Wie es die Jubiläumsarithmetik so will, werden manche kulturellen Einrichtungen Frankens heuer 70 Jahre alt, denn 1946 war bekanntlich für viele Institutionen nach dem Krieg das Jahr des Wiederbeginns. Darunter befindet sich auch das eine und andere Orchester, so beispielsweise die Symphoniker aus Bamberg, Hof und Nürnberg. Letztere hießen allerdings damals noch Fränkisches Landesorchester. Franken ist – von Aschaffenburg über Würzburg bis Hof und von Nürnberg bis Coburg – in symphonischer Hinsicht gut versorgt, auch wenn es mit den Bamberger Symphonikern nur ein Orchester der Topkategorie gibt. Es sind vor allem die Opernorchester, die neben ihrem Hauptaufgabengebiet im Musiktheater auch Konzertreihen anbieten und damit in fast allen über ein Theater verfügenden Städten musikalisch präsent sind. Ausnahmen als reine Konzertorchester sind neben den Bambergern die Nürnberger Symphoniker.
Die Bamberger Symphoniker, heuer der wohl prominenteste 70-Jahre-Jubilar, sind naturgemäß der symphonische „Hauptversorger“ in der Region, denn sie sind ein reines Konzertorchester ohne Verpflichtungen im Opernbereich. Neben den zahlreichen und bezüglich der Abonnentenzahlen rekordverdächtigen Symphoniekonzerten am Stammplatz im Joseph-Keilberth-Saal der Bamberger Konzerthalle gastieren sie regelmäßig in benachbarten Städten wie Schweinfurt, Bad Kissingen, Bayreuth oder Erlangen. Die Saison 2016/17 steht aus triftigem Grund unter dem Motto Aufbrüche, denn nach der äußerst erfolgreichen Ära mit Chefdirigent Jonathan Nott, der zum Orchestre de la Suisse Romande wechselt, beginnt ab Herbst die „Regentschaft“ von Jakub Hrusa. Genauso hätte man wohl auch den Begriff Umbrüche wählen können, denn aufgebrochen zu neuen Ufern ist das Orchester schon vor 16 Jahren, als Jonathan Nott seine Tätigkeit in Bamberg begann. Aber egal ob Auf- oder Umbruch: Neues wird es mit Jakub Hrusa mit Sicherheit geben, und das deutet sich bereits beim Auftakt am 30. September an. Da wird zu seinem Einstand nämlich Edgar Vareses „Tuning up“ erklingen, eine Parodie auf den Klang eines Orchesters beim Einstimmen, also quasi eine Ouvertüre zur Ouvertüre. Das Saisonprogramm ist so reichhaltig, dass wir hier auf die Homepage der Symphoniker verweisen müssen, ersatzweise auf das opulente, 140 Seiten füllende Programm. Doch einige Hervorhebungen seien erlaubt. So ist der mittlerweile 90-jährige Ehrendirigent Herbert Blomstedt nochmals sehr präsent und wird überdies das Orchester auf einer Tournee nach Japan und Korea (sic!) begleiten. In Tokios Suntory Hall haben die Bamberger schon oft gastiert, doch noch nie im Seoul Arts Center. Wenn wir schon bei den „Alten“ sind: mit Menahem Pressler kommt eine Klavierlegende, weltweit ältester aktiver Konzertpianist und langjähriger Kopf des Beaux Arts Trios, mit über 90 Jahren erstmals nach Bamberg! Die Portraitkünstlerin der Saison wird die Geigerin Lisa Batiashvili sein, die u.a. im März mit einem Programm „Kammermusik bis Jazz“ auftritt. Eine Konzertreise in die USA, bei der in New York ein ehrenvoller Auftritt in der Carnegie Hall auf dem Plan steht, findet im Februar statt. Die Leitung hat der kürzlich ernannte zweite Ehrendirigent der Bamberger Symphoniker, Christoph Eschenbach. Einmal mehr komplettieren Kammer- und Orgelkonzerte das Programm ebenso wie solche für bestimmte Zielgruppen (Familien- und Studentenkonzerte).
