
Die Graphische Sammlung der Universität Erlangen gehört zu den größten ihrer Art weltweit. Einen seltenen Einblick in den Kunstschatz gewährt vom 24. März bis 24. Juni 2018 die Ausstellung „Zeichnen in Cranachs Werkstatt“ in der Fränkischen Galerie in Kronach. Gezeigt werden 85 kostbare Handzeichnungen aus der Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä. und seines Sohnes.
Die Geschichte ist geheimnisvoll und bietet mehr offene Fragen als Antworten. Sicher ist, dass die rund 2.000 Zeichnungen, die heute zum Bestand der Graphischen Sammlung der Universität Erlangen gehören, im Jahr 1805 aus der Ansbacher Schlossbibliothek nach Erlangen gelangten. Aus welchen Quellen der feinsinnige Ansbacher Markgraf Johann Friedrich seine Sammlung von kirchlicher und profaner Kunst speiste, ist bis heute nicht genau bekannt. Der Umfang dieser kunsthistorisch bedeutenden und zu den weltweit größten zählenden Sammlung von Handzeichnungen des 15. bis 17. Jahrhunderts lässt darauf schließen, dass ganze Werkstattnachlässe erworben wurden. Zum Bestand gehören Kupferstiche, Holzschnitte, Druckgraphiken und Handzeichnungen hauptsächlich deutscher Meister. Darunter finden sich weltberühmte Werke wie Dürers Selbstbildnis sowie 85 Zeichnungen aus der Werkstatt Lucas Cranach des Älteren und seines Sohnes – Meisterzeich-nungen sowie Arbeiten seiner Mitarbeiter und Schüler.
Präsentiert wird dieses umfassende Erlanger Konvolut von Handzeichnungen derzeit im Rahmen der Ausstellung „Zeichnen in Cranachs Werkstatt“ in der Fränkischen Galerie in Cranachs Geburtsstadt Kronach. Die Fränkische Galerie ist ein auf fränkische Kunst des Mittelalters und der Renaissance spezialisiertes Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums, München.
Die Ausstellung beleuchtet einen bislang wenig erforschten Aspekt des Schaffens Lucas Cranachs d. Ä. (geboren 1472 in Kronach, gestorben 1553 in Weimar): Sie lüftet das Erfolgsrezept des „Maler-Unternehmers“ und seiner Wittenberger Werkstatt. Eindrucksvoll belegen die Handzeichnungen das Geschick des Geschäftsmanns Lucas Cranach, Großaufträge durch perfekt organisiertes Projektmanagement abzuarbeiten. Anschaulich wird dies am Beispiel der Zeichnungen, die im Rahmen eines Auftrags für die Hallenser Stiftskirche entstanden sind. In nur fünf Jahren, zwischen 1520 und 1525, schuf die Cranach-Werkstatt die stattliche Menge von 142 Gemälden. Der Meister selbst erstellte für seine Auftraggeber sogenannte „Besteller-Zeichnungen“, die dann in aller Regel auch beim Kunden blieben. Diese konnten so die Pläne überdenken und nach eigenem Gusto verändern.
Angestellte der Werkstatt arbeiteten die Kundenwünsche in die Entwürfe ein und erstellten später Kopien. Der „Schnellmaler“, wie Cranach von Zeitgenossen bewundernd genannt wurde, betreute sein Projekt so lange, bis die Aufgabe künstlerisch und programmatisch umrissen war. Die endgültige Ausführung wurde dann bewährten Meisterschülern übertragen. Cranach selbst behielt die Oberaufsicht, war parallel dazu aber schon wieder mit der Planung neuer Aufträge beschäftigt. Die entstandenen Handzeichnungen wurden archiviert und dienten als Vorlagenvorrat, der immer wieder Verwendung fand. Auf Basis dieser Vorlagen war die Werkstatt in der Lage – nach einem kurzen „Briefing“ durch den Meister – Großaufträge weitgehend selbstständig zu erledigen.
Die Ausstellung unterstreicht einmal mehr: Der Unternehmer Cranach ist seiner Zeit weit voraus. Frühzeitig erkennt er die Vorzüge der Arbeitsteilung sowie des Gütesiegels für Qualität und wird so – bereits im 16. Jahrhundert – zu einem Pionier moderner Produktionsverfahren. Er setzt auf Diversifikation und etabliert in Wittenberg nicht nur seine Bildermanufaktur, sondern auch eine florierende Apotheke, über die er seine Farben und Malmittel bezieht. In seiner Werkstatt gehört Teamwork zum Arbeitsalltag. Kaum jemand ist wie er in der Lage, parallel gleich mehrere Großaufträge innerhalb kürzester Zeit zu erledigen. Aber er setzt auch auf Qualität und eigene Handschrift: Porträts werden bei Lucas Cranach dem Älteren zu Charakterstudien, seine Landschaftsmalerei gilt als richtungsweisend. Zielgruppengerecht beliefert er den Adel und den Klerus. In einer Zeit des religiösen Aufbruchs prägt er das katholische Bildprogramm und ist gleichzeitig Erfinder neuer protestantischer Themen. Er schafft unzählige fromme Altäre und Bilder – aber auch ebenso viele Darstellungen nackter Nymphen. Er wirft der Erotik das schützende Gewand der Mythologie über, macht dies zu seiner Spezialität und erobert damit einen festen Platz an der Spitze des Kunstmarktes.
Zum Konvolut der Cranach-Zeichnungen, die in Kronach zu sehen sind, gehören Blätter, die in den 1520er-Jahren mit dem Hallenser Großauftrag für Kardinal Albrecht geschaffen wurden. Zu sehen sind außerdem Porträtzeichnungen, die als Gemäldevorlagen dienten, Blätter, die von Lehrlingen zu Schulungszwecken gestaltet wurden sowie Zeichnungen, die in den 1550er-Jahren unter der Werkstattleitung von Lucas Cranach dem Jüngeren für den umfangreichen, 53 Gemälde umfassenden Auftrag für St. Marien in Dessau entstanden sind. Gezeigt werden Entwürfe zu Flügelaltären mit Passionsszenen und Heiligen, Zeichnungen einer Folge der Schmerzen und Freuden Mariä nach Albrecht Dürer und weitere Blätter, unter denen sich auch eines mit dem berühmten Schlangenwappen Cranachs befindet. Zu den Exponaten gehört außerdem die aus Meisterhand stammende Zeichnung „Musizierendes nacktes Paar“.
Die Zeichnungen präsentieren sich frisch restauriert und in einem hervorragenden Zustand. Aus konservatorischen Gründen werden sie nach der Ausstellung dennoch für lange Zeit nicht mehr zu sehen sein.
Fotocredits:
Cranach-Werkstatt, Lot und seine Töchter, Feder in schwarz, grau laviert, auf Bütten, Inv.-Nr.: B 1313, Foto © Erlangen, Graphische Sammlung der Universität
Hans Cranach, Brustbilder zweier Kinder, Farbige Kreiden, auf Bütten, Inv.-Nr.: B 1318, Foto © Erlangen, Graphische Sammlung der Universität