Wie schon in den letzten Jahren geht es auch heuer im Vorfeld der Bayreuther Festspiele eher ruhig und unaufgeregt zu. Und das, obwohl mit dem erstmaligen Engagement von Weltstar Anna Netrebko ein Coup gelungen ist, auf den man lange wartete. Die russische Diva hat sich aus guten Gründen lange geziert, in Bayreuth aufzutreten, denn sie fühlte sich nicht ausreichend vertraut mit der deutschen Sprache. Nun wird sie im August zweimal die Rolle der Elsa im „Lohengrin“ übernehmen.
Ab Anfang Juni ist auf dem Grünen Hügel vor allem Probenzeit. Das humane Gewusel ist dann so groß, dass die Tür des Personalbüros eigentlich ausgehängt werden kann, denn sie steht sowieso immer offen. Nicht weniger als 704 Mitarbeiter – nicht gezählt die 61 Statisten und 40 Einlasskräfte – sind dann auf dem Festspielgelände präsent und reisen erst nach der letzten Vorstellung Ende August wieder ab: Solisten, Orchestermusiker, Chorsänger, Techniker und Mitarbeiter in den Werkstätten oder in der Maske. Für viele unter ihnen bedeutet die Mitwirkung in Bayreuth, also bei einem saisonalen Theaterbetrieb, oft genug den Verzicht auf einen Sommerurlaub.
Die Festspiele werden heuer erstmals mit einer Premiere unter dem Dirigat Valery Gergievs eröffnet. Die Neuinszenierung von Richard Wagners „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“ obliegt Tobias Kratzer. Dieser junge Regisseur erregte 2008 Aufsehen, als er beim internationalen Regie-Wettbewerb „Ring Award Graz“ unter zwei verschiedenen (pseudonymen) Identitäten den 1. Preis sowie die Sonderpreise gewann. Seitdem ist er unter eigenem Namen als Regisseur tätig. Kratzer studierte Kunstgeschichte und Philosophie in München und Bern sowie Schauspiel- und Opernregie an der Bayerischen Theaterakademie August Everding.
Der Regisseur kann auf Inszenierungen an bedeutenden Opernhäusern verweisen, unter denen sich die Brüsseler La Monnaie, die Komische Oper Berlin, das Deutsche Nationaltheater Weimar und die Opernhäuser von Basel, Graz, Frankfurt und Karlsruhe befinden. Zu seinen Schwerpunkten gehört die auch für Wagner so wichtige „Grand Opéra“ französischen Zuschnitts, vor allem die drei Hauptwerke Giacomo Meyerbeers, die er 2014-18 als Zyklus an verschiedenen Häusern inszenierte. Seine Wagner-Inszenierungen sind mehrfach als „Aufführung des Jahres“ ausgezeichnet worden, und er selbst wurde zum „Opernregisseur des Jahres 2018“ erkoren.
Der neue „Tannhäuser“ kann auf den Solistenpositionen mit viel Prominenz aufwarten. Stephen Gould, seit 2015 gefeierter Tristan in Katharina Wagners Neuinszenierung, wird die Titelpartie singen, Ekaterina Gubanova (die große Erfolge mit der Rolle der Brangäne feierte) die Venus. Stephen Milling, der 2015 als Hagen sein umjubeltes Debüt bei den Bayreuther Festspielen gab, interpretiert den Landgrafen Hermann. Daniel Behle begeisterte 2017 in den Bayreuther „Meistersingern“ als David und singt nun im „Tannhäuser“ den Walther von der Vogelweide, während Markus Eiche, ständiger Gast in Bayreuth seit 2007, den Wolfram von Eschenbach gestaltet.
Bei den Wiederaufnahmen wird es sicherlich – gemäß der Bayreuther Werkstattidee – neue Entwicklungen geben. Besonders gespannt sein wird man auf die diesjährige Version der „Meistersänger von Nürnberg“, denen Regisseur Barry Kosky schon im letzten Jahr einschneidende Veränderungen verpasste. Mit Sicherheit darf man sich auf das grandiose Sängertrio Klaus Florian Vogt (Walther von Stolzing), Johannes Martin Kränzle (Sixtus Beckmesser) und Michael Volle (Hans Sachs) freuen, das von der bezaubernden Camilla Nylund (Eva) komplettiert wird. Die musikalische Leitung obliegt wieder – wie schon seit 2017 – Philippe Jordan, dem künftigen Musikdirektor der Wiener Staatsoper.
Besonders im Fokus des Interesses wird diesmal der „Lohengrin“ stehen, der in der Neuinszenierung Yuval Sharons vom letzten Jahr wieder aufgenommen wird. Das liegt weniger am Bühnenbild von Neo Rauch und Rosa Loy, an dem sich wohl wenig ändern wird, sondern an der Sängerbesetzung. Zum Einen wird der famose Piotr Beczala, der 2018 seinen umjubelten Einstand in der Titelpartie gab, heuer mit dem in Bayreuth ebenfalls angehimmelten Klaus Florian Vogt alternieren. Zum Anderen sind die im letzten Jahr etwas enttäuschenden Frauenpartien mit Elena Pankratova (Ortrud), Krassimira Stoyanova und Anna Netrebko (Elsa von Brabant) neu besetzt worden.
Als weitere Wiederaufnahmen werden Uwe Eric Laufenbergs „Parsifal“-Inszenierung von 2016 (musikalische Leitung: Semyon Bychkov) und Katharina Wagners Version von „Tristan und Isolde“ zu sehen sein. Bei Letzterer wechseln sich Stefan Vincke und Stephen Gould in der Titelpartie ab, während das Dirigat wieder in den Händen von Christian Thielemann liegt, dem „Hausdirigenten“ des Festivals. Eine „Tristan“-Aufführung wird auch am 28. August die diesjährigen Bayreuther Festspiele beenden.