Das Opernfestival Bayreuth Baroque hat sich in kürzester Zeit einen exzellenten Ruf erworben und ist alljährlich zum zweiten triftigen Grund für eine Opernreise nach Ostoberfranken geworden – freilich in musikalisch großem Kontrast zu den Wagner-Festspielen auf dem Grünen Hügel. Die Gründe dafür liegen nicht nur in dem barocken Opernhaus mit seiner bezaubernden Atmosphäre, sondern auch personell bei Max Emanuel Cencic, dem künstlerischen Leiter des Festivals, der sowohl Regisseur und Produzent als auch Mitwirkender ist, letzteres als geradezu begnadeter Countertenor.
2020 begründet nach der Wiedereröffnung des Markgräflichen Opernhauses, stellte sich das Festival zunächst in die Tradition der künstlerischen Wünsche Wilhelmines von Bayreuth, die das Opernhaus bauen und 1748 eröffnen ließ. Heute zählt es zum Weltkulturerbe des UNESCO. Es erwies sich als besonders originell, dass jene halbvergessenen Werke von Max E. Cencic wiederbelebt wurden, die Wilhelmine einst selbst ausgesucht und zur Aufführung gebracht hatte. Seither darf behauptet werden, dass die Festival-Macher durch die Aufführung barocker Opere Serie am Originalschauplatz eines der schönsten Opernhäuser der Welt aus seinem musealen Schlaf erweckt und seine Epoche sinnlich wieder erlebbar gemacht haben.
Das diesjährige Programm sieht neben den beiden zentralen Operninszenierungen diverse musikalische Formate vor, die sich jedoch auf das vokale Können der eingeladenen Künstler und Künstlerinnen fokussieren. So gastiert u.a. der dem Bayreuther Publikum auch von seinen bravourösen Auftritten vom Grünen Hügel bekannte Tenor Daniel Behle oder der mittlerweile zu Weltruhm gelangte Countertenor Valer Sabadus.
Freilich stehen die beiden Opern Georg Friedrich Händels und Claudio Monteverdis, die heuer neu inszeniert werden, im Mittelpunkt des Interesses. Es handelt sich um Händels Flavio, Re de’ Langobardi und Monteverdis L’Orfeo. Die Händel-Oper wird vom Prinzipal Cencic selber inszeniert, die musikalische Leitung vom Cembalo aus liegt bei Benjamin Bayl, der das renommierte und auf Alte Musik spezialisierte Ensemble „Concerto Köln“ dirigiert. Das 1723 in London uraufgeführte Werk gehört erstaunlicherweise zu den unbekannteren Werke des Meisters. In dem Stück geht es einmal mehr um Leidenschaften und Machtausübung, angereichert durch Komik und parodistische Elemente. Max E. Cencic übernimmt die Rolle des Guido, Julia Lezhneva jene der Emilia. Termine für dieses „Dramma per musica“ sind am 7., 9., 15. und 17. September.
Anderntags findet der Auftritt von Valer Sabadus ebenfalls im barocken Opernhaus statt. Er ist dem Schaffen Carl Heinrich Grauns gewidmet, der im 18. Jahrhundert eine überragende Rolle im Operngenre spielte. Sein „Cleopatra e Cesare“ eröffnete die neu erbaute königliche Hofoper in Berlin, die heutige Staatsoper. Grauns musikalische Charakterstudien werden von dem (oh!)-Orkiestra unter der Leitung von Martyna Pastuszka begleitet.
Am 9. September folgt in der Bayreuther Schlosskirche ein Rezital des amerikanischen Countertenors Reginald Mobley, der sich, begleitet von der Gambistin Christine Plubeau und und Violaine Cochard am Cembalo, Werke von Henry Purcell, Händel und Ignatius Sancho vorgenommen hat. Tags drauf gastiert das Ensemble „Les Surprises“ in der Ordenskirche St. Georgen mit Werken französischer Barockkomponisten, wofür sich kaum eine bessere Besetzung als die mit der Sopranistin Véronique Gens denken lässt.
Maayan Licht, der beim letztjährigen Festival in der Titelrolle der Oper „Allessandro nell’Indie“ brillierte, präsentiert am 11. September gemeinsam mit dem Cembalisten Guy Maori leicht verdauliche Arien von zwei der größten Komponisten des 18. Jahrhunderts, nämlich von Georg Friedrich Händel und Antonio Vivaldi. Besonderer Ort der Aufführung ist der Sonnentempel der Orangerie in der Bayreuther Eremitage.
Am 12. und 13. September finden dann die beiden Aufführungen von Claudio Monteverdis Favola in musica „L’Orfeo“ im Markgräflichen Opernhaus statt. Hierin wird kein Geringerer als Rolando Villazon die Titelrolle singen, begleitet vom griechischen Spezialensemble „Latinitas Nostra“ unter der Leitung von Markellos Chryssicos. Der Allround-Musiker Panos Iliopoulos hat Monteverdis Werk um neue Klänge wie Live-Elektronik bereichert, die Regie führt Thanos Papakonstantinou. Der 14. September bringt die Begegnung mit dem brasilianischen Ausnahmesänger Bruno de Sá, der mit seinem leuchtenden Sopran weltweit Begeisterungsstürme erntet. Er kümmert sich um die Neapolitanische Schule mit Komponisten wie Pergolesi, Johann Adolf Hasse, Nicola A. Porpora, Leonardo Vinci u.a. und wird vom Ensemble „nuovo barocco“ unter der Leitung von Dimitris Karakantas begleitet.
Trompetenklänge sind am 16. September in der Schlosskirche zu hören, wenn der Barocktrompeter Julian Zimmermann und der Sopranist Dennis Orellana die Beziehung des festlichen Instruments zur menschlichen Stimme ausloten. Letzter Höhepunkt vor dem Ausklang mit der finalen Händel-Oper ist der Auftritt des vielseitigen – und Wagner-erfahrenen! – Tenores Daniel Behle, der sich mit dem Concerto Köln das Motto „Kings of Bravura“ vornimmt. Beeilung ist angesichts dieser musikalischen Perlen angesagt, denn Wilhelmines Wundertheater ist schnell ausverkauft!