Der Blick in die Konzerprogramme der fränkischen Opern- und Konzertorchester für die kommende Saison ist vielversprechend. Das liegt zum Einen an der Prominenz der eingeladenen Solisten und Dirigenten, zum Anderen am exquisiten Niveau dieser Klangkörper – allen voran natürlich Frankens Exzellenzorchester, die Bamberger Symphoniker. Aber wer einmal zu den Dreispartenhäusern in Coburg, Hof oder Würzburg fährt und sich Konzerte der dortigen Opernorchester anhört, die auch selbständige Konzertreihen anbieten (die Hofer Symphoniker zudem mit zahlreichen Gastauftritten), kommt in symphonischer Hinsicht voll auf seine Kosten. Ganz zu schweigen natürlich von den Nürnberger Klangkörpern: der Staatsphilharmonie Nürnberg (dem Opernorchester) und den Nürnberger Symphonikern (einem reinen Konzertorchester).
Konzerte der fränkischen Symphonieorchester
„Erinnerung“ steht kurz und knapp als Motto auf dem neuen Programm der Bamberger Symphoniker – alias „Bayerische Staatsphilharmonie“ – für die Saison 2019/20, und in der Tat enthält es auch diverse Werke, die aus Erinnerungen gespeist wurden, so die „Enigma“-Variationen Edward Elgars, das Violinkonzert Alban Bergs (mit der Widmung „Dem Andenken eines Engels“) oder Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“. Dieses für die gesamte Saison gewählte Motto appelliert ebenso an das jeweils eigene Erinnerungsvermögen von Musikern und der Hörerschaft, das von Melodien, Klangvorstellungen, Gefühlen oder biographischen Bezügen geprägt ist. Oder, um es mit dem Programmbuch in Bezug auf den Dirigenten zu formulieren: er kann nur dirigieren, „wenn er sich erinnert, wie die Musik, die in diesem Moment entsteht, klingen soll.“
Unter denen, die sich dieser Aufgabe in der kommenden Saison stellen sollen, befinden sich illustre Namen ebenso wie Debütanten oder Dirigenten, deren erfolgreiche Auftritte zu Wiedereinladungen motivierten. Dass die Ehrendirigenten Herbert Blomstedt und Christoph Eschenbach dabei sind, versteht sich von selbst, aber die Rückkehr von Adam Fischer, Manfred Honeck, Reinhard Goebel oder Mahler-Wettbewerbssieger Lahav Shani ist ebenso erfreulich. Mit berechtigtem Stolz wurde die Portraitkünstlerin der Saison vorgestellt: Sol Gabetta, eine Violoncellistin mit Weltgeltung, die mehrfach in Bamberg zu Gast sein und auch das Orchester auf der Spanien-Tournee begleiten wird.
Unter den Instrumentalsolisten ragen der dem Orchester verlässlich treue Violinvirtuose Frank Peter Zimmermann, der Trompeter Hakan Hardenberger, die Organistin Iveta Apkalna und die Geigerinnen Julia Fischer und Vilde Frang heraus. Höchst prominent ist die Pianistenzunft vertreten, u.a. mit Hélène Grimaud und mit dem unverwüstlichen Rudolf Buchbinder, der alle fünf Klavierkonzerte von Beethoven an zwei Abenden auf das Podium wuchten wird. Das Gastspiel von Sergej Babajan, dem Lehrer von Überflieger Daniel Trifonov, dürfte auf besondere Neugier stoßen. Aus den eigenen Reihen wird man sich auf die Soloauftritte von Andreas Kreuzhuber (Horn) und Konzertmeister Ilian Garnetz freuen dürfen.
Auf besonderen Mut lässt die Verpflichtung der Vokalsolisten schließen, denn die aufgeführten Namen sind allesamt neu. Gespannt sein darf das Publikum auch auf den ersten Auftritt des neu gegründeten Chores: „Symphonischer Chor Bamberg“ heißt er, wird am 2. Advent unter der Leitung von Tarmo Vaask sein Bamberg-Debüt geben und an Silvester bei Beethovens „Neunter“ mitwirken. Dann leitet übrigens erstmals mit Nathalie Stutzmann eine Dirigentin dieses traditionsbehaftete Konzert. Neues gibt es auch bei den „Formaten“: die „encore“-Reihe mit inzwischen 19 Kompositionen bekommt dreifachen Zuwachs, und ein neues Angebot für die ganz Kleinen hört auf den Namen „Sitzkissenkonzert“.
Chefdirigent Jakub Hrusa zeigte sich bei der Programmvorstellung hocherfreut über die Einladung des Orchesters zum „Prager Frühling“ und sprach mit sichtlichem Stolz über die neuesten CD-Aufnahmen in Kooperation mit BR-Klassik: die zweite Folge des Brahms/Dvorák-Projekts (Symphonien Nr.3 und 8) ist bei Tudor erschienen, und die Einspielung des Strauss-Oboenkonzertes mit Albrecht Mayer wurde kürzlich von der Deutschen Grammophon herausgegeben. Interessant ist auch der bei „accentus music“ erschienene Live-Mitschnitt von Gustav Mahlers 9. Symphonie mit Herbert Blomstedt am Dirigentenpult. A propos Mahler: der 6. Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb ist ab 29. Juni 2020 quasi der krönende Abschluss der Saison.
