Die UNESCO-Auflagen erfüllen oder der Welterbestätte dienen?
Lange ersehnt, aber nun endlich fertig gestellt und erschienen: der dem Welterbe Bamberg gewidmete Managementplan
veröffentlicht am 22.06.2020 | Lesezeit: ca. 9 Min. | von Martin Köhl
Die Erstellung eines Steuerungsinstruments gehört zu den Pflichtaufgaben jeder Welterbestätte, die von der UNESCO eingefordert wird. In Bamberg hatte man sich bereits vor ca. fünf Jahren an die Erarbeitung eines solchen Managementplanes gemacht; nun liegt das Konzept in schriftlicher Form vor bzw. kann im Internet eingesehen werden. Sinnvoll und zielführend ist dieses Instrument insbesondere mit Blick auf eventuelle Gefährdungsfaktoren, die den Wert, die Valorisierung und nachhaltige Entwicklung des als universelles Erbe der Menschheit klassifizierten urbanen Ensembles beeinträchtigen könnten.
Hierfür wurde seinerzeit ein partizipativer Prozess initiiert, der unter der Teilnahme von Fachleuten aus fünf verschiedenen relevanten Bereichen kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen definieren sollte. Die Fachgruppe „Bauliches Erbe und Stadtentwicklung“ beschäftigte sich mit Maßnahmen und Empfehlungen zur Bewahrung und rücksichtsvollen Entwicklung des Altstadtensembles. Die Fachgruppe „Urbaner Gartenbau“ befasste sich mit der Erhaltung und Nutzung der innerstädtischen Gärtnerflächen und der Bewusstseinsbildung für das immaterielle Kulturerbe der Gärtnerstadt.
Die Fachgruppe „Welterbe und Tourismus“ hatte die Aufgabe, Synergieeffekte zwischen dem Welterbe und seiner touristischen Nutzung zu benennen. Die Fachgruppe „Welterbe und Wirtschaft“ konzentrierte sich auf die wirtschaftlichen Aspekte des Welterbetitels. Die Fachgruppe „Bildung und Forschung“ schließlich entwickelte interdisziplinäre Forschungs- und Vermittlungsansätze zum Bamberger Welterbe. Ergänzend erfolgte die Formulierung eines Leitbildes, das die Ziele zusammenfasst, die Bamberg als Welterbestadt verfolgt, und die zugehörigen Aktivitäten und Handlungsbausteine schematisch präsentiert.
Grußworte von Seiten der Stadtspitze und des Auswärtigen Amtes werden komplettiert von einer vorweggenommen Zusammenfassung aus der Feder Patricia Alberths, der Leiterin des Zentrums Welterbe. Im Anhang befindet sich etwas besonders Wichtiges und Interessantes, nämlich die Darstellung einer „Sichtraumstudie“, die in Verbindung mit dem Managementplan in Auftrag gegeben wurde und für das Welterbe Bamberg elementare Sichtbeziehungen dokumentieren soll. Sie wurde von dem Münchner Stadtplanungs- und Architekturbüro Eisenlauer erstellt.
Die Liste der Maßnahmen und Empfehlungen enthält schon deshalb keine großen Überraschungen, weil viele der angesprochenen Probleme bzw. Defizite oft genug Gegenstand öffentlicher Debatten gewesen sind. Im Bereich „Bauliches Erbe und Stadtentwicklung“ werden die „Aufwertung des öffentlichen Raumes“ und „welterbeverträgliche Mobilität“ propagiert, letzteres durch Förderung von ÖPNV und Radverkehr. Als „Korrekturen der kartographischen Erfassung des Welterbes“ werden u.a. die „parzellengenaue Schärfung der Welterbegrenze“ und die „Anpassung der Pufferzone an das Gebiet des Stadtdenkmals“ vorgeschlagen.
Der Bereich „Bildung und Forschung“ wartet mit diversen Vernetzungsvorschlägen und der Initiierung von Schulprojekten auf und plädiert für die stärkere Einbeziehung universitärer Forschung. Die Fachgruppe „Welterbe und Wirtschaft“ schlägt u.a. die Einführung eines Labels „Made in Bamberg“ vor, fordert die konsequente Darstellung des Welterbes als wichtigen Standortfaktor und hält die Dokumentation und Pflege alter Handwerkstechniken und Wissensformen für wünschenswert. Die Fachgruppe „Urbaner Gartenbau“ hat sich die Erhaltung und Nutzung der innerstädtischen Gärtnerflächen sowie des Erwerbsgartenbaus zum Ziel gesetzt.
Bleibt der Komplex „Welterbe und Tourismus“, seit jeher ein neuralgisches Thema in der Stadt, das mit der totalen Abwesenheit von Touristen in pandemischen Zeiten ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen hat. Die Bedeutung des Tourismus nicht nur für die Wirtschaft (und die Wirtschaften!), sondern auch für die Atmosphäre in der Stadt, ist kaum zu überschätzen. Von der Fachgruppe vorgeschlagen werden u.a. die Verbesserung der Aufenthaltsqualität (Sitzgelegenheiten, Cafés, Toilettenanlagen), die Entflechtung der Touristenströme, die Erhöhung der Sichtbarmachung des Welterbes im Stadtbild und eine gesteigerte Wahrnehmung der Gärtnerstadt.
