Szene

Die singende Föhnwelle kommt am 24. August zum HUK Open Air-Sommer nach Coburg

Dieter Thomas Kuhn über alte Zeiten, neuen Schlager und Sexyness

veröffentlicht am 30.04.2024 | Lesezeit: ca. 9 Min. | von Andreas Bär

Dieter Thomas Kuhn kommt am 24. August im Rahmen des HUK Open Air-Sommers nach Coburg

Dieter Thomas Kuhn kommt am 24. August im Rahmen des HUK Open Air-Sommers nach Coburg, Foto © Martina Woerz

Dieter Thomas Kuhn ist eine der Konstanten der deutschen Musikgeschichte. Der Tübinger, als „Die singende Föhnwelle“ gefeiert, garantiert gute Laune, wenn er auf den Bühnen der Republik aufkreuzt. Warum er und seine Band „Kapelle“ keine neuen Tonträger mehr aufnehmen und warum sie trotzdem noch bester Stimmung Tourneen angehen, das verrät der 58-jährige Entertainer im Vorfeld des am 24. August im Rahmen des HUK Open Air-Sommer auf dem Coburger Schlossplatz anstehenden Gigs im Gespräch mit Art. 5|III.

Hallo Herr Kuhn! Nett, dass Sie sich die Zeit genommen haben für uns. Im Juli kommen Sie nach Coburg. Ich habe gerade noch ein bisschen in den jüngsten Setlisten ihrer Auftritte gestöbert. Was mir dabei aufgefallen ist: Sie spielen fast nur noch auf den großen Bühnen der Republik. Weil Sie es können oder weil Sie Bock darauf haben?

Beides! Es scheint beides irgendwie zuzutreffen. Wir haben ja jahrelang auch die kleinen Bühnen gesehen und abgeklappert. Da haben wir natürlich auch in einer Frequenz gespielt, die wir heute gar nicht mehr leisten könnten. Deswegen haben wir natürlich auch Überlegungen anstellen müssen, wie wir das hinkriegen und schaffen mit den Kollegen. Somit spielen wir jetzt lieber etwas weniger und dafür etwas größer. Das macht uns genauso Spaß. Und was wir so im letzten Jahr gefühlt haben, macht es den Menschen genauso Spaß auf solche Konzerte zu kommen.

Wie sieht es dann bei den großen Gigs dann aus? Ist die erste Reihe immer noch mit den Menschen besetzt, die ihr von den kleinen Hallen her kennt. Oder ist das dann eher unpersönlicher?

Doch, doch. Man hat seine alten Fans ja über die Jahre mitgenommen. Da kennen wir noch sehr, sehr viele Gesichter aus den ersten Reihen, die nach wie vor sehr gerne zu uns kommen. Das freut uns natürlich unglaublich. Wobei natürlich auch festzustellen ist, dass sich das ein Stück weit verjüngt hat.

Ich hatte mir vorhin erst den Spaß gemacht und gegoogelt, wer zu eurer Anfangszeit den deutschen Schlager geprägt hat. Und dann musste ich lesen, dass Dieter Thomas Kuhn – zumindest laut Wikipedia – zusammen mit Guildo Horn derjenige war, der dem deutschen Schlager zu neuer Popularität verholfen hat. In dem Fall wollte ich die Antwort eigentlich nicht lesen (beide lachen).

Es scheint ja etwas dran zu sein.

Wie kommt man als Mittdreißiger auf die absurde Idee, Schlagermusik zu machen?