Das Philharmonische Orchester des Landestheaters Coburg startet am 13. Oktober in seine siebenteilige Konzertreihe. Das Orchester hat sich auffällig viele weniger bekannte Werke ausgesucht, was auf eine interessante Konzertsaison hoffen lässt. Wer kennt schon George Enescus Orchestersuite, Louise Farrencs dritte Sinfonie, Bohuslav Martinus „Les fresques de Piero della Francesca“, Carl Nielsens vierte Sinfonie oder Frederick Delius’ „Over the Hills and Far Away“? Fünf Konzerte finden im Großen Haus statt, eines im Kongresshaus Rosengarten, und für die Aufführung der dritten Sinfonie Gustav Mahlers geht es im Juni 2020 an einen heiligeren Ort, nämlich in die Morizkirche. Dort wird im November 2019 auch das Requiem Giuseppe Verdis aufgeführt. Sinfonische Ausflüge nach Suhl und ein Klassik-Open-Air vervollständigen das Programm. Am Dirigentenpult steht mit Roland Kluttig meist der Coburger Generalmusikdirektor.
Die Hofer Symphoniker beginnen ihre Konzertsaison, die insgesamt 11 Symphoniekonzerte umfasst, am 27. September mit einer Hommage an Johannes Brahms, denn neben dessen vierter Symphonie e-moll erklingt auch eine „Musik mit Brahms“ von Detlev Glanert unter dem Motto „Weites Land“. Hermann Bäumer dirigiert dieses wie auch das dritte Konzert, in dem ausschließlich Gustav Mahlers neunte Symphonie D-Dur auf dem Programm steht (15. November). Reizvolle Programme kündigen die Konzerte Nr. 2 und 4 mit den Soloinstrumenten Klarinette (Sebastian Manz) und Saxophon (Asya Fateyeva) am 18. Oktober und 13. Dezember an. Im neuen Jahr ist im Solobereich zunächst ein selten gespieltes Werk von Max Bruch zu hören, nämlich dessen Konzert für zwei Klaviere und Orchester op. 88a, kombiniert mit böhmischem Repertoire (17. Januar). Im 6. und 7. Symphoniekonzert wenden sich die Hofer ausschließlich dem Jubilar des Jahres 2020 zu, also Ludwig van Beethoven. Am 14. Februar stehen die beiden ersten Symphonien und das dritte Klavierkonzert auf dem Programm, am 20. März die fünfte Symphonie und die „Egmont“-Ouvertüre. Das achte Konzert (24. April) konfrontiert mit Werken von Kurt Weill und André Jolivet. Selina Ott wird dessen recht schwieriges Trompetenkonzert spielen. Die Geigerin Carolin Widmann spielt im neunten Konzert (15. Mai) Benjamin Brittens Violinkonzert d-moll op.15, ergänzend erklingen Werke von William Walton und Ralph Vaughan Williams. Als Dirigent und Solist wirkt der Cellist Wolfgang Emanuel Schmidt im zehnten Konzert am 19. Juni. Die weltweit gefeierte Geigerin Baiba Skride interpretiert im elften und letzten Symphoniekonzert das Violinkonzert g-moll op. 67 von Mieczyslaw Weinberg, dem als Saisonabschluss die große Symphonie Nr. 4 f-moll Peter Tschaikowskys folgt. Insgesamt ein sehr innovatives Programm!
Die Staatsphilharmonie Nürnberg startet ihre Reihe von acht Symphoniekonzerten am 20. September. GMD Joana Mallwitz wird am Dirigentenpult stehen, und mit Gautier Capucon interpretiert ein weltweit gefeierter Solist Peter Tschaikowskis Cellokonzert. Prägend sind für das Programm die ganz großen Schlachtrösser der Symphonik, so z.B. von Schostakowitsch, Dvorák, Brahms und Bruckner. Im achten Philharmonischen Konzert beschließt die monumentale 5. Symphonie Gustav Mahlers die Saison. Unter den Solisten sind noch die famose Klarinettistin Sharon Kam und der quasi „heimische“ Oboist Albrecht Mayer besonders zu erwähnen. Das neue Format der „Expeditionskonzerte“ wird fortgesetzt. Joana Mallwitz wird darin jeweils ein großes Meisterwerk der Musikgeschichte in all seinen Facetten erarbeiten und präsentieren. Dabei wird natürlich auch der Jubilar des Jahres 2020 vorkommen: Ludwig van Beethoven. Sonderkonzerte zu verschiedenen Anlässen (z.B. Neujahr und das große Klassik Open Air als „Italienische Nacht“) oder für bestimmte Zielgruppen komplettieren das Programm.
