Sascha Reimann ist einer derer, die den Weg für den deutschen Hip-Hop entscheidend mitbereiteten. Seit weit über 30 Jahren schon steht der als Ferris MC bekannt gewordene Wahl-Hamburger auf der Bühne. Der im vergangenem Oktober 50 Jahre gewordene Musiker mit dem Faible für verschiedenste Musik-Genres ist längst generationenübergreifend einer, der bewegt. Und der etwas zu erzählen hat. Schließlich waren weder seine Karriere noch sein Leben ein dauerhafter Höhenflug. Ganz im Gegenteil: Immer wieder standen er und seine Leidenschaft für allerlei Süchte dem genialen Ich im Weg. Am Ende siegte die Vernunft, die Liebe und der Gedanke an die eigene Zukunft und die seiner beiden Kinder. Ferris MC ist angekommen. Und lässt dabei seine große Liebe, die Musik, nicht außenvor. Am 16. Februar gastiert er an der Seite seines langjährigen DJs Stylewarz im Live Club in Bamberg, am 18. Februar werden die beiden im Nürnberger Z-Bau auf der Bühne zu bestaunen sein. Im Vorfeld der beiden mit Spannung erwarteten Gigs unterhielt sich ART. 5|III mit dem deutschen Hip-Hop-Urgestein. Über die Vergangenheit, die Zukunft und natürlich auch die momentane Situation in der Musikbranche. Und auch über sein in allen Belangen höchst spannendes Leben.
Moin auch. Eine gute Frage. Das war ja eigentlich etwas anders geplant, als es jetzt kommt. Normalerweise wollten wir auf Tournee mit der neuen Platte im Gepäck. Jetzt ist es andersherum und die Tour ist quasi jetzt Promotion für das Album. Wir sind gerade am abmischen. Das war komplizierter als gedacht. Wenn du das alles selber machst und nicht mehr mit Management im Rücken.
Eine spannende Frage. In der Zeit nach Corona ist ja momentan immer noch ein Überangebot an Konzerten da. Ich hoffe, dass die Tour zum richtigen Zeitpunkt kommt. Einige Gigs laufen jedenfalls sehr gut im Vorverkauf.
Ich weiß es ganz ehrlich nicht. Es gab schon einmal Signale meinerseits in diese Richtung. Deichkind hat aber ja Roger Rekless als Nachfolger von mir an Bord. Ich bin da echt offen. Es gab und gibt ja keinen Groll auf den anderen – weder von mir, noch vom Rest der Band. Also vielleicht ja, wenn ich 62 oder so bin.
Das stimmt. Ich bin angekommen. Die Schwelle zu einem anderen Leben war da. Die Abkehr von gewissen Dingen bringt dir einfach am Ende mehr Jahre. Meine Kinder sind jetzt fünf und eineinhalb Jahre alt. Da hast du noch einiges vor. Für die Weiterentwicklung sind Kinder unheimlich wertvoll. Vielleicht würde sich ohne das vieles wiederholen in meinem Leben. Jetzt hast du eine ganz andere Stressverlagerung. Du hast Sorgen. Aber halt ganz andere als damals. Jetzt trägst du einfach mehr Gewicht auf den Schultern.
Da hätte ich kein Problem damit. Sie sollen machen, worauf sie Bock haben. Meine Tochter wollte bis vor kurzem Zahnfee werden. Jetzt will sie Archäologin werden. Eine Affinität zur Bühne hat sie aber auch. Sie ist aber auch superintelligent. Wichtig ist, dass die Kids gefördert werden. Egal, was sie tun. Sie sollen erfüllt sein und Spaß daran haben. Als Eltern musst du ihnen diesen „save space“ bieten und sie auffangen. Ihnen irgendwie alle Freiheiten der Welt geben. Mit Grenzen. Sicherheit, Grenzen und Liebe geben.
