Die freie Szene in Nürnberg ist gut, mit institutionalisierten, koordinierenden Anlaufstellen aufgestellt und besticht durch Vielfalt. Dafür stehen diverse Theaterhäuser, Ensembles und zahlreiche Einzelakteure. Dafür steht die Tafelhalle als professioneller Produktionsort. Die Förderung von Darstellung und Tanz in Nürnberg umfasst jährlich 150.000 inkl. 20.000 € Impulsförderung für Produktionen mit der Tafelhalle. Ein fruchtbarer Boden, aber längst kein bestelltes Feld, so scheint es. Denn die freien Darsteller:Innen sehen sich offenbar längst nicht adäquat geschätzt und vertreten und stellen der landes- und bundesweiten Verbandsarbeit für die freien darstellende Künste mit dem Freie Szene Nürnberg e.V. eine Lobbyeinrichtung direkt vor Ort zur Seite. Die Zielgruppe, die vertreten werden soll, sind alle Akteur:innen der darstellenden Künste, die ihren Arbeitsschwerpunkt in der Metropolregion Nürnberg haben. Deren Interessen hat der Verein im Fokus. Er argumentiert mit Vielfalt an Stilen und Formensprachen. Deutet auf diverse Spezifika und Entwicklungsgeschichten. Und somit auf facettenreiche Ästhetiken in Theater und Tanz.
Der Freie Szene Nürnberg e.V. hat seine Zielsetzungen gründlich erarbeitet und kämpft für den Ausbau der Möglichkeiten und Wahrnehmung des freien Theaters und Tanz in der Metropolregion, speziell in Nürnberg selbst. Zwar hat er auch die Fördermodalitäten des Freistaats im Blick, von dem er sich im Stich gelassen fühlt. Gezielt jedoch zielt er auf die Erhöhung der Fördermittel der Stadt Nürnberg ab. Auf die Ausdehnung und Öffnung derer Förderung in verschiedene Richtungen. Auf professionelle Produktionsbedingungen auch jenseits der Tafelhalle, die seit bereits 1987 als eine Art Heimstätte der Freien Szene gilt.
Von Strukturförderung ist die Rede, von Leerstands-Zwischennutzung zur Linderung der Raumnot. Von Selbstverpflichtung und Verankerung als Fördervoraussetzungen bezüglich adäquater Mindestgagen. Von verbesserten Beratungs- und Koordinationsleistungen sowie Kooperationsvermittlung. Von Möglichkeiten zur Selbstbildung, zur Entwicklung, zum Experiment. Vom Austausch von Ausstattung. Ganz pragmatisch dazu der Wunsch, einen gemeinsamen Spielplan der Freien Szene zu realisieren. Gebündelt aufzutreten in Information und Marketing. Kurzum: Der Freie Szene Nürnberg e.V. setzt auf eine ganzheitliche Entwicklung seiner Genres. Ein Netzwerk mit Austausch, ein Probenzentrum als feste Institution. Mit dem Traum eines Produktionszentrums mit Zentralfunktion, das Begegnungsraum ist und Visionsstütze. Reflexionsraum und Profilsäule. Dazu die Etablierung eines Festivals der freien darstellenden Künste. Beides soll Nukleus der Weiterentwicklung sein, Zentrum für Diskurs und tragende Einheiten, die der Nürnberger Szene ein sichtbares Gesicht im bundesweiten und internationalen Kontext verleihen. Und einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung zeitgemäßer Ästhetiken und zur Progression der freien darstellenden Künste leisten.
Art5drei hat im Gespräch mit dem Vorstand Jakob Jokisch nachgehakt:
Der Verband der freien Darstellenden Künste der Metropolregion Nürnberg „FreieSzeneNbg e.V." wurde im Juli 2021 zum Zwecke der strukturellen und politischen Unterstützung freier Kulturschaffender in den Darstellenden Künsten gegründet. Das beinhaltet insbesondere das Schaffen eines Netzwerks aus in der Metropolregion tätigen Künstler*innen und Kolleg*innen weiterer Gewerke, das zum professionellen Austausch, dem Teilen von Ressourcen, der Nachwuchsförderung sowie der Bündelung von Impulsen zur Bewältigung der Herausforderungen in diesem Bereich dienen soll. Insofern agiert der Verein auch als Interessenvertretung der Mitglieder und des Netzwerks gegenüber der Kommunalpolitik und den überregionalen Fachverbänden.
Die kommunalpolitischen und strukturellen Gegebenheiten sind in jeder Stadt bzw. jedem Gebiet anders, ebenso die kommunale Haushalts- und damit Förderungspolitik. So sind Kolleg:Innen in Nürnberg besonderen Problematiken ausgesetzt. Die konkrete Unmöglichkeit in Nürnberg Förderungen aus dem bayerischen Kulturfonds zu bekommen, muss als ein Beispiel genannt werden. Die hohe Diversität der Nürnberger Bevölkerung, der damit sehr unterschiedliche Bedarf an kulturellen Angeboten und die Notwendigkeit, kulturelle Begegnungsstätten zu schaffen, ist eine weitere Besonderheit unseres Arbeitsmittelpunkts. Letztlich müssen sich die Darstellenden Künste einer ständigen Reflexion im Hinblick auf ihre ästhetischen Mittel und Formen unterziehen, weswegen lokale Ausbildungsinstitute und die lokale mediale Besprechung von spezifischen Produktionen von enormer Bedeutung für den ästhetischen Diskurs und die Strahlkraft einer lokalen Szene in und über die Region hinaus sind.
