Die Sammlung Rolf Horn aus Schleswig ist mit gut 100 expressionistischen Gemälden, Zeichnungen, Grafiken und Plastiken und einigen Werken aus Afrika und Ozeanien, wie sie den Expressionisten in Deutschland als Inspiration dienten, zu Gast im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). Dies nehmen die Kuratoren zum Anlass, zwei Konvolute zu thematisieren, die in den 1890er Jahren in das Museum kamen: die Melanesien-Sammlung* von Franz Emil Hellwig und die Asien-„Sammlung“* Emil Riebecks. Beide sind heute nur noch rudimentär vorhanden und werden erstmals in einem Ausstellungsprojekt auf der Basis aktueller Forschungen präsentiert. Neben einzigartigen Kunstwerken thematisiert die Ausstellung Fragen nach dem Umgang westlicher Museen mit Werken, die ihren Weg nach Europa der kolonialen Vergangenheit des Kontinents verdanken, und nach dem Verhältnis zwischen Expressionismus und Kolonialismus. Sie versteht sich als Einladung, über die koloniale Vergangenheit Deutschlands und den heutigen Umgang damit sowie die Rolle der Kunst der Klassischen Moderne in diesem Zusammenhang kritisch nachzudenken.
DIE SAMMLUNG HORN
Die Sammlung von Rolf und Bettina Horn wurde von Rolf Horn (1912–1995) nach dem zweiten Weltkrieg aufgebaut und ab 1975 gemeinsam mit Bettina Horn (geb. 1939) weiterentwickelt. Den Schwerpunkt bilden Werke des frühen 20. Jahrhunderts, der sogenannten Klassischen Moderne, mit einem Fokus auf die Kunst des Expressionismus und hier vor allem die Holzschnitte der Mitglieder der Künstlergruppe Brücke. Die Werke der Sammlung eint, dass sie mehrheitlich Menschen zeigen. Fast alle Künstlerinnen und Künstler sind mit Selbstbildnissen vertreten. Sie dienen Kunstschaffenden seit der Renaissance unter anderem dazu, sich mit sich selbst, ihrem Schaffen, aber auch ihrer Position in ihrer Welt auseinanderzusetzen. Daneben sammelte das Ehepaar auch Werke aus nicht-europäischen Kontexten, wie sie ähnlich die Künstler der Brücke inspirierten. Seit dem Tod Rolf Horns erweitert Bettina Horn die aktuell etwa 450 Werke umfassende Sammlung konsequent weiter und spannt so den Bogen von der Klassischen Moderne zu Positionen aus dem 21. Jahrhundert.
DIE SAMMLUNG HELLWIG
Mehr als 1 700 Objekte umfasste das Konvolut des aus Halle (Saale) stammenden Unternehmers und ethnografischen Laien Franz Emil Hellwig (1854–1929), das von der Stadt im Jahr 1899 erworben wurde. Hellwig hatte die Waffen, Gebrauchsgegenstände und Skulpturen während seiner Tätigkeit in der späteren Kolonie Deutsch-Neuguinea (heute Melanesien, Papua-Neuguinea, Mikro- und Polynesien) mitgebracht. Heute existieren im Museum nur noch acht Objekte, hauptsächlich Rindenbastmatten (Tapa) aus Samoa und Fidschi. Die übrigen Werke in der Präsentation sind Leihgaben des GRASSI Museums für Völkerkunde zu Leipzig, wohin ein Teil der Sammlung 1953 im Zuge der sogenannten Museumsprofilierung in der DDR abgegeben wurde.
DIE „SAMMLUNG“ RIEBECK
Der wissenschaftlich interessierte Weltreisende und Organisator von Expeditionen Emil Riebeck (1853–1885) trug eine umfangreiche „Sammlung“ vor allem kunstgewerblicher Gegenstände aus Ostasien, Indien, Arabien und Afrika zusammen. Sie befindet sich heute in verschiedenen Museen in Berlin, Dresden, Wien, Weimar und Halle (Saale). Allerdings hat die Saalestadt, die nach dem frühen Tod der Brüder Emil und Paul Riebeck das Familienvermögen 1889 erbte und in ihrem städtischen Museum viele Jahre stolz präsentierte, die ihr zugefallenen ca. 700 Objekte bis auf einzelne Werke 1921 verkauft. Dennoch erlauben die bis heute im Museum überlieferten Gebrauchs- und Luxusgegenstände einen Einblick in die Lebenswelten und die Passion eines überaus wohlhabenden Hallensers im späten 19. Jahrhundert.
Die Ausstellung ist noch bis zum 23. Juni 2024 im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Friedemann-Bach-Platz 5, 06108 Halle (Saale) zu sehen. Weiterführende Informationen unter www.kunstmuseum-moritzburg.de.