Europa als „klingender Erfahrungsraum“ – eine originelle Formulierung! Wer hätte vor zweieinhalb Jahrhunderten diesen Erfahrungsraum gründlicher erforscht bzw. erschlossen als Wolfgang Amadeus Mozart? Zehn Jahre lang war er – freiwillig oder von seinem ehrgeizigen Vater getrieben – auf Reisen, und das Publikum von zehn Ländern hat er in diesem Zeitraum mit seinem wunderhaften Können in Staunen versetzt. Das am 3. Juni beginnende Mozartfest Würzburg hat deshalb heuer als naheliegendes Motto „Mozarts Europa“ gewählt und fragt mit seinen Programmen sowohl nach der kulturellen Vielfalt wie nach den einheitsstiftenden Elementen. Mit über 60 Konzerten und weiteren Veranstaltungen lädt das diesjährige Mozartfest dazu ein, klassische Musik in hochkarätigen Besetzungen für die Bereiche Kammermusik, Vokalmusik, Sinfonik und Weltmusik zu erleben und dergestalt dem musikalischen Europa der Mozart-Zeit nachzuspüren.
Mit Kit Armstrong präsentiert das Festival diesmal einen Portraitkünstler, in Würzburg als „artiste étoile“ bezeichnet, was so viel wie Künstlerstern bedeutet. Armstrong fiel erstmals vor Jahren beim nahe gelegenen „Kissinger Klavierolymp“ auf und hat seither, unterstützt von seinem Bewunderer Alfred Brendel, eine steile Karriere hingelegt. Brendel gilt als sein Mentor und betont, der junge Pianist mit asiatisch-amerikanischen Wurzeln, britischem Pass und Pariser Wohnort sei „die größte Begabung“, der er in seinem Leben begegnet sei. Kit Armstrong wird gleich zum Auftakt sein Können unter Beweis stellen, wenn er am 3. und 4. Juni mit dem Scottish Chamber Orchestra Mozarts Klavierkonzert d-moll KV 466 im Kaisersaal der Residenz spielt. Am 17./18. Juni gibt es einen weiteren Auftritt, diesmal mit den Bamberger Symphonikern und einer Repertoire-Überraschung: dem Klavierkonzert Nr.1 C-Dur op.11 von Carl Maria von Weber.
Mindestens ebenso prominent ist eine andere Künstlerpersönlichkeit an den Klaviertasten: Herbert Schuch wird am 11. Juni vom Württembergischen Kammerorchester Heilbronn begleitet, wenn er im Kaisersaal Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 C-Dur KV 467 interpretiert. Auch die anderen Soloinstrumente werden beim Mozartfest ausreichend berücksichtigt, wobei Violine und Klarinette aus den bekannten Gründen nie fehlen dürfen. Auf besonderes Interesse wird das Gastspiel der weltweit gefeierten Violoncellistin Sol Gabetta stoßen, die am 5./6. Juni Schumanns Cellokonzert a-moll darstellen wird, begleitet vom Kammerorchester Basel. Gut zwei Wochen später wirkt am selben Instrument der nicht weniger gefeierte Truls Moerk. Unter den großen Namen ist auch der Geiger Renaud Capucon erwähnenswert, der zusammen mit seinem Landsmann Gérard Caussé (Viola) und dem sinfonischen Platzhalter, Würzburgs Philharmonischem Orchester, die Sinfonia concertante Es-Dur KV364 des Festival-Namensgebers aufführen wird.
Doch das Würzburger Mozartfest ist wesentlich mehr als nur eine Aneinanderreihung von Konzerten für Klassikliebhaber. So wird es ein „MozartLabor“ geben, das sich als Erfahrungsraum des künstlerischen Austauschs versteht und auf Dozenten mit internationalem Renommée zurückgreift. Mozarts oft strapaziöse Reisetätigkeit wird unter der Überschrift „Allzeit auf dem Postwagen“ thematisiert, ein „Mozarttag“ wird mit Konzerten verschiedener Ensembles die Würzburger Innenstadt erobern, und das (fiktive) „Tagebuch der Constanze Mozart“ erzählt vom Leben im Umfeld des Meisters aus einer ganz anderen Perspektive. Ort dieser phantasievollen und natürlich musikalisch-mozartisch umrahmten Lesung ist das Kloster Bronnbach bei Wertheim. Eine weitere Exkursion führt ebenfalls dorthin und präsentiert eine Version von „Figaros Hochzeit“ für Kinder. „Mozart im Grün“ mit dem Blechbläserensemble „Rennquintett“ und die Musik-Comedy „Bidla Buh“ sind ebenfalls Veranstaltungen mit Crossover-Anspruch.
Feierlich wird es im Würzburger Kiliansdom, wenn Jonathan Nott zum Abschluss seiner Zeit als Chefdirigent der Bayerischen Staatsphilharmonie Bruckners monumentale 8. Symphonie in die heiligen Hallen hievt (30. Juni). Als ebenso prominent darf der Auftritt des BR-Symphonieorchesters gelten, das am 24./25. Juni im Kaisersaal gastiert. In einer Stadt mit einem Dreispartenhaus darf natürlich die Oper nicht fehlen. Das Mainfranken Theater wird deshalb ab 25. Juni Mozarts „Idomeneo“ in einer Neuinszenierung beisteuern. Im Stimmfach Mezzosopran ist ein Mozartfest ohne den Würzburger Weltstar Waltraud Meier kaum vorstellbar. Sie wird sich allerdings am 2. Juli im Großen Haus des Theaters vor allem Wagner und Mahler widmen. Zu den Attraktionen des diesjährigen Mozartfestes gehören sicherlich auch die Exkursionen zu den Serenaden nach Veitshöchheim (im idyllischen Hofgarten des Schlosses) und Himmelspforten (im Innenhof des Kreuzganges). Zum Ausklang des Mozartsfestes sind ‚Nocturnes’ angesagt: am 2. Juli gibt es eine „Nachtmusik“ im Hofgarten des Residenz, am 3. Juli eine „Jupiternacht“ im Vogel Convention Center mit sportlich-musikalischen Höhepunkten und ausgelassener After-Show-Party für alle.
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Hofgarten der Residenz Würzburg bei Nacht, Foto © Oliver Lang