Die im Anhang des Managementplanes vorgestellte Sichtraumstudie weist auf das dichte Netzwerk von Sichtverbindungen im Welterbegebiet und dessen Umfeld – sowie auf dessen Gefährdungen. Die bereits bestehenden Beeinträchtigungen sind teils irreversibel, teils reversibel, woraus die Aufgabe erwächst, die aufgeführten Sichtkorridore kontinuierlich zu überprüfen und mit den Plänen der Stadtentwicklung abzugleichen. Auffallend häufig wird im innerstädtischen Bereich „üppiger Baumwuchs“ als reversible Beeinträchtigung genannt, daneben vor allem überdimensionierte Baukomplexe.
Es sind solche konkreten Hinweise, an denen sich die Praktikabilität des Managementplanes vornehmlich wird bewähren müssen. Dann wird er nicht nur UNESCO-Auflagen erfüllen, sondern als nützliches Instrument dem Welterbe dienen.
Der Bamberger Welterbemanagementplan ist nach 5 Jahren fertiggestellt. Grund genug für ART. 5|III mit Patricia Alberth, Leiterin des Zentrums Welterbe Bamberg, ein Interview zu führen.
PA: Welterbe ist mehr als Denkmalschutz. Es ist ein kultureller Schatz, Bildungsressource, Inspiration, Identitätsquelle, Wirtschaftsfaktor und touristische Destination. Der Managementplan dient als zentrales Planungsinstrument für den Schutz, die Nutzung, die Pflege und die nachhaltige Entwicklung der Welterbestätte. Er sorgt für Transparenz was Ziele, Zuständigkeiten und Regularien angeht, ohne Aufgaben neu zu verteilen.
Die Zuständigkeit für die Umsetzung des bau- und denkmalrechtlichen Schutz- und Planungsinstrumentariums liegt beim städtischen Baureferat. Bei der Durchführung von Bauleitplanverfahren im Welterbe- und Stadtdenkmalbereich werden grundsätzlich die Untere Denkmalschutzbehörde und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege sowie das Zentrum Welterbe und die Stadtheimatpflege als Träger öffentlicher Belange beteiligt.
Das Monitoring des Welterbes im Freistaat liegt im Verantwortungsbereich des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. Wir stehen im regelmäßigen Austausch. Hier Parallelstrukturen aufzubauen, wäre Unsinn. Zumal in Zeiten knapper Kassen.
PA: Das Bamberger Welterbe war seit seiner Einschreibung 1993 noch nie Gegenstand der jährlich stattfindenden Sitzung des Welterbekomitees. Es gab also keine Probleme, die international Wellen geschlagen hätten. Das ist schon einmal gut. Das können nicht alle deutschen Welterbestätten von sich behaupten.
Als Welterbestadt unterliegen wir einer strengen Benachrichtigungspflicht: Bei größeren Bauvorhaben, die den sogenannten außergewöhnlichen universellen Wert unseres Welterbes gefährden könnten, müssen wir vorab die UNESCO in Paris einschalten. Dies haben wir in der Vergangenheit das Öfteren getan: beim Quartier an den Stadtmauern, beim geplanten viergleisigen Bahnausbau, auch wenn dieser außerhalb des Welterbes und seiner Pufferzone verortet ist, und bei dem Neubau auf den Unteren Mühlen.
Die Sichtraumstudie, die Bestandteil des Managementplans ist, dokumentiert für das Welterbe „Altstadt von Bamberg“ elementare Sichtbeziehungen und hilft uns, noch besser einzuschätzen, welche Bauvorhaben für das Welterbe und seine visuelle Integrität gefährlich werden könnten.
Im Bereich der innerstädtischen Gärtnerflächen, die Teil des Welterbes sind, herrscht verstärkter Siedlungs- und Entwicklungsdruck. Diesem Areal gilt unser Augenmerk ganz besonders.
PA: Bambergs Bürgerschaft setzt sich mit Leidenschaft und Vehemenz für ihre Altstadt ein. An dem Managementplan haben dementsprechend über 100 Menschen und Institutionen mitgewirkt. Zu den Hütern des kulturellen Erbes zählen Vereine wie die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg oder die Freunde des Weltkulturerbes Bambergs ebenso wie die Bamberger Gärtner.
Prävention ist ein Schlüsselbestandteil der Arbeit des Zentrums Welterbe Bamberg. Dies leisten wir in Form von Sensibilisierungs- und Vermittlungsprojekten, mit denen wir schon bei Kindern und Jugendlichen Interesse für ihr Erbe wecken möchten.
In den Fällen, in denen es trotzdem zu Interessenkonflikten kommt, beziehen wir als Fachbehörde intern Position und stellen entsprechende Dossiers zusammen, um die UNESCO gemäß der internationalen Vorgaben über die zuständigen Ministerien und die Ständige Vertretung in Paris einzuschalten.
PA: Der Managementplan enthält rund 80 Maßnahmen und Empfehlungen in den Themenbereichen „Bauliches Erbe und Stadtentwicklung“, „Bildung und Forschung“, „Urbaner Gartenbau“, „Welterbe und Tourismus“ und „Welterbe und Wirtschaft“. Einige davon konnten wir bereits umsetzen. Damit ist das Dokument schon jetzt nicht mehr ganz aktuell, was ihm aber keinen Abbruch tut. Im Laufe der Zeit ändern sich außerdem Strukturen und Regularien. Deshalb wird ein Managementplan i.d.R. alle fünf bis zehn Jahre fortgeschrieben. Mit dem aktuellen Plan haben wir hierfür eine solide Grundlage.