Er kommt aus der Nähe von Aachen, und dort aus einer musischen Familie: Dr. Bernhard F. Loges, der frisch installierte Intendant des Landestheaters Coburg, stammt aus einem Theologenhaus, das schon vom Großvater her von der Neigung zum Theater geprägt war. Zur Oper kam Loges schon als Kind per Schulspiel und Hospitanz am Theater Aachen. Früh regte sich der Wunsch, Schauspieler zu werden und auch Erfahrungen hinter der Bühne zu sammeln. Hinzu kamen Unterricht am Klavier und Gesangsstunden. An der Ruhruniversität Bochum studierte er Theaterwissenschaft, Komparatistik und Alte Geschichte. Neben freier Theaterarbeit zog es ihn immer wieder an die Deutsche Oper in Düsseldorf, wo er ab 2009 Musikdramaturg wurde. Unterdessen hatte er über das Thema „Heiliger Wahnsinn auf der Bühne – Die Figur der Hysterika“ in der Belcanto-Oper“ promoviert.
Bernhard F. Loges ist wesentlich durch die Zusammenarbeit mit dem prominenten Regisseur Dietrich W. Hilsdorf am Düsseldorfer Opernhaus geprägt worden. Neben der Programmierung der Familienopern und der Programmgestaltung des Opernstudios entwickelte er mit Hilsdorf das Konzept zur Neuinszenierung von Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“. Als Mitglied in diversen Beiräten und Jury ist Loges in den Bereichen Festspiele und Musiktheater gut vernetzt. Seit seiner Ernennung zum Nachfolger Bodo Busses am Landestheater Coburg ist er während des dortigen Vakanzjahres sehr präsent gewesen in Oberfranken. Ihm stehen keine leichten Zeiten bevor, denn das Haus harrt einer Generalsanierung und muss sich in der Interimszeit mit einem – allerdings innovativen – Ersatzbau zufrieden geben. Als Ziel seiner künftigen Arbeit hat der neue Intendant die Empathiebildung formuliert, also die Fähigkeit, in der Auseinandersetzung mit Theaterstoffen das Mitfühlen mit anderen Menschen zu entwickeln.
In einem Interview haben wir Dr. Bernhard F. Loges zu seinen Vorstellungen und Plänen befragt.
ART. 5|III: Vom Rheinland nach Oberfranken ist es ein weiter Weg, von einem großen eingespielten Haus zu einer zukünftigen Baustelle ebenfalls. Was hat Sie bewogen bzw. welcher Art war Ihre Motivation, um von Düsseldorf nach Coburg zu wechseln, wo das Dreispartenhaus einer Sanierung harrt?
BL: Wenn man mehrere Jahre an prominentem Ort als Dramaturg arbeitet, ist man kein Unbekannter in der Theaterszene mehr. Deshalb hat man mich auf die eintretende Vakanz auf dem Coburger Intendantenposten angesprochen. Eine große räumliche Entfernung – ich bin nämlich eigentlich Aachener – ist in unserem Metier sowieso irrelevant, denn wir müssen an vielen Orten zu Hause sein. Angst vor Baustellen dürfen Theaterleute nicht haben, denn allenthalben werden in der Republik Häuser saniert. Nicht zuletzt ist nach der Dramaturgie geradezu zwangsläufig eine Intendanz der nächste Schritt in der Theaterlaufbahn – auch das ist natürlich eine Motivation.
ART. 5|III: Sie treten die Nachfolge eines erfolgreichen Intendanten an. Macht das die Sache leichter oder erhöht es den Druck, unbedingt reüssieren zu müssen?
BL: Vor der Leistung Bodo Busses habe ich höchsten Respekt, nicht nur in künstlerischer Hinsicht, sondern auch in menschlicher. Es ist sicherlich kein Zufall, dass alle Spartendirektoren in Coburg geblieben sind, denn das Haus ist gut aufgestellt und profitiert von einer ausgezeichneten Atmosphäre. Wir haben ein tolles Team! Das macht die Nachfolge leichter, andererseits wird niemand leugnen können, dass auf einem „Neuen“ auch ein gewisser Erfolgsdruck lastet. Sagen wir es so: Bodo Busse nachzufolgen ist eine Herausforderung, aber auch eine Ehre.
