Metropolitan

Eine Zeitreise durch die Weltmusik

40. Nürnberger Bardentreffen

veröffentlicht am 22.06.2015 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Was tun rund 200.000 Menschen am letzten Wochenende vor den bayerischen Sommerferien in Nürnberg? Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind sie wegen des Bardentreffens hier, das heuer zum 40. Mal stattfindet. Und weil 40 so eine schöne runde Zahl ist, schenkt das Weltmusik-Festival seinem Publikum in diesem Jahr einen zusätzlichen Veranstaltungstag und lässt den Event schon am Donnerstag, dem 30. Juli 2015 mit einem Sonderkonzert des Schweizers Stephan Eicher mit der Deutschland-Premiere seines neuen „Automaten“-Projekts beginnen. Hierzulande vielleicht noch nicht so bekannt, genießt Eicher in der Schweiz und auch in Frankreich längst den Status eines Superstars.

Als Kulturaktivisten 1976 einen Liedermacherwettbewerb mit regionalen Musikern in Nürnberg ins Leben riefen, ahnte keiner der Beteiligten, welche Erfolgsgeschichte dieses Sängerfest schreiben würde: In vier Jahrzehnten entwickelte sich das Nürnberger Bardentreffen in der historischen Altstadt zum größten Weltmusikfestival Deutschlands bei freiem Eintritt. Das veranstaltende Kulturreferat der Stadt Nürnberg lädt 2015 ausgewählte Künstlerinnen und Künstler erneut auf seine Bühnen: regionale Barden der ersten Stunde ebenso wie Liedermacher-Legenden und Weltmusik-Größen. Sie alle hatten damals etwas zu sagen und haben es heute noch immer.

Ein Urgestein der fränkischen Kulturszene, der beim allerersten Bardentreffen 1976 bereits mit auf der Bühne stand, ist der Nürnberger Mundartdichter und Schriftsteller Günter Stössel. Bei seinem zehnten Bardentreffen-Engagement in diesem Jahr präsentiert er gemeinsam mit Miller The Killer ein Konzertprogramm zu Ehren des verstorbenen Liedermacherkollegen Max Kerner.

Über Georg Ringsgwandl muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Wer den Paradiesvogel 1987 beim Bardentreffen verpasst hat, kann das in diesem Jahr auf dem Sebalder Platz nachholen.

Markus Binder und Hans-Peter Falkner, besser bekannt als Attwenger, trieben bereits in den frühen 1990er Jahren, nur mit Elektro-Harmonika und Schlagzeug auf der Bühne bewaffnet, den Schweiß aus den Poren ihres Publikums. Bernd Begemann war beim Bardentreffen 1996 ein Hoffnungsträger einer neuen Liedermachertradition. Fast 20 Jahre und zwölf Alben später gilt der Entertainer, Sänger und Gitarrist als „Veteran der Hamburger Schule“ („Zeit Online“) und ist der „Lieblingsbarde der deutschen Pop-Intelligenz“ („Spiegel Online“).

Die zwölfköpfige Gypsy-Brass-Ensemble Fanfare Ciocarlia ist nach fast 20 Jahren Welttournee zur Legende gereift. Nach 17 Jahren kehrt es wieder zum Bardentreffen zurück. Die Musiker der deutschen Band Dissidenten begleiteten das Bardentreffen bereits zweimal, 1998 und 2012. Derzeit touren sie mit Ägyptens bekanntestem Sänger und Schauspieler Mohamed Mounir, der für viele seiner Landsleute zum Synonym für liberales Denken und Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung geworden ist. Die Wandermusiker von Bratsch gelten als Superstars der Weltmusikszene, seit mehr als 40 Jahren ist das französische „folklore imaginaire“-Quintett auf Welttournee. 1993 führte sie ihr Weg erstmalig nach Nürnberg, nun spielt die Gruppe ihre letzte Tour.

In seiner Hochphase Ende der 1990er Jahre galt der Bairisch Diatonische Jodelwahnsinn als Innovator einer neuen bayerischen Gstanzl-Tradition. Nach 13 Jahren Pause steht der Wahnsinn wieder auf der Bühne, in leicht veränderter Besetzung, aber noch immer schlitzohrig und rauflustig. Der Südtiroler Liedermacher Georg Clementi ist nach 16 Jahren erneut beim Bardentreffen zu Gast.

Vor 13 Jahren spielten sie bereits an selber Stelle, 2015 kehren die BBC World Music Award Gewinner Los de Abajo aus Mexiko zurück auf den Nürnberger Hauptmarkt. Ihr Sound hat sich über die Jahre verändert, treu geblieben sind „die Rechtlosen“ ihrer politischen Haltung. Von den Kapverden kommt Mayra Andrade, die ihre Mixtur aus Pop und Reggae auf Englisch, Französisch, Portugiesisch und Kreol singt. Der Soundtrack einer modernen Weltenbummlerin.

2008 begeisterten die finnischen Mundharmonika-Spezialisten von Sväng das Publikum. Sie stehen für eine freigeistige, lustvolle Musikmelange aus finnischer Volksmusiktradition und Balkanrhythmen. Der englische Songwriter und Rockgitarrist Steve Gibbons beehrte das Bardentreffen 2009 zum ersten Mal. 2015 ist er – pünktlich zu seinem 75. Geburtstag – der Hauptact am Sonntagabend auf dem Sebalder Platz. Dikanda ist eine der bekanntesten Weltmusik-Bands aus Polen und war bereits 2002 beim Bardentreffen. Das Musikkabarett-Trio Ganz schön Feist löste sich 2013 auf, um nun im Duo als Die Feisten wiederaufzuerstehen. Ihren ersten Auftritt beim Bardentreffen feierten sie 2003, jetzt kehren sie zurück. Bei Gankino Circus aus Dietenhofen in Mittelfranken öffnen sich alte Kerwa-Weisheiten hin zu Balkan-Tänzen im 11/8-Takt, da tanzt Punkrock zu Gypsy-Klängen, vermischt sich finnische Folklore und Clownerie.

Neun Live-Bühnen bieten Platz für 96 Auftritte verschiedenster Art, da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Also auf nach Nürnberg, wie könnten Sommerferien besser beginnen.


Copyright Fotos:

Bardentreffen 2014, © Uwe Niklas

Fanfare Ciocarlia Bahndamm, © Arne Reinhardt

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