Dass der principal organist der Bamberger Symphoniker es sich bisweilen nicht nehmen lässt, in der von ihm verantworteten Orgelreihe eigenhändig und -füßig mitzuwirken, versteht sich von selbst. Diesmal hatte sich Christian Schmitt das erhabene Es-Dur-Präludium mit Fuge aus dem „Dritten Teil der Clavierübung“ vorgenommen, freilich nicht zusammenhängend, sondern das Programm in der Bamberger Konzerthalle quasi umrahmend. Schmitt nahm die Punktierungen im Stile einer französischen Ouvertüre, die den Eröffnungsabschnitt prägen, ziemlich breit, jedenfalls nicht doppelt punktiert, wie es manche Interpreten bevorzugen. Es ging also zunächst eher gemächlich zu, bevor das zweite Thema in Erscheinung tritt und dann kein Halten mehr ist. Schmitt nimmt es mit der gebotenen Flüssigkeit, ja schon mit deutlich virtuoser Attitüde.
Es folgte Petr Ebens Zyklus „Okna“ (Fenster) für Trompete und Orgel nach Marc Chagall, ein Werk, das die Eindrücke des Komponisten anlässlich einer Reise nach Jerusalem wiedergibt, wo er die Glasfenster des Malerpoeten Marc Chagall in einer Synagoge bewunderte. Vier Fenster sind es, ebenso vier Farben. Im blauen Fenster geht es ziemlich scharfkantig zu, und die Orgel scheint mit dem Einsatz der ihr eigenen Zungenstimmen – zu denen die Trompete in der Orgelwelt gehört – den Solisten herauszufordern. Im grünen Fenster beruhigt sich die Atmosphäre zunächst, Kantilenen dominieren, doch im Mittelabschnitt ist abermals große Aufregung angesagt. Ruhig und melodiös gerät der Ausklang.
Wenn die Orgel in strahlendem Rot leuchtet, wird’s krass, und der Trompeter muss hochvirtuose Techniken wie Flatterzunge u.ä. aufwenden. Auch hier kantilenenhafte Episoden, dann ein ohrwurmhaftes Zitat, das jeder kennt und mehrfach wiederholt wird. Zwischendurch reizvolle Skurrilitäten, dann eine rauschende Steigerung und plötzlicher Abbruch. Das goldene Fenster gibt sich sehr friedlich und scheint mit den vorhergehenden Aufgeregtheiten aufräumen zu wollen, befremdet aber durch ostentativ zum eigentlich harmonischen Verlauf unpassende Intervalle. Dann findet Eben zu der für ihn typischen Tonsprache zurück, bevor es hymnisch wird und strahlendes Dur den Saal erfüllt. Markus Mester, seit langem Solotrompeter der Symphoniker, vermochte in diesem Zyklus seine Klasse zu beweisen.
Nach der Pause war abermals Es-Dur angesagt, denn es folgte die Fuge aus der schon erwähnten „Clavierübung“. Christian Schmitt wählte eine grundtönig orientierte Registrierung, die den kontrapunktischen Verlauf dieser gewaltigen Fuge bestens nachvollziehen ließ. Anschließend Es-Dur zum Dritten mit Alexandre Guilmants „Morceau symphonique“ für Posaune und Orgel op. 88. Das gehört sich auch so, denn diese Tonart ist ja die „trinitarische“ im christlichen und die königliche im weltlichen Sinne. Die Posaune, dieses wunderbar klangweiche Instrument, ist leider selten als Soloinstrument zu hören. Angelos Kritikos, der Soloposaunist der Bamberger Symphoniker, spielt es auf geradezu betörende Weise und muss dabei auch die auf der Posaune so schwierigen Läufe bewältigen. Ein prachtvolles Stück, eine prachtvolle Darbietung!
Blechbläser und Schlagzeuger sind bekanntlich Blutsbrüder (auch gerne -schwestern!), und so nahm es nicht Wunder, dass für die beiden letzten Stücke des Konzertes die Kombination Orgel plus Perkussion angesagt war. Zunächst Sofia Gubaidulinas „Duetto 1“, das sich als Sonate für Orgel und Schlagzeug versteht. Das Werk hinterlässt kompositorisch einige Fragezeichen, taugte aber für eine eindrucksvolle Demonstration des Könnens und der Vielseitigkeit von Musikern wie Robert Cürlis (Pauken) und Gregor Moser (Schlagzeug), beide Inhaber von Solostellen bei den Bamberger Symphonikern. Man wundert sich immer wieder darüber, dass diese Musiker in solch komplizierten Partituren alles auf den Punkt zu bringen vermögen und Patzer Fehlanzeige sind. Tja, zählen müsste man können…
Zum Finale eine Erstaufführung: Andrea Tarrodis „Poseidon“ für Schlagzeug und Orgel aus dem Jahre 2021, ein Auftragswerk, das die schwedische Komponistin im Auftrag mehrerer Orchester und Konzerthäuser – darunter die Bamberger Symphoniker – angefertigt hat. Es beginnt mit dem Ostinato eines hellen Orgelregisters, das unablässig vor sich hinmurmelt, dann wird’s tonal mit mächtigen Orgelakkorden, bevor das Marimbaphon seinerseits ein eigenes Ostinato anstimmt. Zwischendurch eine heftige Steigerung, dann braves Harmonisieren, und zum Schluss ein virtuoses Paukenfinale für Robert Cürlis.
Insgesamt ein eher harmloses Stück am Ende eines gleichwohl sehr originellen Abends, der dann mit der Schluss-„Promenade“ aus Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ (dem großen Tor zu Kiew) einen Zugabenausklang fand, der alle Mitwirkenden in idealer Weise vereinte. Christian Schmitt hatte übrigens in diesem Konzertprogramm eine ganze Reihe höchst anspruchsvoller Begleitaufgaben zu bewältigen. Fazit: die Orgelreihe des Bamberger Symphoniker bleibt interessant und erfreut sich sogar aufgrund ihrer Diversifizierung zunehmender Beliebtheit.