Das Netzwerk, das wir seit Herbst 2020 aufbauen konnten, umfasst derzeit um die 170 Künstler:Innen und -gruppen, von denen seit seiner Gründung inzwischen ca. 40 Personen und freie Häuser als aktive Mitglieder dem Verein beigetreten sind. Unser ehrenamtlicher Vorstand besteht aus Francesca Imoda, Nicole Schymiczek, Philine Bührer und mir.
Die Mitglieder arbeiten in unterschiedlichen Städten wie z.B. auch Fürth, Erlangen oder Coburg und zu einem großen Teil zeigen die Künstler:Iinnen ihre Produktionen auch außerhalb der Metropolregion an anderen Orten Deutschlands und Europas. Ein Großteil der Arbeit findet allerdings auch in Nürnberg selbst statt.
Die Tafelhalle ist ein städtisch betriebener Spielort, in dem unter anderem einige Produktionen der freien Darstellenden Künste zur Aufführung gebracht werden. Darüber freuen wir uns natürlich. Die Kapazitäten der Tafelhalle reichen dabei allerdings bei weitem nicht aus, um einer freien Szene, wie sie bei der Größe der Stadt Nürnberg angemessen und notwendig ist, genug Raum für Aufführungen zu bieten. Zusätzlich sind städtische Betriebsstrukturen nicht immer unbedingt mit der Arbeitsweise freier Produktionen vereinbar und letztlich müssen bei einer solchen Stellung wie der der Tafelhalle auch immer die Machtstrukturen und in dem Zusammenhang die Problematik von Kurator:Innen („Gatekeeper:Innen“) mit bedacht werden. Ein einzelnes Haus als Ort der freien Szene in der Hand der Stadt kann daher in keinem Fall ausreichend sein. Vielmehr braucht eine freie Szene den Diskurs und die Möglichkeiten, unterschiedlichste Freiräume zu bespielen sowie die Möglichkeit, auch neue Orte zu erschließen. Dies kann allerdings nur mit einer Förderstruktur gelingen, die einerseits finanziell diese Vorhaben in einem Rahmen unterstützt, der es professionellen Künstler:Iinnen ermöglicht an diesem Ort ein Auskommen zu haben, professionelle Produktionsbedingungen zu schaffen und Spielorte zu bespielen, und andererseits strukturelle Unterstützung im Hinblick auf Liegenschaften und die allgemeine Immobiliensituation liefert. Anderenfalls kann sich eine freie Szene nicht entfalten und weiterhin werden viele interessante und innovative Künstler:Innen an andere Orte abwandern, an denen sie es sich – platt gesagt – leisten können zu arbeiten.
Seit seiner Gründung konnten wir erreichen, zumindest von der Kommunalpolitik und einigen wichtigen Akteur:Innen in der Kulturszene auch als Interessenvertretung unserer lokalen Darstellenden Künstler:Innen wahrgenommen zu werden. Somit waren wir auf einigen auch überregionalen Fachkonferenzen vertreten und wurden auch immer wieder als Teilnehmer:Innen auf Podiumsdiskussionen eingeladen, um unsere Mitglieder zu vertreten. Darüber hinaus konnten wir monatliche Netzwerktreffen zum Austausch für die Kolleg:Innen organisieren, den Landesverband Freie Darstellende Künste in Bayern bei der Bildung eines internationalen Netzwerks mit Kolleg:Innen aus Tschechien unterstützen und nicht zuletzt einen Probenort anmieten, an dem Mitglieder zu einer sehr sehr geringen Nutzungsgebühr professionelle Probenbedingungen in Anspruch nehmen können, um ihre Produktionen zu erarbeiten. Für unsere knapp zweijährige Zeit des Bestehens ein großer Kraftakt, aber wir bekommen positive Rückmeldungen.
In Nürnberg stehen wir vor allem vor strukturellen Herausforderungen. Was den meisten - auch Entscheidungsträger:Innen - nicht klar ist, ist, dass eine überregionale Förderung z.B. durch den Bund eine hohe Gegenfinanzierung von z.B. 50% vorsieht. Bei einer geringen Fördermenge durch die Stadt und keiner Förderung durch das Land Bayern ergeben sich hieraus Projektbudgets, die keine professionelle Arbeit ermöglichen. Dies sichtbar zu machen und gleichzeitig gegen Argumente wie angespannte Haushaltslagen nach der Pandemie zu argumentieren ist nicht leicht. Eine weitere Herausforderung liegt in strukturellen Barrieren unserer eigenen Arbeit. Um alle Kulturschaffenden zu erreichen, die von einem Zusammenschluss wie dem unseren letztlich profitieren könnten, müssen wir in die Stadtteile gehen, die Arbeit sehen und würdigen können, die dort passiert und offen auf die Kolleg:Innen zugehen, um Vorbehalte und Skepsis abzubauen, die Menschen oft haben, die von struktureller Benachteiligung betroffen sind. Diese wichtige Arbeit ist im ehrenamtlichen Rahmen leider nur sehr langsam und Stück für Stück realisierbar. Zuletzt sind in den Jahren seit Hermann Glaser auch einfach in Nürnberg Strukturen gewachsen und von einzelnen Kolleg:Innen mit großem Einsatz erkämpft worden, die diese Einzelnen begünstigen. Davon zu überzeugen, dass alle von einem Ziehen am gemeinsamen Strang profitieren würden, braucht einiges an Energie und Informationsarbeit.
Freie Szene Nürnberg
FreieSzeneNbg e.V.
Verband der freien Darstellenden Künste der Metropolregion Nürnberg
Pirckheimerstraße 38
90408 Nürnberg
Vertreten durch:
Jakob Jokisch, Nicole Schymiczek, Francesca Imoda