Sage und schreibe 20 Konzerte bieten die Nürnberger Symphoniker in der kommenden Saison an, und da sind die diversen Sonderkonzerte noch nicht mitgerechnet. Die Reihe der Symphonischen Konzerte beginnt am 21. September in der Meistersingerhalle unter dem Motto „Traum oder Wirklichkeit?“, und natürlich wird Chefdirigent Kahchun Wong diesen Auftakt, der auch eine Uraufführung vorsieht, musikalisch leiten. Eine Woche später geht es schon weiter unter der fragenden Devise „Auftakt oder Schlussakkord?“, dann im Oktober und November folgen dicht gedrängt die Konzerte unter Titeln wie „Wahn oder Wahnsinn?“, „Tragödie oder Komödie?“, „Engel oder Teufel?“ und „Herz oder Hand?“. Nach einem Weihnachtskonzert ist der Jahresbeginn natürlich dem Jubilar Ludwig van Beethoven gewidmet, und danach schließen sich die weiteren Konzerte unter originellen Titeln an, die Gegensätze als Fragen formulieren. Sonderkonzerte konfrontieren mit Conchita oder mit Max Moor, und Flamenco ist ebenso angesagt wie Stummfilm-Begleitung. Das Programm „Junge Ohren“ steht für das musikpädagogische Engagement der Nürnberger Symphoniker. Von Mitte Juni bis Anfang August schließt sich ein reichhaltiger „Musiksommer im Serenadenhof“ mit sehr originellen Programmen an.
Das Philharmonische Orchester Würzburg bietet wie immer sechs Symphoniekonzerte an, aber darüber hinaus auch andere Formate wie „It’s Christmas Time“, ein Konzert zum Jahreswechsel, Familienkonzerte und diverse Sommerkonzerte. Traditionell wird die neue Saison mit einem ganzen Tag rund um den Kosmos Theater eröffnet. Der findet diesmal am 22. September statt und endet abends mit einem musikalischen Vorgeschmack auf die Spielzeit unter dem Titel „Auftakt! Eine Revue“. Die Sinfoniekonzerte starten am 24./25. Oktober mit einem wahren Paukenschlag unter dem Motto „Familienbande“, denn der pianistische Lokalmatador Bernd Glemser wird zwei kapitale Klavierkonzerte von Franz Liszt und Richard Strauss interpretieren. Weitere Termine sind im November und Januar, bevor das Motto dann am 20./21. Februar „Eine ganze Welt“ heißt und Gustav Mahlers dritte Symphonie d-moll im Würzburger Kiliansdom erklingt, natürlich unter der Leitung von GMD Enrico Calesso. Das fünfte Konzert im März ist dem französischen Impressionismus gewidmet, das sechste im Mai den Geschwistern Fanny Hensel und Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Symphoniekonzerte der Musikvereine und der Agenturen
Beim Gemeinnützigen Verein Erlangen (gVe) brechen neue Zeiten an, und zwar vielversprechende, was speziell die Sinfonik betrifft, denn die steht jetzt im Vordergrund. Die frisch sanierte Heinrich-Lades-Halle, ein Relaunch des Programmheftes und ein in Bestzustand versetzter Flügel bieten dafür die idealen Voraussetzungen. In elf von 14 Konzerten wird große Sinfonik geboten, gespielt von Spitzenorchestern aus Großbritannien, Russland, Estland, Belgien, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aus Deutschland kommen nicht nur die benachbarten Bamberger Symphoniker und bringen u.a. ihre Porträtkünstlerin Sol Gabetta mit, sondern auch das Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Weiter sind zu nennen die Philharmonie Salzburg, das Sinfonieorchester Salzburg, das Brussels Philharmonic, das Belgian National Orchestra, das Staatliche Sinfonieorchester Estland, das BBC Philharmonic, das Zürcher Kammerorchester und das Novosibirsk Philharmonic Orchestra. Saisonbeginn ist am 24. September mit dem Gastspiel des estnischen Orchesters.
Auch die Gesellschaft der Kulturfreunde Bayreuth beginnt ihre neue Saison am 27. September mit einem Konzertauftritt der Bamberger Symphoniker und dem Geiger Frank Peter Zimmermann als Solisten, muss sich dafür jedoch ebenso wie beim zweiten Konzert des Orchesters (im Dezember) in die Bamberger Konzerthalle begeben. Weiter treten auf das Orchester Gli Incogniti aus Frankreich mit der Geigerin Amandine Beyer und dem Pianisten Kristian Bezuidenhout, das Kammerorchester Leipzig mit der Solistin Ragna Schirmer am Klavier und das Franz Liszt Kammerorchester mit der Geigerin Moné Hattori.
Die Konzertagentur Hörtnagel hat für die kommende Saison wieder bedeutende Klangkörper und herausragende Solisten engagiert. Nennen wir nur das Orchestre des Champs-Elysées mit Philippe Herreweghe am Dirigentenpult, die Moskauer Philharmoniker mit dem Pianisten Georg Li, die Bamberger Symphoniker mit der Cellistin Sol Gabetta, das Franz Liszt Kammerorchester mit dem Trompeter Gábor Boldoczki, das SWR Symphonieorchester mit der Klarinettistin Sabine Meyer, die Filarmonica della Scala mit dem Geiger Nikolaj Znaider und die Academy of St. Martin in the Fields mit dem Pianisten Murray Perrahia.