Eine Erfolgsgeschichte aus Nürnberg
Wo bis 2007 „weiße Ware“ herrscht heute buntes Treiben
veröffentlicht am 26.11.2014 | Lesezeit: ca. 5 Min.
In den 80er Jahren begann die Abwärtsspirale des einstigen Weltkonzerns AEG, welche in einem Vergleich endete. Elektrolux kaufte die Produktionsstätten auf und die Mitarbeiter konnten neue Hoffnung schöpfen. Doch 2007 kam für die Produktionsstätte in Nürnberg das endgültige Aus. Das Stammwerk wurde geschlossen und die Produktion nach Polen und Italien verlagert.
Der Schock in Nürnberg war groß: 1.700 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz, das rund 170.000 Quadratmeter große Gelände droht zur Industriebrache zu verkommen.
Zur Überraschung vieler fand sich jedoch umgehend mit MIB ein Investor, der es Elektrolux abkaufte. Beim Versuch, dem Gelände wieder neues Leben einzuhauchen, setzte Bertram Schultze, Projektleiter, stark auf die Karte Kunst und Kultur. Mit Erfolg: Nach den Künstlern kamen die Mittelständler und dann die Wissenschaftler. Das Gelände bietet mittlerweile mehr als 1000 Menschen Raum und Arbeit.
Die jährlich stattfindenden Werkschauen „Auf AEG“, bilden den kulturellen Höhepunkt dieser Community. Sie sind maßgeblich von den auf dem Gelände arbeitenden Künstlern geprägt. Und es gelingt, Jahr für Jahr bis zu 15.000 Besucher zu verzeichnen!
Interview:
Art. 5|III:
Herr Schultze, als Sie 2007 zum ersten Mal das AEG-Gelände besichtigten – hatten Sie als Vertreter von MIB schon Ihr Projekt im Hinterkopf?
Es gab die grundsätzliche Idee Auf AEG ein lebendiges urbanes Quartier mit einer großen Nutzungsvielfalt zu entwickeln. Verschiedenartige Gebäude von der eingeschossigen Produktionshalle bis zum siebengeschossigen Verwaltungsgebäude von guter Bauqualität und gleicher architektonischer Handschrift waren die physische Basis und die richtige Hardware um die verschiedensten Nutzer anzusprechen. Erfahrungen im Aufbau und Management einer so großen Entwicklung brachten wir aus der Revitalisierung der ehemals größten Baumwollspinnerei des Kontinents in Leipzig mit (www.spinnerei.de).
Art. 5|III:
Wie sah das Konzept aus, das Sie den Nürnbergern vorstellten?
Je nach Gebäudetypus hatten wir geplant, Nutzungen für Kultur, Bürogewerbe, Produktion und Dienstleistungen sowie Wissenschaft und Forschung zu etablieren. Bestimmte Gebäude, die durch die Überdachung von ehemaligen Innenhöfen durch den früheren Bedarf an erdgeschossiger Produktionsfläche entstanden waren, wurden abgebrochen und wieder in Freiflächen umgestaltet. Dabei wurde ca. 20.000 qm Hallenflächen zurückgebaut. An der Fürther Straße in den Erdgeschossen hatte man zudem hochwertige Handelsflächen mit angedacht, die Frequenz auf das Areal bringen sollten.
Art. 5|III:
Ihre Vision, ein vielfältiges, buntes Quartier der Kunst zu schaffen, bestätigen die Werkschauen „Offen Auf AEG“ eindrucksvoll. Bis zu 15.000 Besucher kommen zu den Ausstellungen in den Hallen und in die Ateliers der Künstler. Wie vielen Menschen sind derzeit dem Gelände beruflich verbunden? Wie vielen Künstlern können Sie kostengünstige Ateliers bieten?
Derzeit arbeiten ca. 1.000 Menschen Auf AEG. Darunter sind 85 Künstler mit ihren Ateliers.
Art. 5|III:
Zum fünften Mal luden Sie im September 2014 zum Kunstmarathon „Offen auf AEG“ ein. Das Event gilt als das größte Frankens. Vor allem die Übersichtlichkeit der diesjährigen Gemeinschaftsschau und die Highlights in Halle 15 und Halle 13 wurden von der örtlichen Presse hervorgehoben. Wie wird das jährliche Großevent überregional aufgenommen, welche Vernetzungen gibt es schon?
Die Vernetzung über Nürnberg hinaus geht eher in die Tiefe als in die Breite. Das bedeutet die überregionalen Besucher sind wirklich ein Fachpublikum aus der Kunstwelt. Ihre Anzahl ist überschaubar, aber diese Besucher sind uns extrem wichtig, weil durch sie unsere Künstler weitere Netzwerke bis hin zu Galerienvertretungen außerhalb von Nürnberg erreichen. Natürlich gibt es sehr enge Vernetzungen und regen Austausch zu der Spinnerei in Leipzig.
Art. 5|III:
Wie geht es weiter? Wer wird noch Einzug halten? Was wird die Werkschau 2015 bringen?
Im nächsten Jahr haben wir zwei wirklich großartige Ausstellungen in unserer großen Halle 20. Eine von Mai bis Juli und dann eine im September zu Offen Auf AEG 2015. Beide Ausstellungen haben durchaus ein Niveau welches sich sonst nur in Museen wiederfinden lässt und man wird damit eine noch höhere Qualität erreichen als bisher. Konkret möchten wir aber noch nicht verraten um welche Ausstellungspositionen es sich dabei handelt. Diese Nachricht soll dann gemeinsam mit den Ausstellungspartnern kundgetan werden.
Natürlich werden unsere ansässigen Künstler auch in 2015 eine spannende Werkschau erstellen.
Copyright Foto: Werkschau OFFEN Auf AEG 2011 © Frank Johannes, 2011