Es gab so einige Schlüsselmomente, die einen begleiten. Die Beasty Boys sowieso. Und dann Ice T. und sein Projekt mit Body Count. Und tatsächlich Skid Row. Ich weiß nicht mehr, wie alt ich da war. Da gab es diese Ballade „I remember you“. Da war gerade eine Freundin weg. Wenn du als Jugendlicher dann was getrunken hattest, dann bist du melancholisch geworden und hast angefangen, zu flennen. Wie das halt mit 14 oder so einfach so ist. Heute darfst du wieder heulen. Aber halt Freudentränen. Einfach, weil du angekommen bist.
Definitiv. Ich habe das früher schon nicht verstanden. In Deutschland waren immer alle unter sich. Die Beasty Boys haben gezeigt, wie es gehen kann. Da waren uns die Amerikaner schon immer voraus. Da gab es unzählige Bands, die Crossover-Geschichten gemacht haben. In Deutschland die ganzen Sachen wie Such a Surge und wie sie alle hießen – die kamen alle nicht aus dem Hip-Hop-Segment. Mittlerweile ist das angekommen bei den Musikfreunden. Früher musstest du dich dafür rechtfertigen. Es gab nur Metal oder Hip-Hop. Oder Electro. Gefühlt war das immer falsch. Mit Spotify und den ganzen digitalen Sachen hat sich das gottseidank jetzt geändert.
Bei mir ist es eher Apple Music. Aber es ist tatsächlich so. Ich war ja lange auch als DJ unterwegs. Meine ganzen Vinyls habe ich alle abgegeben. CDs haben ich auch kaum noch welche. Ich bin da so der Anti-Messi. Das digitale Ding ist wie geschaffen für mich. Da muss ich nicht aufpassen und muss es nicht sauber halten. Blue Ray-Player habe ich noch einen. Aber auch nur für Filme, die du sonst nicht herkriegst. Gäbe es die anderweitig, dann wäre auch der weg.
Ich habe mich dazu entschieden, wieder ein Hip-Hop-Album zu machen. Da gibt es dann keine zwei Möglichkeiten. Wenn ich etwas ohne Band mache, dann muss Stylewarz dabei sein. Wir sind ja schon auch irgendwie eine Marke. Und ich habe es in meiner Biographie schon geschrieben: Er ist der einzige Freund, der immer zu mir gehalten hat. Er war nie weg. Von daher war klar: Mache ich ein Hip-Hop-Ding, dann nur mit ihm.
Definitiv. Im Endeffekt wird es sein, wie vor 20 Jahren. Nur bin ich kein Wrack mehr. Ich bin fitter und fokussierter als damals. Es ist alles kontrollierter. Früher war vieles aus dem Bauch heraus. Die Leute werden Spaß haben. Und ich bin weitaus entspannter und nicht mehr nervös. Ich muss vor Shows nicht mehr kotzen. Und dann wird es natürlich auch die neuen Stücke zu hören geben. Es wird so ein bisschen sein, wie die Trilogie der Halloween-Filme. Alles was jetzt kommt, setzt an 2004 an. Alles, was danach kam, hat nichts damit zu tun. Das muss man einfach löschen.
Da werde ich keine leeren Versprechungen abgeben. Weder sage ich, dass das mein letztes Hip Hop-Album ist noch sage ich, dass es weitergeht. Da werde ich einen Teufel tun. Auf jeden Fall kommt noch ein Punkrock-Album. Das Crossover-Ding war einfach immer schon meines. Was definitiv nicht mehr passieren wird, ist so eine Sache wie „Asilant“. Das war ein reines Battle-Album auf die damalige Hip-Hop-Szene. Da war ich fehlgeleitet. Blöderweise habe ich mich darauf eingelassen, zurück zu batteln, nachdem ich gedisst wurde. Nur interessiert die das nicht. Damit kann ich mich nicht identifizieren. Das Album hat mir nicht gut getan. Da habe ich meine Emotionen rausgelassen. Es war aber vielleicht auch der Türöffner für die Zusammenarbeit mit Madsen.
Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Das muss jeder für sich entscheiden. Die Leute sollen sich einfach überraschen lassen. Ich bin zu bescheiden, um mich da in den Vordergrund zu hieven. Wir geben auf jeden Fall ordentlich Gas und wollen den Leuten eine gute Zeit bescheren.