Die Hofer Symphoniker dürfen sich ab der kommenden Saison auf einen „Conductor in Residence“ freuen: Hermann Bäumer tritt neben Daniel Klajner und den Ehrendirigenten Enoch zu Guttenberg. Der Neue am Pult wird auch den Auftakt am 30. September im Festsaal der Freiheitshalle Hof sowie drei weitere Symphoniekonzerte dirigieren. Insgesamt 11 Orchesterkonzerte wird es neben den musiktheatralischen Verpflichtungen im Dreispartenhaus geben, und einmal mehr treten dabei namhafte Künstler auf. Zu nennen sind u.a. die Pianistin Olga Schöps, die längst eine weltweite Karriere gemacht hat, und das Fauré-Quartett, das in einem symphonischen Werk die Solorollen übernimmt. Vor allem aber darf man sich auf Albrecht Mayer freuen, den Oboisten von Weltrang (und fränkischer Herkunft!), der die Reihe der Symphoniekonzerte am 7. Juli mit einem Soloauftritt bereichert und dann sogar den Taktstock in die Hand nimmt, um Beethovens „Fünfte“ zu dirigieren.
Auch die Hofer haben sich die mittlerweile verbreitete Angewohnheit der Programmheftmacher zu eigen gemacht, die jeweiligen Konzerte unter ein mehr oder weniger treffendes Motto zu stellen. Da gibt es beispielsweise eine Femme fatale, wenn es um Salomé und Scheherazade geht, oder Nächtliches, wenn Schönbergs „Verklärte Nacht“ auf dem Programm steht. Ob allerdings das zweite Konzert der Serie, das Werke englischer Komponisten und die „Schottische“ von Mendelssohn vorsieht, mit dem Titel Britannia gut bedient ist, lässt sich nach dem Brexit bezweifeln... Natürlich gibt es auch wieder eine ganze Reihe von Sonderkonzerten und Gastspielen in der Region. Die Kinder werden mit einem Konzert unter dem Titel „Die Bremer Stadtmusikanten“ bedacht, die Freunde der Kammermusik mit einer Zeitreise durch die Musikgeschichte, einer Art Kaleidoskop der verschiedenen Epochen vom Barock bis zur Gegenwart.
Die Staatsphilharmonie Nürnberg bietet wie in jeder Saison eine Reihe von acht philharmonischen Konzerten an, die mit mottoartigen Überschriften versehen sind. Die Spielzeit steht unter dem Motto „Leben mit Brahms“. Das hat seinen Hintersinn, denn dessen großer Antipode Richard Wagner dominiert mit der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ das Opernprogramm. Da gibt es Titel wie Tragische Liebe, Alte Bekannte, Erstlinge, Tiefensicht, Ungarn, Gemischtes Doppel oder gar ein ahnungsvolles Der Welt abhanden. Und natürlich muss es auch ein mit Nur Brahms überschriebenes Konzert geben, denn dessen Symphonien werden alle aufgeführt. Sieben Sonderkonzerte inklusive Open Air, acht Kammerkonzerte (im Gluck-Saal) und Kinder- sowie Jugendkonzerte komplettieren das reichhaltige Konzertprogramm des Philharmonischen Orchesters.
Ebenfalls ihr 70-jähriges Bestehen feiern die Nürnberger Symphoniker, aber dieses Jubiläum ist mit dem Abschied vom außerordentlich erfolgreichen und beliebten Chefdirigenten Alexander Shelley verbunden, der am Ende der Saison 2016/17 das Orchester verlässt. Das ist um so schmerzlicher, als gerade diese Spielzeit sich wieder als besonders interessant und originell ausnimmt. Nicht weniger als 20 Symphoniekonzerte werden angeboten, deren letztes unter dem Titel „Wünsch Dir was“ sogar die Publikumswahl zwischen drei verschiedenen großen symphonischen Werken zulässt. Das Orchester muss alle drei draufhaben! Besonderes Augenmerk verdient das Konzert am 26. November in der Meistersingerhalle, das unter der Überschrift Shelley meets Shelley angekündigt wird. Der Chefdirigent trifft auf seinen eigenen Vater, den renommierten Klaviervirtuosen David Shelley, der gleich zwei der ultraschwierigen Klavierkonzerte Sergej Rachmaninows zu spielen sich anschickt.
