
Wer den Anspruch hat, in der Region laut dpa das „wichtigste Musikereignis außerhalb der Bayreuther Festspiele“ zu sein, lässt sich weder durch Viren noch durch andere pandemische Hysterien von seinem Vorhaben abbringen. Andererseits kann man verstehen, dass gerade bei einem Projekt, das gleich mehrere Nationen zusammenführt, die Vorsicht besonders groß ist. Deshalb lässt sich nachvollziehen, dass als einziges Konzert dieses traditionsreichen Festivals das Zusammentreffen von ungarischen, französischen und deutschen Musikern, das unter dem Namen „Junge deutsch-französisch-ungarische Philharmonie“ zum Auftakt der Veranstaltungsreihe vorgesehen war, abgesagt wurde. Schade, denn Anton Bruckners 6.Symphonie in der Bayreuther Stadtkirche wäre gewiss ein hinreißendes Klangerlebnis geworden. Doch das Wagnis der mit einer Orchesterakademie verbundenen Tournee durch mehrere Länder erschien zum gegenwärtigen Zeitpunkt doch etwas zu groß. Festivalauftakt ist somit nicht am 18. April, sondern erst am 3. Mai.
Fast seit 60 Jahren bereichert die „Musica Bayreuth“, die nach ihrer Gründung durch Viktor Lukas 1961 zunächst „Orgel- und Musikwoche Bayreuth“ hieß, nun schon den Musikfrühling in der ostoberfränkischen Region. Gab den Anlass für diese Initiative damals der Neubau der großen Orgel in der Bayreuther Stadtkirche, so ist das Festival im Laufe der Jahre dem rein kirchlichen Bereich langsam entwachsen und hat sich programmatisch für Kammermusik, Liederabende, Orchesterkonzerte, Oratorien und sogar Opern geöffnet. Mehr und mehr nahm dabei das Markgräfliche Opernhaus eine zentrale Rolle ein. Das gilt natürlich um so mehr, seit dieses architektonische Weltwunder nach seiner langjährigen Restaurierung wieder eröffnet wurde. Dass zwei der dort stattfindenden Konzerte bereits ausverkauft sind, nimmt nicht wunder: die beiden Auftritte Rudolf Buchbinders, der mit den Bamberger Symphonikern alle fünf Klavierkonzerte Beethovens interpretieren wird.
Festivalbeginn ist nunmehr am 3. Mai im Markgräflichen Opernhaus mit dem Gastauftritt der „Accademia di Monaco“, deren Name freilich nicht auf das Fürstentum schließen lässt, sondern auf Bayerns Hauptstadt. Die Studierenden und Absolventen der Musikhochschule München haben sich ein Programm aus der Beethovenzeit ausgedacht, in dem nicht nur der Jubilar, sondern auch unbekanntere komponierende Zeitgenossen wie Friedrich Witt und Franz Xaver Sterkel vorkommen. Beim „Klassik Lounge im Anker“ am 7. Mai mit dem Kaiser Quartett müssen wir leider ebenfalls „ausverkauft“ melden. Dafür gibt es zwei Tage später für die vier „German Gents“ noch Karten. Das Berliner A-capella-Ensemble singt Werke aus der Romantik, hat sich aber zudem auf den so genannten „Barbershop-Gesang“ spezialisiert, der in den quirligen Friseursalons amerikanischer Großstädte gepflegt wurde. Damit bringen die vier preisgekrönten Vokalisten ganz neue Klangfarben in die heiligen Hallen des Opernhauses.
Am 14./15. Mai geht es weiter, und zwar mit einem Paukenschlag: Claudio Monteverdis famoser Opernklassiker „L’incoronazione di Poppea“ wird von einem Theater aus Pilsen in historischer Aufführungspraxis auf die markgräfliche Bühne gebracht. Nach einem Auftritt des Duos Oberlinger und Karamazov, die am 16. Mai „Bach zu zweit“ darbieten, lautet am 20. Mai die Devise „Bidla Buh“. Ein wahres Füllhorn verrückter instrumentaler Ideen schütten die drei Hamburger über ihr Publikum in der Panzerhalle aus. Eine „Musikalische Spazierfahrt nach Kulmbach“ schließt sich am 23. Mai an, bevor es zurück in das Opernhaus geht, wo am 30./31. Mai alle Klavierkonzerte Beethovens auf dem Programm stehen. Aber wie schon erwähnt, sind diese besonders attraktiven Termine mit Rudolf Buchbinder und der Bayerischen Staatsphilharmonie längst ausgebucht.
Der Juni wartet zunächst mit einer Trio-Formation auf, die sich in der Besetzung Gambe (Robin Pharo), Cembalo (Jean Rondeau) und Violine (Louis Creac’h) präsentiert. Sie wird Noten von Bach und Erlebach sowie französischen Meistern wie Leclair, Marais und Rameau mitbringen und am 12. Juni das Markgräfliche Opernhaus sicherlich mit faszinierenden Klängen füllen.
Mit „Beethoven! The Next Level“ geht es am 16./17. Juni bei der Musica Bayreuth auch nach unserem Berichtszeitraum weiter, außerdem steht natürlich der obligatorische Auftritt des Lukas Consorts noch an, also jenes Ensembles, das man getrost als Bayreuther Platzhirschen bezeichnen darf (14. Juni). „Sturmmusiken“ bietet die Formation „L’Arte del mondo“ am 19. Juni an, während der Juli mit musikalischen Pastorellen beginnt. Die diesjährige Musica Bayreuth klingt aus mit dem Gastspiel des traditionsreichen tschechischen Nonetts, das u.a. das ihm gewidmete Nonett Bohuslav Martinus interpretiert. Die gefeierte Sopranistin Juliane Banse wird von dem Ensemble in Richard Wagners „Wesendonck-Liedern“ begleitet – ein gehaltvoller Abschluss dieses Festivals!