Wir sind da eigentlich reingerutscht. Wir haben Rock- und Punkmusik gemacht. Ich hatte eine Soulband, davor eine echte Rockband mit eigenen Sachen. Mit einem Italiener hatten wir dann ein Projekt. Ich habe im Chor gesungen. Das hat uns unheimlich viel Spaß gemacht. Nach zwei Konzerten war aber Schluss mit ihm, weil wir uns mit dem Sänger dermaßen zerstritten hatten. Dann sagte mein heutiger Gitarrist Philipp, dass ich diese italienischen Dinger mal singen soll. Und ich habe gemerkt, dass ich das auf Deutsch aus der Hitparade kenne. Dann haben wir mit „Ein Bett im Kornfeld“ angefangen und haben uns schlappgelacht. Dann haben wir das nächste gespielt und gemerkt, dass wir da richtig Bock drauf haben. Wir haben uns ein Repertoire zusammengesucht und sind das erste Mal aufgetreten. Wir dachten, wir hätten genug Material und sind aufgetreten, haben gemerkt, dass die Leute geströmt kamen, als gäbe es kein Morgen mehr. Und haben sofort gespürt, dass wir da etwas bewegen. Wir waren jetzt nicht überheblich und dachten, dass das unsere Zukunft wird, aber wir dachten, dass wir das jetzt ein paar Mal machen, weil es lustig ist. Und schließlich haben wir gemerkt, dass es mehr als lustig ist. Es bewegt mehr, als wir uns erhofft haben. Und nach über 30 Jahren sind wir jetzt immer noch da.

Das ist ja auch so ein Kuriosum im deutschen Schlager. Viele Sachen aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren waren ja Importgeschichten. Bata Ilic, Nana Mouskouri und wie sie alle hießen. Und jetzt kommt da ausgerechnet ein Schwabe – der ja für einen Franken auch schon fast ausländisch spricht – und nimmt das Ganze so ein bisschen aufs Korn. Oder finden Sie das Ding tatsächlich so geil, dass sie meinten, das unbedingt durchziehen zu müssen?

Sie müssen das mal zurückrechnen. Als wir das vor 32 Jahren angefangen haben, war das von unserer Seite natürlich mit einer sehr großen Portion Ironie behaftet und sicherlich auch auf der Publikumsseite. Die haben das gefeiert. Menschen in meinem Alter, die mit Schlager nichts zu tun hatten, zumindest nicht leidenschaftlich, fanden unsere Interpretationen plötzlich geil. Wie wir es gespielt haben, die Aufmachung. Das ist etwas passiert. Natürlich hatten wir es immer mit dem ironischen Auge gesehen, aber nie verunglimpft, weil wir das schön spielen wollten. Ich bin ja Balladenfan. Ich wollte die schön spielen, wir wollten es aber auch überzeichnen – im positiven Sinne. Das haben wir getan. Nach so vielen Jahren ist das herübergerutscht in ein Massenphänomen. Da ist es dann schwierig zu sagen, dass die Ironie noch da ist. Es ist aber auf jeden Fall ein Schlagerkonzert der anderen Art, als man es sonst kennt aus der wirklichen Schlagerwelt. Und das haben wir, denke ich, auch beibehalten.

Ist das einer der Gründe, weshalb es seit mittlerweile neun Jahren kein neues Album mehr gibt. Dass ihr der Meinung seid, dass der Markt nichts mehr hergibt, was es sich massenkompatibel und gut zu covern lohnen würde?

Das ist sicherlich so. Einen Anreiz für ein Album haben wir schon lange nicht mehr. Wir haben gemerkt, dass ein physisches Album nicht mehr lohnenswert ist. Wer kauft sich denn heute noch eine CD? Ich kenne verdammt wenig Leute! Ich selbst habe mir seit Jahren keine mehr gekauft. Ich nehme die Streamingdienste in Anspruch. Ich finde das vorhandene Angebot da wirklich gut. Wir haben gesagt, dass es vergeudete Liebesmühe wäre, sich um das Cover zu bemühen und was alles dazu gehört. Das haben wir jahrelang leidenschaftlich getan. Die Dankbarkeit dafür hält sich aber in Grenzen. Da nimmst du lieber ab und an einen Song auf und haust ihn auf YouTube raus. Für uns war das eh immer in weiter Ferne, eine CD kommerziell auszuwerten – das war am Anfang interessant, inzwischen gar nicht mehr. Natürlich haben wir immer etwas gemacht, weil immer ein Produkt da sein muss. Wir haben das Gefühl, dass wir das gar nicht mehr brauchen. Unsere Leidenschaft war aber von Anfang an der Liveauftritt.

Gibt es einen von den neuen Schlagersternchen, die sie so richtig geil finden und richtig Bock drauf haben?

Da würde ich mich an ein altes Schlagersternchen hängen, nämlich den Roland Kaiser. Der liegt auf unserer Wellenlänge. Inhaltlich auch. Den finde ich ganz cool!

