Ausstellung mit Vorträgen über Nazi-Architektur und Biographie stellt einen Höhepunkt der letzten Jahre dar. Die Kreativen des Vereins haben sonst nur die Möglichkeit in der Jahresausstellung mitzuwirken oder sich für einen Austausch mit anderen Kunstvereinen zu bewerben. Zuletzt mit dem KV Ebersberg. Darüber hinaus arbeiten wir mit dem KV Meißen und mit GKK Krefeld zusammen.