Dieter Thomas Kuhn ist eine der Konstanten der deutschen Musikgeschichte. Der Tübinger, als „Die singende Föhnwelle“ gefeiert, garantiert gute Laune, wenn er auf den Bühnen der Republik aufkreuzt. Warum er und seine Band „Kapelle“ keine neuen Tonträger mehr aufnehmen und warum sie trotzdem noch bester Stimmung Tourneen angehen, das verrät der 58-jährige Entertainer im Vorfeld des am 24. August im Rahmen des HUK Open Air-Sommer auf dem Coburger Schlossplatz anstehenden Gigs im Gespräch mit Art. 5|III.
Beides! Es scheint beides irgendwie zuzutreffen. Wir haben ja jahrelang auch die kleinen Bühnen gesehen und abgeklappert. Da haben wir natürlich auch in einer Frequenz gespielt, die wir heute gar nicht mehr leisten könnten. Deswegen haben wir natürlich auch Überlegungen anstellen müssen, wie wir das hinkriegen und schaffen mit den Kollegen. Somit spielen wir jetzt lieber etwas weniger und dafür etwas größer. Das macht uns genauso Spaß. Und was wir so im letzten Jahr gefühlt haben, macht es den Menschen genauso Spaß auf solche Konzerte zu kommen.
Doch, doch. Man hat seine alten Fans ja über die Jahre mitgenommen. Da kennen wir noch sehr, sehr viele Gesichter aus den ersten Reihen, die nach wie vor sehr gerne zu uns kommen. Das freut uns natürlich unglaublich. Wobei natürlich auch festzustellen ist, dass sich das ein Stück weit verjüngt hat.
Es scheint ja etwas dran zu sein.
Wir sind da eigentlich reingerutscht. Wir haben Rock- und Punkmusik gemacht. Ich hatte eine Soulband, davor eine echte Rockband mit eigenen Sachen. Mit einem Italiener hatten wir dann ein Projekt. Ich habe im Chor gesungen. Das hat uns unheimlich viel Spaß gemacht. Nach zwei Konzerten war aber Schluss mit ihm, weil wir uns mit dem Sänger dermaßen zerstritten hatten. Dann sagte mein heutiger Gitarrist Philipp, dass ich diese italienischen Dinger mal singen soll. Und ich habe gemerkt, dass ich das auf Deutsch aus der Hitparade kenne. Dann haben wir mit „Ein Bett im Kornfeld“ angefangen und haben uns schlappgelacht. Dann haben wir das nächste gespielt und gemerkt, dass wir da richtig Bock drauf haben. Wir haben uns ein Repertoire zusammengesucht und sind das erste Mal aufgetreten. Wir dachten, wir hätten genug Material und sind aufgetreten, haben gemerkt, dass die Leute geströmt kamen, als gäbe es kein Morgen mehr. Und haben sofort gespürt, dass wir da etwas bewegen. Wir waren jetzt nicht überheblich und dachten, dass das unsere Zukunft wird, aber wir dachten, dass wir das jetzt ein paar Mal machen, weil es lustig ist. Und schließlich haben wir gemerkt, dass es mehr als lustig ist. Es bewegt mehr, als wir uns erhofft haben. Und nach über 30 Jahren sind wir jetzt immer noch da.
Sie müssen das mal zurückrechnen. Als wir das vor 32 Jahren angefangen haben, war das von unserer Seite natürlich mit einer sehr großen Portion Ironie behaftet und sicherlich auch auf der Publikumsseite. Die haben das gefeiert. Menschen in meinem Alter, die mit Schlager nichts zu tun hatten, zumindest nicht leidenschaftlich, fanden unsere Interpretationen plötzlich geil. Wie wir es gespielt haben, die Aufmachung. Das ist etwas passiert. Natürlich hatten wir es immer mit dem ironischen Auge gesehen, aber nie verunglimpft, weil wir das schön spielen wollten. Ich bin ja Balladenfan. Ich wollte die schön spielen, wir wollten es aber auch überzeichnen – im positiven Sinne. Das haben wir getan. Nach so vielen Jahren ist das herübergerutscht in ein Massenphänomen. Da ist es dann schwierig zu sagen, dass die Ironie noch da ist. Es ist aber auf jeden Fall ein Schlagerkonzert der anderen Art, als man es sonst kennt aus der wirklichen Schlagerwelt. Und das haben wir, denke ich, auch beibehalten.