Wenn wir schon über ihn reden, dann müssen wir auch über Politik reden. Die meisten Schlagerstars halten die Politik ja raus, Roland Kaiser ist einer, der da ganz klare Kante zeigt. Ist er auch deswegen bewundernswert oder rein musikalisch betrachtet?

Letztlich ist er ja eine alte Nummer, der schon immer freche und frivole Texte geschrieben hat, die damals schon nicht ganz jugendfrei waren. Heute würden wir diskutieren, ob das noch geht, was er da gerade singt. Aber er tut es und ich finde das gut! Da gehe ich mit ihm d’accord. Und er hat sich auch politisch klar positioniert und das finde ich eine ganz große Nummer! Das hat man ja auch in Dresden gesehen, als er in der Anfangszeit von Pegida ganz klar Position bezogen hat. Das finde ich echt schön.

Da können Sie als Tübinger mit dem Oberbürgermeister Boris Palmer ja etwas mitreden.

(lacht) Das stimmt! Da kann ich mitreden. Ich habe mich mit ihm ja auch schon das ein oder andere Mal angelegt. Ich kenne ihn ja schon sehr lange, bevor er im Amt war. Da habe ich mir öfters herausgenommen, ihm zu sagen, was ich davon halte, was ihm da das ein oder andere Mal entglitten ist. Sachen, wo ich überhaupt nicht mit ihm d’accord gegangen bin. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, was er meint. Er hat aber oft nicht den richtigen Ton getroffen.

Sie sind ja seit jeher ein sehr sozial eingestellter Mensch, waren vor ihrer Karriere als medizinischer Bademeister aktiv und sich während der Coronazeit auch nicht zu schade, sich in ein Testzentrum zu stellen. Chapeau! Ist das so das grundlegende Naturell des Thomas Kuhn?

Das ist definitiv mein Naturell. Dafür hatte ich schon immer ein Faible. Das Gefühl, etwas tun zu müssen. Ich habe auch schon ganz früh meine ersten Kröten verdient. Als ich mein erstes Mofa hatte, hatte ich eine Bekannte, die im Altenheim gearbeitet hat. Früher hat man da nicht so genau darauf geachtet, wer als Hilfspersonal kommt. Ich wurde da quasi eingeschleust. Über ein Jahr lang habe ich dort alte Menschen geputzt, gepflegt und gewaschen. Da war ich 16. Ich hatte nie eine Scheu davor und fand es immer eine sehr sinnvolle Aufgabe. Dadurch, dass ich ältere Eltern hatte, hatte immer Verständnis für ältere Menschen. Das ist mir schon irgendwie in die Wiege reingelegt worden. Wahrscheinlich wäre ich heute noch immer in einer solchen Position, wäre ich nicht in das professionelle Musikbusiness reingerutscht.

Beides hat ja etwas gemeinsam. Man bekommt Anerkennung. Ob man einem alten Menschen den Hintern abwischt oder vor 15000 Leuten auf einer Bühne steht. Am Ende bedanken sich alle!

Zumindest auf der Bühne kriege ich das zurück, im Altenheim ist das nicht immer so (lacht). Da bekommst du nicht immer ein direktes Feedback. Aber das stimmt schon, eine gewisse Dankbarkeit ist dort auch spürbar.

Dann lassen Sie uns zurück zur Musik kommen. Wenn Sie in Coburg in dieser wunderbaren Location auf die Bühne gehen. Was dürfen die Leute denn erwarten? Überraschendes oder das Altbewährte?

Wir versuchen natürlich so zu sein, wie wir sind. Das, was die Leute lieben. Und dass wir in unserem hohen Alter unsere Sexyness bewahrt haben. Logisch, oder?

Haben Sie denn schon einen Brusthaartoupethändler in Coburg aufgetan?

Ich bringe noch etwas aus dem Bestand mit. Es wird hoffentlich nicht gerade in Coburg ausgehen.

Dann freuen uns darauf und harren der Dinge, die da kommen! Danke für die Zeit!

Die Freude ist meinerseits!

Schlagworte:

Ähnliche Artikel: