Gut zwanzig Jahre war die Stelle des Chefdirigenten bei den Hofer Symphonikern vakant geblieben, die Arbeit erfolgte in Zusammenarbeit mit Gastdirigenten. Seit der Saison 2024/25 hat das renommierte Orchester nun erstmals nach Golo Berg wieder einen festen Chefdirigenten. Der Belgier Martijn Dendievel übernimmt, zunächst für vier Spielzeiten, die Leitung der Hofer Symphoniker. Als Gastdirigent hatte der 28-Jährige dort bereits mehrfach am Pult gestanden. Seine Ernennung zum neuen Leiter war sowohl beim Orchester, als auch bei Intendantin Cora Bethke und Oliver Geipel, dem Kaufmännischen Geschäftsführer der Hofer, auf breite Zustimmung gestoßen. Sein erstes Konzert als offizieller Chef der Hofer Symphoniker hat Dendievel inzwischen schon hinter sich.
Reichlich Erfahrung konnte der junge Belgier bereits auch bei renommierten Orchestern und namhaften Dirigenten sammeln. In Fachkreisen ist er längst kein Geheimtipp mehr. So gewann er etwa 2021 den Deutschen Dirigentenpreis oder auch die erste Conductor’s Academy des Tonhalle-Orchesters Zürich, war Finalist beim Donatella Flick-Wettbewerb des London Symphony Orchestra. Im Juni 2022 wurde er zudem Preisträger bei der ersten Internationalen Conducting Competition Rotterdam. Ab Januar 2026 wird Dendievel zusätzlich in seinem Heimatland den Posten des Chefdirigenten beim Flanders Symphony Orchestra übernehmen. Auch bei anderen Orchestern ist der junge Dirigent ein gefragter Partner.
2014 war Dendievel zunächst als Erasmus-Student, ab 2015 dann regulär im Studienfach Dirigieren an die HfM Franz Liszt Weimar gekommen, wo er als Künstlerischer Leiter bereits mehrere Projekte gestaltet hatte. Zuvor hatte der junge Dirigent mit 14 Jahren schon am Königlichen Konservatorium in Brüssel als Jungstudent im Fach Musiktheorie begonnen, dort seinen Bachelor mit Auszeichnung absolviert.
Ich freue mich sehr, mit diesem wunderbaren Orchester arbeiten zu dürfen. Wirklich rechnen kann man mit solchen Angeboten vorab nie, manchmal zeichnet es sich aber schon ab. Ich hatte schon mehrfach mit großer Freude in Hof am Dirigentenpult gestanden. Es war immer etwas Besonderes, mit diesen wundervollen Musiker:innen zu arbeiten. Tief in die Werke hineinzusteigen, und dann im Konzert das Resultat präsentieren zu können, liebe ich bei meiner Arbeit als Dirigent. Das war immer schon mein Wunsch.
Als Gast bin ich nur für das jeweils aktuelle Projekt, etwa ein bestimmtes Konzert oder Projekt, zuständig. Als Chefdirigent kommen viele andere Aufgaben dazu, man bekommt aber auch die Möglichkeit, längerfristig zu planen und sich besser kennenzulernen. Das erleichtert auch die Zusammenarbeit. Man übernimmt mehr Verantwortung, nicht nur für die Programmgestaltung, sondern auch für all die Menschen, die im Orchester spielen oder im Umfeld mitarbeiten. Für mich bedeutet das auch, gemeinsam einen Weg zu gehen, die Projekte miteinander auf die Bühne zu bringen. Als Dirigent bin ich Teil des Klangkörpers, nicht der, der alleine vorne am Pult alles befielt. Klar gibt der Chefdirigent eine Richtung vor, aber er ist kein Alleinherrscher. Das würde nicht gut gehen. Es ist seine Aufgabe, die Musiker:innen bestmöglich anzuleiten, auch deren Erfahrungen einzubeziehen, um so Werke und Orchester glanzvoll auf der Bühne wirken zu lassen.
Das Hofer Orchester ist ein sehr vielseitiges Ensemble. Sie sind musikalisch breit aufgestellt, als Symphonieorchester ebenso, wie auch als Kooperationspartner aller Musikproduktionen des Theaters Hof. Sie beweisen immer wieder ihre hohe Musikalität und die Fähigkeit, Werke in den unterschiedlichsten Klangfarben zu gestalten. Leider steht das Orchester oft im Schatten bekannter Orchester, wie etwa den Bamberger Symphonikern oder anderen bayerischen Vertretern. Das haben die Hofer nicht verdient. Allerdings ändert sich das langsam, daran möchte ich auch weiterarbeiten und den Blick auf diesen wundervollen Klangkörper positiv und überregional ändern, die hervorragende Arbeit aller herausstellen. Die Hofer Symphoniker sind definitiv kein „Provinzorchester“.
Es ist mir ein großes Anliegen, das Orchester verstärkt auch überregional noch bekannter zu machen. Klar gibt es immer wieder Gastspiele, das soll aber noch mehr in den Blick rücken. Wir haben so tolle Konzertsäle im Umkreis, die mit dem Bus innerhalb weniger Stunden gut zu erreichen wären, etwa in Dresden, Leipzig oder auch Prag. Dazu gehören auch interessante Projekte und Programme.
