Wissenschaftler und Bibliothekare gehören eher zu den stillen Zeitgenossen. Man muss schon genau hinhören, wenn man sie zwischen all den Büchern aufspüren will. Als Außenstehender bekommt man von dem, was hinter den Kulissen aus überbordenden Bücherregalen alles vonstattengeht, gar nicht viel mit, was schade ist, auf der anderen Seite ist eben diese Zurückhaltung und fast schon mystische Stille in und um Bibliotheken genau das, was sie auszeichnet.
Es ist also nicht verwunderlich, dass der Direktorenwechsel an der Bamberger Staatsbibliothek im Herbst 2016 ganz leise über die Bühne ging. Ohne großes Brimborium übernahm die aus Franken stammende und zuletzt in München an der Bayerischen Staatsbibliothek als Leiterin des Referats „Handschriftenerschließungszentrum und Inkunabelsammlung“ tätige Buchwissenschaftlerin Dr. Bettina Wagner ab 1. Oktober die Leitung der Staatsbibliothek im altehrwürdigen Residenzgebäude auf dem Domberg, das dort seit nunmehr über 300 Jahren als eines der Bamberger Wahrzeichen thront.
Frau Dr. Wagner löste Herrn Prof. Dr. Werner Taegert ab, der das Amt als Direktor zuvor zehn Jahre innehatte und insgesamt 31 Jahre im Bibliotheksdienst geleistet hatte. Dieser hatte sich vor allem den Ausbau der Staatsbibliothek als Forschungsstätte zur Aufgabe gemacht. So wurden die mit Buchmalereien versehenen Handschriften des 13. und 14. Jahrhunderts unter seiner Ägide kunsthistorisch erschlossen. Außerdem konnten zu dem ohnehin schon hochrangigen Altbestand an Handschriften, Drucken und Graphiken insbesondere der Bestand der E.T.A.-Hoffmann-Spezialsammlung, die sich aus Ankäufen und Dauerleihgaben zusammensetzt, wesentlich erweitert werden. Auch die Erschließung und Digitalisierung der Inkunabeln, also der im 15. Jahrhundert entstandenen Wiegendrucke, konnte zu einem Drittel des Gesamtbestandes sukzessive vorangetrieben werden. Neben der retrospektiven Erschließung, Katalogisierung und Beschreibung konnte u. a. auch die Katalogisierung der Altbestände in den beiden Dominikanerräumen, bestehend aus Drucken des 16. bis 18. Jahrhunderts in Verbundkatalogen lückenlos erschlossen werden. Gleiches gilt für Dissertationen des 19. Jahrhunderts, mehrere Büchernachlässe, darunter – und das ist besonders – 40 orientalische Handschriften und Drucke aus der Bibliothek des Bamberger Kunsthistorikers Kurt Ruppert, und viele Tausend Zeitschriftenbände. Man sieht: Das digitale Zeitalter hat auch in die Bibliotheken Einzug gehalten. Auch in der Fotostelle der Staatsbibliothek will man darauf nicht mehr verzichten. Hier wurde die „Kaiser-Heinrich-Bibliothek“, also 165 Codices und Fragmente aus der Zeit vom 5. bis zum 11. Jahrhundert aufwendig abfotografiert und ab 2012 vollständig virtualisiert zur Verfügung gestellt (www.kaiser-heinrich-bibliothek.de). Die zweite Säule des digitalen, virtualisierten Angebots der Staatsbibliothek bilden die sog. „Bamberger Schätze“, die einen Einblick in die historischen Bamberger Buchbestände gewähren.
Was also gibt es nun für die neue Leiterin, Frau Dr. Wagner, zu tun? Sie werde, so erklärte Dr. Klaus Ceynowa, Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek, bei einer gemütlichen Pressekonferenz in Bibliotheksatmosphäre im vergangenen Dezember, an die Arbeit ihres Vorgängers anknüpfen und die Digitalisierung weiter voranbringen. Noch nicht abgeschlossen ist dabei z. B. die Katalogisierung des Spezialbestandes historischer Bambergensien im vorderen Archivraum der Bibliothek. Zudem möchte die neue Leiterin die regionalen Bestände fortan noch stärker fokussieren und Neuerwerbungen besser präsentieren. Apropos Neuerwerbungen: An dem Erwerb weiterer Printexemplare (insbesondere in Bezug auf die Jean-Paul-Edition) will die neue Direktorin auch in Zeiten der Digitalisierung weiter festhalten. Schließlich zeichne sich eine Bibliothek vor allem durch seinen Buchbestand aus. Wichtig sei auch das noch zu verstärkende internationale Auftreten der Forschungsbibliothek, die unter Wissenschaftlern über ein sehr gutes Renommee verfügt. Denn unter dem wertvollen Bestand aus 6300 Handschriften befinden sich drei Stücke, die den Status als UNESCO-Weltdokumentenerbe genießen: Die Bamberger Apokalypse, der Hoheliedkommentar und das Lorscher Arzneibuch. In Hinblick auf den Bereich Forschung und Lehre spielt auch die Zusammenarbeit mit der Otto-Friedrich-Universität Bamberg weiterhin eine wichtige Rolle, denn auch künftig seien viele Seminare und Lehrveranstaltungen geplant. Ein weiterer wichtiger Punkt auf der Zukunftsagenda ist das Welterbejahr 2018, das anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Welterbe-Stadt, der Eröffnung des Welterbe-Besucherzentrums und der stattfindenden Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission in Bamberg schon jetzt seine Schatten vorauswirft. Angesichts der Feierlichkeiten plant die Staatsbibliothek eine große Ausstellung, in der auch die Bamberger Apokalypse in den Mittelpunkt gerückt werden soll. Ebenfalls angestrebt wird für das kommende Jahr eine Zusammenarbeit mit dem Bamberger Literaturfestival, die vorsieht, Räumlichkeiten der Staatsbibliothek für Lesungen zur Verfügung zu stellen. All das soll auch den Buchtourismus einer Stadt fördern, die unter Experten als die zweite Druckstadt nach Mainz gehandelt wird. Es ist also viel zu tun dort oben auf dem Domberg. Man darf gespannt sein.
Fotocredits:
Blick vom Domkranz auf die Neue Residenz mit der Staatsbibliothek im Ostflügel, Foto © Staatsbibliothek Bamberg
V.l.n.r.: Dr. Bettina Wagner, Dr. Klaus Ceynowa, Dr. Stefan Knoch, Foto © Staatsbibliothek Bamberg