Das ist sicherlich so. Einen Anreiz für ein Album haben wir schon lange nicht mehr. Wir haben gemerkt, dass ein physisches Album nicht mehr lohnenswert ist. Wer kauft sich denn heute noch eine CD? Ich kenne verdammt wenig Leute! Ich selbst habe mir seit Jahren keine mehr gekauft. Ich nehme die Streamingdienste in Anspruch. Ich finde das vorhandene Angebot da wirklich gut. Wir haben gesagt, dass es vergeudete Liebesmühe wäre, sich um das Cover zu bemühen und was alles dazu gehört. Das haben wir jahrelang leidenschaftlich getan. Die Dankbarkeit dafür hält sich aber in Grenzen. Da nimmst du lieber ab und an einen Song auf und haust ihn auf YouTube raus. Für uns war das eh immer in weiter Ferne, eine CD kommerziell auszuwerten – das war am Anfang interessant, inzwischen gar nicht mehr. Natürlich haben wir immer etwas gemacht, weil immer ein Produkt da sein muss. Wir haben das Gefühl, dass wir das gar nicht mehr brauchen. Unsere Leidenschaft war aber von Anfang an der Liveauftritt.
Da würde ich mich an ein altes Schlagersternchen hängen, nämlich den Roland Kaiser. Der liegt auf unserer Wellenlänge. Inhaltlich auch. Den finde ich ganz cool!
Letztlich ist er ja eine alte Nummer, der schon immer freche und frivole Texte geschrieben hat, die damals schon nicht ganz jugendfrei waren. Heute würden wir diskutieren, ob das noch geht, was er da gerade singt. Aber er tut es und ich finde das gut! Da gehe ich mit ihm d’accord. Und er hat sich auch politisch klar positioniert und das finde ich eine ganz große Nummer! Das hat man ja auch in Dresden gesehen, als er in der Anfangszeit von Pegida ganz klar Position bezogen hat. Das finde ich echt schön.
(lacht) Das stimmt! Da kann ich mitreden. Ich habe mich mit ihm ja auch schon das ein oder andere Mal angelegt. Ich kenne ihn ja schon sehr lange, bevor er im Amt war. Da habe ich mir öfters herausgenommen, ihm zu sagen, was ich davon halte, was ihm da das ein oder andere Mal entglitten ist. Sachen, wo ich überhaupt nicht mit ihm d’accord gegangen bin. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, was er meint. Er hat aber oft nicht den richtigen Ton getroffen.
Das ist definitiv mein Naturell. Dafür hatte ich schon immer ein Faible. Das Gefühl, etwas tun zu müssen. Ich habe auch schon ganz früh meine ersten Kröten verdient. Als ich mein erstes Mofa hatte, hatte ich eine Bekannte, die im Altenheim gearbeitet hat. Früher hat man da nicht so genau darauf geachtet, wer als Hilfspersonal kommt. Ich wurde da quasi eingeschleust. Über ein Jahr lang habe ich dort alte Menschen geputzt, gepflegt und gewaschen. Da war ich 16. Ich hatte nie eine Scheu davor und fand es immer eine sehr sinnvolle Aufgabe. Dadurch, dass ich ältere Eltern hatte, hatte immer Verständnis für ältere Menschen. Das ist mir schon irgendwie in die Wiege reingelegt worden. Wahrscheinlich wäre ich heute noch immer in einer solchen Position, wäre ich nicht in das professionelle Musikbusiness reingerutscht.
Zumindest auf der Bühne kriege ich das zurück, im Altenheim ist das nicht immer so (lacht). Da bekommst du nicht immer ein direktes Feedback. Aber das stimmt schon, eine gewisse Dankbarkeit ist dort auch spürbar.
Wir versuchen natürlich so zu sein, wie wir sind. Das, was die Leute lieben. Und dass wir in unserem hohen Alter unsere Sexyness bewahrt haben. Logisch, oder?
Ich bringe noch etwas aus dem Bestand mit. Es wird hoffentlich nicht gerade in Coburg ausgehen.
Die Freude ist meinerseits!