Menschen sind Wesen, die glauben und sich erinnern – sie sind geschichtsbewusste Wesen. Das ist der zentrale Unterschied zur übrigen Natur: Aus Glauben und Erinnerung schafft er sich ein Geschichtsbild, das sein Handeln in der jeweiligen Gegenwart beeinflusst. Die Ausstellung kombiniert Werk- und Themenkomplexe, die Glauben und Kulturen, aber auch das Erinnern und Festhalten von Erinnerung aufgreifen. Dabei erweitert sie in vielerlei Hinsicht die Sammlung an Juwelier- und Goldschmiedekunst aus dem Grünen Gewölbe im Dresdner Residenzschloss.
Im Zentrum steht der über Jahrhunderte gewachsene Reliquienschatz des Prager Veitsdoms, eine der bedeutsamsten Sammlungen von Belegstücken des Glaubens, die als heilig und wunderwirkend verehrt wurden. Die Ausstellung präsentiert diesen Schatz anhand 125 mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Stücke zum ersten Mal in seiner Geschichte außerhalb seines ursprünglichen Bestimmungsortes. Der Domschatz wird zum Bestand des Dresdner Grünen Gewölbes und zu drei zeitgenössischen Künstlern in Dialog gesetzt. Diese eröffnen mit ihren unterschiedlichen künstlerischen und intellektuellen Ansätzen zusätzliche Perspektiven, die das Thema des zivilisatorischen Gedächtnisses vertiefen.
Die historische Sammlung des Domschatzes ist durch die christliche Erlösungshoffnung mit ihren Traditionen geprägt. Dazu bildet das keramische Werk von Edmund de Waal einen Gegensatz: Auch er schafft Sammlungen, doch sind seine Gefäße gleichsam abstrakte Schöpfungen, die mit feinsten Nuancen von Farbe, Form und Rhythmus Räume für Meditation und Reflexion bieten. Ausgehend von der Geschichte seiner eigenen Familie mütterlicherseits, erzählt de Waal in seinen Kunstwerken außerdem die tragischen Schicksale der großen jüdischen Familien.
Fotografien von Josef Koudelka bilden dazu wiederum einen rauen Kontrast, denn sie zeigen die Wirklichkeit der durch die Errichtung der Mauer zwischen Israel und der palästinensischen Westbank zerschnittenen Landschaften – eben jener Region, in der die drei monotheistische Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam ihre Wurzeln und sakralen Stätten haben. Geprägt von seinen persönlichen Erfahrungen hinter dem „Eisernen Vorhang“ wird Koudelka zu einem ebenso aufmerksamen wie kritischen Beobachter, der Zeugnis ablegt vom Schmerz dessen, was im so genannten Heiligen Land geschehen ist und geschieht.
Der Film „In the Land of Drought“ von Julian Rosefeldt ruft Erinnerungen an die Urgeschichte der menschlichen Zivilisation wach und fragt nach unserem Geschichtsbewusstsein. Die eindrücklichen Filmszenen sind in Nordafrika und Deutschland gedreht – und machen auch unser Verhältnis zu Landschaft und Umwelt zum Thema. Es sind die Fragmente einer großen Errungenschaft der menschlichen Zivilisation, die gleichzeitig den Anfang ihres Endes markierte. Die Apokalypse war menschengemacht und jetzt begutachten wir, was übrig geblieben ist.
Sonderausstellung „Fragmente der Erinnerung“
16. März bis 8. September 2024
Kunsthalle im Lipsiusbau, Dresden
Täglich geöffnet von 10-18 Uhr, Montag geschlossen
www.skd.museum