Wenn ich an Peter Braun zurückdenke, dann fällt mir zuerst seine Stimme ein. Markant, rau mit einem manchmal leicht gepresst wirkenden Sprechrhythmus. Es war nicht unbedingt eine schöne Stimme, aber eine, die auffiel. Eine Stimme, die aneckte – akustisch und inhaltlich. Eine Stimme, die man nicht mehr vergaß.
Wahrscheinlich erinnere ich mich auch deshalb an Peter Brauns Stimme, weil ich ihn 1999 bei einem Radiosender kennen lernte. Er arbeitete als freier Mitarbeiter bei Radio Bamberg für den Bereich Kultur, ich absolvierte damals ein Praktikum. Die Moderatoren und Mitarbeiter bekamen regelmäßig Sprecherziehung, um ihre Stimme zu schulen. Ihre Stimmen klangen weich, angenehm, allerdings auch ähnlich in Sprechtempo und Betonung und damit wenig aufregend.
Peter Braun fiel mit seiner Stimme komplett aus der Reihe – und mit seinen Beiträgen. Seine Kulturbesprechungen hatten es in sich. Sie kamen direkt auf den Punkt. Mit klarer Aussage und eindeutigem Urteil. Ich erinnere mich noch gut an Peter Brauns Rezension eines Theaterstücks des damaligen Bamberger Theater-Intendanten. Es war ein Komplett-Verriss. Peter Braun zerlegte das Theaterstück bis ins Detail. Sein Urteil war vernichtend. Die Kritik traf. Tage später rief ein Mit-Praktikant beim Intendanten an, um ein Interview zur bevorstehenden Theater-Sanierung zu führen. Der verweigerte jedoch jegliches Gespräch mit Verweis auf die unmögliche Theaterkritik und legte einfach auf. Deutliche Worte und eine klare Position zeichneten Peter Braun aus. Dass er mit seinem prägnanten, pointierten und spannungsreichen Stil nicht nur fürs Radio hervorragend schreiben konnte, bewies er vor allem in den Folgejahre nach 1999 mit seinen Sachbüchern und Biografien.
Im Juni 2003 erschien im Deutschen Taschenbuch Verlag „Dichterhäuser“. Peter Braun war durch Deutschland, Österreich und die Schweiz gereist und hatte die Wohnhäuser berühmter Dichter besucht – von Goethe über Droste-Hülshoff bis zu Brecht und Hesse. 14 Dichter und Dichterinnen, die er in Kurz-Portraits charakterisierte. Wofür andere Autoren Hunderte an Seiten benötigten, das gelang Peter Braun auf durchschnittlich 15 Seiten. Wenige Sätze genügten ihm, um literarische Persönlichkeiten lebendig werden zu lassen. Ihr Lieben, ihr Leiden, ihre Hoffnungen, ihre Erfolge und Niederlagen. Peter Braun schaffte es mit seinem Schreibstil meisterlich jahrzehntelange Lebensläufe auf das Wesentliche zu verdichten, sodass sie sich spannend wie ein Krimi lasen. Besonders herausragende Beispiele dafür sind auch seine 2010 und 2011 im Berlin Verlag erschienen Bücher „Von Blechtrommeln und Nestbeschmutzern: Deutsche Literaturgeschichte(n) nach 1945“ und „Von Schatzinseln und weißen Walen: Eine kleine literarische Weltreise“. Zielgruppe der Bücher sind 14- bis 15-Jährige, denen Literaturgeschichte mittels kurzer Autoren-Portraits nähergebracht werden soll. Defoe und Dostojewski, Austen, Hemingway, Hugo und Twain gehören ebenso dazu wie Heinrich Böll, Arno Schmidt, Friedrich Dürrenmatt, Ingeborg Bachmann und Christa Wolf. Die kurzweilige Lektüre macht derart viel Spaß, dass man selbst als erwachsener Leser unweigerlich neugierig wird und sich auf literarische Entdeckungsreise begeben möchte – direkt in die nächste Bücherei oder Buchhandlung, um den Autoren und ihren Geschichten an exotische Orte, in vergangene Zeiten oder zu großen Gefühlen zu folgen.
Peter Braun liebte die Literatur und das Schreiben, das ist seinen Büchern mit jeder Zeile anzumerken. Außergewöhnliche Lebensläufe faszinierten ihn. Davon zeugt auch seine E. T. A. Hoffmann-Biografie aus dem Jahr 2004. Und Peter Braun liebte Menschen. Das war ihm jedoch nicht immer sofort anzumerken. „Er war ein guter Freund“, erinnerte sich der Bamberger Drehbuchautor Johannes W. Betz bei der Trauerfeier für Peter Braun. Es habe eine Weile gedauert, bis er aufgetaut sei, aber danach hätten sie auch über persönliche Dinge sprechen können.
Gemeinsam mit Peter Braun hatte Johannes Betz 2009 das Drehbuch zur Tatort-Folge „Häuserkampf“ geschrieben. Gemeinsam hatten sie zuletzt eine mehrteilige Fernsehserie konzipiert und an den Folgen gearbeitet. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit, seiner journalistischen Arbeit und dem Drehbuchschreiben, verfasste Peter Braun auch das Theaterstück „Schiller, Tod und Teufel“, das zum 200-ten Todestag von Friedrich Schiller 2005 im Staatstheater Nürnberg uraufgeführt wurde. Bamberg war als Uraufführungsort nicht in Frage gekommen, da das Verhältnis zwischen Peter Braun und dem Bamberger Theaterintendanten über Jahre angespannt blieb. Peter Braun äußerte seine Kritik immer klar und deutlich. Und er handelte. So initiierte er das Kunststipendium Bamberg, mit dem lokale Künstler gefördert werden. Bamberg und die örtliche Kultur lagen ihm am Herzen.
Peter Braun wird als kritischer Geist und Autor fehlen. Es ist ein schmerzlicher Verlust. Der einzige Trost, der bleibt, ist seine Stimme. Man kann sie vernehmen, wenn man eines seiner Bücher aufschlägt und liest.
Copyright Foto:
Peter Braun, Foto © Pressefoto