In der Reihe „Symphoniker plus“ wird es zunächst einen kurzweiligen Abend mit dem Nürnberger Schriftsteller Fitzgerald Kusz geben, anschließend Chaplins Stummfilm-Klassiker Modern Times mit Live-Orchester und schließlich Symphonic Klezmer. Vier Rathauskonzerte, die Programme „Nachmittag extra“ und „Junge Ohren“ sowie allerlei Sonderkonzerte, Gastspiele und Chorkonzerte komplettieren das einmal mehr sehr reichhaltige und innovative Programm. Unter den Solisten sind die Ausnahmepianisten David Fray und Lars Vogt sowie der Organist Martin Haselböck, der überdies selbst dirigiert (und zwar eine große Brucknersymphonie), zu nennen. Bei den aufgeführten Werken sticht Mahlers gigantische „Auferstehungssymphonie“ hervor, und es fällt auf, dass heuer viel Musik aus dem angelsächsischen Raum berücksichtigt wurde. Ganz wichtig, weil demnächst: Noch vor Saisonbeginn, nämlich am 6. August, gibt es ein Open Air im Luitpoldhain mit Cameron Carpenter, dem hochvirtuosen Paradiesvogel der Orgelwelt!
Das Philharmonische Orchester des Mainfranken Theaters Würzburg wartet mit sechs Sinfoniekonzerten und ebenso vielen Kammerkonzerten auf, daneben gibt es eine ganze Reihe von Sonderkonzerten zu verschiedenen Anlässen und Jugend- sowie Kinderkonzerte. Das Zugangsalter für Symphonisches wurde in Würzburg mittlerweile so weit herabgesetzt, dass sogar „Babykonzerte“ für die ganz Kleinen zwischen 0 und 2 Jahren angeboten werden können! Unter dem Titel „Auftakt!“ wirkt das Philharmonische Orchester bei der Spielzeiteröffnung des Theaters am 25. September mit und stellt musikalische Kostproben aus dem Musiktheaterprogramm der anlaufenden Saison vor.
Die Sinfoniekonzerte finden in der Regel im großen Saal der Hochschule für Musik statt, deren Auftakt am 20. Oktober allerdings im Großen Haus des Theaters und das zweite Konzert am 10. November in der Johanneskirche, wo Mendelssohns „Lobgesang“ zur Aufführung ansteht. Besonders freuen darf man sich auf das dritte Konzert am 9. Februar 2017, wenn der pianistische Lokalmatador Bernd Glemser das 3. Klavierkonzert von Rachmaninow spielen wird. Groß besetzt geht es beim letzten Konzert am 11. Mai zu: Neben Strauss‘ Oboenkonzert wird Anton Bruckners monumentale 7. Symphonie zu hören sein.
Die repräsentativen Räumlichkeiten der Residenz werden natürlich auch bespielt, vor allem bei den Kammerkonzerten (Toskanasaal) und bei gewissen Sonderkonzerten mit Titeln wie „Italienische Nacht“ oder „Nachtmusik“ (Kaisersaal und Hofgarten). Eine „Jupiternacht“ wird am 2. Juli 2017 im Vogel Convention Center stattfinden. Zum Ende der Saison dürfen musikbegeisterte Schüler und Schülerinnen unter dem Motto „Ohren auf! In Concert“ Seite an Seite mit den Profis des Philharmonischen Orchesters ein anspruchsvolles Konzertprogramm einstudieren. Dieses Angebot wird am 23. Juli bereits zum zehnten Male stattfinden.
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Neujahrskonzert der Staatsphilharmonie Nürnberg, Foto © Staatsphilharmonie Nürnberg
Bamberger Symphoniker auf der Brücke zum Alten Rathaus, Foto © Michael Trippel
Philharmonisches Orchester Würzburg, Foto © Katrin Heyer
Hofer Symphoniker vor der Freiheitshalle Hof, Foto © Jahreiss.com