ART. 5|III: Wie ist zurzeit der Stand der Dinge bezüglich a) des geplanten Ersatzdomizils, eines Globe-Theaters mit Shakespeare‘scher Anmutung und b) des Zeithorizontes für die Restaurierung des Großen Hauses?
BL: Zum Glück haben wir eine weitere Fristverlängerung bezüglich der Nutzung des Stammhauses bekommen, wenn auch mit Auflagen. So können wir etwas entspannter der Fertigstellung des Globe-Theaters entgegensehen, die für Mitte 2021 vorgesehen ist. Bleibt es dabei, dann ziehen wir im Sommer dieses Jahres um. Übrigens ist die Realisierung dieses innovativen und für Coburg sehr nachhaltigen Projektes angeschoben worden durch die ideelle und finanzielle Hilfe seitens Coburger Wirtschaftskreise – Michael Stoschek von Brose, Klaus-Jürgen Heitmann von der HUK und Tina Vlantoussi-Kaeser von Kaeser Kompressoren – sowie durch eine heftige Finanzspritze des Freistaates Bayern in Höhe von 10 Millionen Euro.
ART. 5|III: Haben Sie eine Garantie für den Erhalt aller drei Sparten?
BL: Garantien sind in der künstlerischen Welt selten, aber mir sind noch keinerlei Streichungspläne zu Ohren gekommen, die eine der Sparten betreffen könnten. Sie spielen ja vermutlich auf die Ballettsparte an, die bisweilen an anderen Häusern in der Tat gefährdet war. Wir sind ein Dreispartenhaus und werden es bleiben, da bin ich mir sicher, zumal ja auch der Status eines Landestheaters von Gewicht ist.
ART. 5|III: Sie kommen vor allem vom Musiktheater her. Trotzdem die Frage: Wo könnten Ihre Schwerpunkte im Bereich des Sprechtheaters liegen?
BL: Als Theaterwissenschaftler komme ich eigentlich vom Sprechtheater her, doch in der Tat haben meine Tätigkeitsschwerpunkte in den letzten Jahren eindeutig auf der Opernsparte gelegen. Der Beginn meines beruflichen Weges war allerdings vom Schauspiel geprägt, zumal während der frühen Jahre in Aachen. In vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Matthias Straub entwickeln wir gemeinsame Schwerpunkte, die sich dann im Spielplan wiederspiegeln.
ART. 5|III: Welche Profilierungschancen hat eine relativ kleine Ballett- bzw. Tanztheatercompagnie?
BL: Da gilt Ähnliches wie das eben schon Gesagte, ich betone aber, wie froh ich darüber bin, dass unser Ballettdirektor Mark McClain in seiner sehr offenen Art viele Kontakte nach außen so gewinnbringend für unser Haus nutzt. Formate wie „First Steps“ oder unser neues Projekt im Bereich Kinder- und Jugendtheater sprechen für die Innovationskraft der Compagnie.
ART. 5|III: In der Opernsparte sind Sie für Ihre erste Saison mit der leichten Muse sozusagen „in die Türe gefallen“. Gleich zwei Musicals, eine Operette und eine eher lustige Hindemith-Oper – das ist eine deutliche Ansage!
BL: Ihr Befund erstaunt mich ebenso wie er mich freut, denn hier hatte ich nach meiner ersten Programmvorstellung eher den Eindruck, dass das vielen Coburgern noch zu wenig war. Ich finde eigentlich auch, dass wir mit einer guten Dosis im leichten Genre angefangen haben, doch bedarf es hier der Vermittlung.
ART. 5|III: Bezüglich des Inszenierungsstils kann man Operetten aufgrund des gesprochenen Textes besonders leicht aktualisieren, ohne dass gleich von „Regietheater“ die Rede sein muss. Reizt Sie das?
