Einer, der auszog, die Livemusik zu retten
Der British Music Venue Trust - Understanding small music venues
veröffentlicht am 20.06.2015 | Lesezeit: ca. 5 Min.
Januar 2014. Der Music Venue Trust gründet sich als Vereinigung von Spielstätten und Organisationen mit dem Ziel das britische Netz für Livemusik zu bewahren, zu sichern und zu entwickeln. Damit reagierten die Initiatoren auf den Forschungsbericht „Understanding Small Music Venues: An Interim Findings Report“ des Institute of Contemporary Music Performance. Der Bericht zielt darauf ab, die Bedingungen und Möglichkeiten der britischen Spielstätten zu analysieren und beschreibt die Art und Weise, wie sie sich aufstellen, die Herausforderungen, die sie meistern, und die Rolle, die sie damit spielen. Die Botschaft des Berichts ist eindeutig: Die Lage der englischen Liveclubs ist prekär, die Existenz vieler Spielstätten massiv bedroht. Trotz hoher Identifitkation und Leidenschaft der Betreiber sehen diese ungewiss in die Zukunft. Die Mitglieder der Spielstätten-Allianz suchen daher nach Ansätzen. Der Ruf nach Förderung wird laut, die Diskussion der Herausforderungen mit der Livemusik-Industrie und dem Kultursektor wird gesucht. Ein Maßnahmenprogramm soll Bewusstsein schaffen und Lösungsmodelle generieren.
Immerhin konnte sich die „Music Venues Alliance“ inzwischen wichtige Plätze in verschiedenen Gremien wie der „UK Live Music Group“ und der „Mayor of London`s Taskforce on Live Music“ sichern, und Kontakte zur Musikindustrie im weitesten Sinne aufbauen. Bald soll die ausführliche Endfassung von „Understanding Small Venues“ vorgelegt werden. Zudem steht der Ausbau der Mitgliedschaften an. Derzeit steht die Vereinigung bei über 80 Mitgliedern aus den Bereichen Spielstätten, Livemusik-Agenturen, Werbeagenturen und Kulturorganisationen.
In Deutschland liegt ein entsprechender Bericht nicht vor. Auch eine vergleichbare Initiative lässt auf sich warten. Dabei dürfte der Zustand der Spielstätten unseres Landes sich von dem der englischen Kollegen kaum unterscheiden. Geförderte Spielstätten sind Mangelware. Livemusikprogramm jenseits der kommerziellen Tragfähigkeit basiert auf außerordentlichen Leistungen von Musikinitiativen bis privaten Clubbetreibern, die interessante, innovative und neue Gruppen mit Disco-Einnahmen querfinanzieren und keinen Einsatz auslassen, um der Livemusik doch zu einem attraktiven oder wenigstens erträglichen Rahmen zu helfen. Mit Förderung agieren heute nur noch die wenigstens von ihnen. Und auch das Förderprogramm der Initiative Musik greift viel zu kurz bis gar daneben. Es vergibt Förderpreise an Spielstätten, die bereits ein Jahr inhaltlich überzeugendes Programm auf die Beine gestellt haben und damit in entsprechende Vorleistung treten. Dieses Engagement wird dann mit maximal 384,63 € pro Konzert gefördert, bei Einrichtungen, die jährlich mindestens 52 Konzerte im Programm haben. Bis maximal 500 € erhalten Einrichtungen mit mindestens 10 Konzerten im Jahr pro Konzert. Das deckt jeweils nur einen schmalen Anteil der Kosten, die solche Konzertreihen aufwerfen. Und das trifft nur einen marginalen Anteil an Konzertveranstaltern bzw. Spielstätten dieses Landes. Was für die Jury laut FAQ entscheidend ist, ist im Vergleich zur Unterstützung ein doch unverhältnismäßig hoher Anspruch:
Was sind die wichtigsten Entscheidungskriterien der Jury?
Für die Jury ist entscheidend, ob das eingereichte Programm der Zielsetzung des Spielstättenprogrammpreises entspricht, ob also der betreffende Club oder die Veranstalter – oftmals auch mit hohem finanziellen Risiko – kulturell herausragende Livemusikprogramme anbietet und damit maßgeblich zum Erhalt der kulturellen Vielfalt in Deutschland beiträgt.
Hierfür sind vor allem folgende Kriterien entscheidend:
- Eine qualitativ anspruchsvolle, trendsetzende und kreative Programmkonzeption und -realisation
- Angemessene Konditionen für die ausübenden und Künstler
- Ein hoher Anteil nationaler Bands, ausübender und Künstler und/oder Nachwuchskünstler
- Programmschwerpunkte im Bereich zeitgenössischer Jazz oder experimentelle Rock- und Popmusik
- Experimentelle, innovative Programmauswahl
- Kulturell und konzeptionell ambitioniertes Programm
Entsprechend unverhältnismäßig muss dieses Förderprogramm eingestuft werden. An Vergleiche mit den Fördersätzen der E-Musik gar nicht zu denken. 1.000.000 Euro aus dem Etat der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien stehen zur Verfügung, 100.000 € frisst alleine die Verwaltung der Förderung. Natürlich ist dieser Förderansatz deshalb nicht falsch. Ganz im Gegenteil. Aber unzureichend und viel zu einsam im Reigen der Förderlandschaft. Zudem ist nicht einzusehen, warum die MusikWIRTSCHAFTS-Förderung, der dieses Förderprogramm zugeschrieben wird, ausschließlich aus dem Kulturhaushalt des Bundes finanziert wird. Wo bitte ist der Beitrag des Wirtschaftsministeriums? Die Rekordsteuereinnahmen des Bundes bieten eine gute Ausgangsposition dieses marginale, repräsentative Projekt aufzustocken und seiner Aufgabe mehr Möglichkeiten und damit Breite zu verleihen. So ließe sich ein Best-Practice-Beispiel generieren, das sich Länder und Kommunen entsprechend zum Vorbild nehmen sollten.
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