Die Arbeit mit unterschiedlichen Klangkörpern und damit eventuell auch unterschiedlichen Klangkulturen stellen für jeden Orchesterchef ganz unterschiedliche Herausforderungen bereit. Aber das schult das Einfühlungsvermögen, die Aufmerksamkeit gegenüber den Musiker:innen, bringt zudem ganz viel Erfahrung, die man dann immer wieder einbringen kann. Ein bereichernder Dialog auf ganz vielen Ebenen.
Ich arbeite immer wieder mit unterschiedlichen Orchestern, das gefällt mir sehr, momentan neben anderen gerade mit der Sinfonia Varsovia in Warschau und erstmals auch mit dem Bucheon Philharmonic Orchestra in Korea. Als Dirigent ist man daher immer viel unterwegs, aber insgesamt ist das immer bereichernd. Die unterschiedlichen Erfahrungen helfen mir auch bei anderen Projekten.
Neben dem Profi-Orchester, mit etwa 60 Mitgliedern aus 20 Nationen, betreibt das Orchester deutschlandweit einzigartig eine orchestereigene Musikschule. Bis auf wenige Ausnahmen unterrichten in den Räumen der extra dafür eingerichteten KlangManufaktur, nahe dem Theater in Hof, nur Musiker:innen aus den eigenen Reihen. Das Niveau ist sehr hoch. Das finde ich ganz toll.
Im Bereich Education möchte ich mich neben dem Dirigieren besonders einbringen. Das bedeutet, dass ich selbst das Familienkonzert „Klassik! Na logo! – Das Orchesterquiz mit Musik, Sherif und Malte“ übernehmen werde. Da sollte sich auch der Chef nicht herausnehmen. Dazu könnte auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Schulen entstehen. Vielleicht so, dass mehr Klassen zu den Generalproben kommen können, oder auch Mitmachkonzerte angeboten werden. Den direkten Kontakt zum Orchester oder auch mir selbst finde ich da schon wichtig. Neugierig machen, Interesse wecken einerseits, aber auch den Zugang zu klassischer Musik erleichtern, das ist die Idee dahinter. Das könnte auch unser künftiges Publikum sein.
Die Nachfrage bei den Konzerten ist hoch, das Abo-Publikum treu, auch über Corona hinaus. Mein Ziel ist es, das Publikum zu verwöhnen, mit schönen Konzerten Momente der Entspannung neben einem möglicherweise stressigen Alltag zu verschaffen. Klar gehört da auch das traditionelle Repertoire dazu, auf das wir natürlich auf keinen Fall verzichten möchten. Wir wollen aber nicht nur Klassiker wie Mozart oder Beethoven spielen, sondern unsere Zuhörer:innen auch mit unbekannten klassischen und neuen zeitgenössischen Werken überraschen und erfreuen. Wichtig ist mir dabei auch, jüngeren Leuten ein Angebot zu machen. Gleich bei meinem ersten Konzert vor wenigen Wochen, stand neben Liszt und Tschaikowsky auch die deutsche Erstaufführung der Komposition „Niobe, für Violine und Orchester“ von Richard Blackford auf dem Programm. Besonders schön war, dass der Londoner Komponist selbst anwesend war.
Das hat schon sehr früh begonnen, da meine Mutter Violine in einem Orchester spielte und mich schon als 3-Jährigen immer wieder zu den Proben mitgenommen hat. Das Orchesterleben habe ich so schon früh mitbekommen. Ich fand es faszinierend, zuzuhören und auch den Musikern zuzusehen. Musik war also immer um mich herum. Erst erkundete ich, neben Schlagzeug und Blockflöte auch die Geige. Später hat mich dann das Cello, das ich dann auch lernte und neben dem Dirigier-Studium fortsetzte, völlig in seinen Bann gezogen. Zum Cello spielen komme ich leider schon lange nicht mehr, eine Karriere als Cellist war für mich nie eine echte Option. Immer stand das Dirigieren im Vordergrund. Das war und ist mein Weg. Daran hat sich bis heute auch nie etwas geändert.
Die erste Frage ist dabei, aus welchen Gründen Menschen überhaupt ins Theater, ins Konzert oder zu anderen Kulturangeboten gehen. Die einen wollen vielleicht einfach nur unterhalten werden, andere möchten sich vielleicht weiterbilden, wieder andere beides. Dass die Menschen in Hof so zahlreich kommen, ist ein Geschenk. Dafür muss man als Orchester beziehungsweise als Orchesterleiter auch etwas tun, selbstverständlich ist das nicht. Um den Hörgenuss für alle zu steigern, sollen die bisher schon sehr beliebten Konzerteinführungen auch weiterhin fester Bestandteil bleiben. Gerne bin ich da als Chefdirigent auch selbst aktiv dabei. Mit ein paar Hintergrundinformationen, um besser verstehen zu können, was auf der Bühne und im Orchester passiert, kann man den Werken besser folgen und Besonderheiten auch heraushören. Wer einfach nur zuhören will, kann das natürlich auch tun. Die Möglichkeit, mehr erfahren zu können, sollte als Angebot aber da sein.
Jedes unserer Konzerte ist hörenswert (lacht), allerdings haben wir am 11. Juli 2025 etwas Besonderes geplant: Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe in der St. Michaeliskirche in Hof, in Zusammenarbeit mit verschieden lokalen Chören. Darauf freue ich mich sehr.