BL: Natürlich, denn die Operette ist ein ziemlich offenes Genre, das man nicht unterschätzen sollte. Das gilt gerade auch für die „Silberne Operette“, die sich nicht nur mit Humor, sondern auch mit viel Hintersinn und Ironie ihrer eigenen Zeit stellt. Eduard Künnekes Operette „Der Vetter aus Dingsda“, die wir im Mai herausbringen, ist dafür ein schönes Beispiel.
ART. 5|III: Sie ahnen sicherlich, dass uns hier in Franken – zumal angesichts bedenklicher Bayreuth-Nähe – das Musiktheater Richard Wagners besonders interessiert. Sie haben zusammen mit Dietrich Hilsdorf das Konzept zur Neuinszenierung der Tetralogie an der Deutschen Oper am Rhein entwickelt. Welche neuen Wege kann man in einem solch ausgedeuteten Werk überhaupt noch gehen?
BL: Da kann ich nur eben jenen Weg empfehlen, den Dietrich Hilsdorf immer wieder geht, nämlich den der stets neuen Textbefragung. Wer die Libretti sorgfältig liest und die Personenkonstellationen genau beobachtet, wird aus seinem je eigenen Erfahrungshorizont heraus immer neue Sichtweisen entdecken können.
ART. 5|III: Schwebt Ihnen für Coburg im Bereich Musiktheater auch Großformatigeres vor als Mozarts „Zauberflöte“, mit der Sie ja, in der Inszenierung von Philipp Westerbarkei, sozusagen Ihren Einstand gegeben haben? Dass die Coburger Musiker z.B. Strauss können, haben sie zuletzt in einem famosen „Rosenkavalier“ bewiesen. Wer Strauss kann, kann auch Wagner. Welche Oper käme ihnen da als erstes für Coburg ins Visier?
BL: Unser kommendes Projekt, Benjamin Brittens „Peter Grimes“, der vom hochgeschätzten Alexander Charim inszeniert wird, ist schon ein ziemliches Großformat. Aber wenn Sie Wagner nennen, müsste ich flunkern, wollte ich diesbezügliche Gedankenspiele dementieren. Der hochgelobte „Parsifal“ aus dem Jahre 2017 hat ja bewiesen, dass unser Orchester das schafft, geleitet vom famosen GMD Roland Kluttig. Daran gilt es anzuknüpfen, zumal es die Coburger Fassungen von Wagneropern gibt, die ja wie eine Verpflichtung anmuten. Freilich werde ich mich hüten, irgendwelche Operntitel auszuplaudern, bevor eine solch ambitionierte Realisierung wirklich spruchreif ist.
ART. 5|III: Wie steht es um das Musiktheater des 20. Jahrhunderts?
BL: Da kann ich mich ganz kurz fassen und Ihnen garantieren, dass wir nach dem „Peter Grimes“ und „Neues vom Tage“ regelmäßig an modernem Musiktheater dranbleiben.
ART. 5|III: Was wollen Sie abschließend äußern, einen Wunsch oder einen Traum?
BL: Egal wie Sie es nennen, ich wünsche mir, dass unser Theater im Gespräch bleibt und einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben vermag. Und ich hoffe, dass die Inszenierungssprachen der von mir besonders geschätzten Regisseure in Coburg auf eine gute Resonanz stoßen. Ich nenne nur Joan Anton Rechi, dem wir die quirlige Musical-Inszenierung von Stephen Sondheims „Into the Woods“ verdanken, oder Alexander Müller-Elmau, der im Juni Georges Bizets „Carmen“ auf die Bühne des Landestheaters stellen wird. Wichtig und besonders wünschenswert ist es, dass unser Publikum offen für Neues bleibt und mit uns als Theater weiter ins Gespräch kommt, oder kurz gesagt: dass es neugierig ist.
Fotocredits:
Bernhard Loges, Foto © Sebastian Buff