Auch im Frühling warten die fränkischen Theater mit einer Fülle von Neuproduktionen in allen wichtigen Sparten auf. Unser Zweimonats-Überblick versucht wie immer eine Orientierung, dreht aber zur Abwechslung diesmal die alphabetische Reihenfolge um.
Am Mainfranken Theater Würzburg stehen Ende Mai gleich zwei Schauspiel-Premieren an. Zunächst wird das Gewinnerstück des Leonhard-Frank-Preises 2015 an den Kammerspielen uraufgeführt. Diese Auszeichnung hatte die Angst-Konjunktur unserer Zeit zum Thema. Am 11. Juni 2015 wurden drei Texte im Rahmen der „Langen Nacht der modernen Dramatik“ in szenischer Lesung vorgestellt. Die Uraufführungspremiere von Karsten Laskes Stück „Terrorkind“ ist am 25. Mai.
Nur drei Tage später kommt mit Shakespeares „Romeo und Julia“ die wohl berühmteste Liebesgeschichte der Weltliteratur in einer Inszenierung von Antje Thoms zur Aufführung, und Würzburg wird wie einst Verona im Banne der erbitterten Fehde zwischen den Montagues und den Capulets stehen.
Die Opernsparte wartet mit der Uraufführung einer Bühnenversion von Hermann Hesses „Der Steppenwolf“ auf. Das Libretto dazu stammt von Rainer Lewandowski, die Musik schrieb Viktor Aslund. Dieses Werk mit seiner zugänglichen Musik will weder Musical noch Schauspiel mit Songeinlage oder Lyrisches Drama sein, sondern einfach pralles Musiktheater!
Gleich zwei neue Tanzkreationen an einem Abend präsentiert die Würzburger Ballettcompagnie ab dem 9. April. Im Stück „Linchpin“ des gefragten Choreographen Can Arslan geht es um die inneren Kämpfe eines jeden Menschen um seinen eigenen Platz in einer automatisierten Welt. Ivan Alboresi stellt nach seinem Ausscheiden aus dem Ballettensemble nun als Choreograph seine tänzerische Auseinandersetzung mit Tennessee Williams Schauspiel „Die Glasmenagerie“ vor.
Der Musical-Evergreen „Hair“, der zurzeit auch am Münchner Gärtnerplatztheater eine Neuinszenierung erlebt, prägt im April die Monatsmitte am Theater Schweinfurt. Vom 13. - 16. wird diese Produktion der International Broadway Musical Company New York mit dem Untertitel „The American Tribal Love-Rock Musical“ zu sehen sein. Vorher gastiert das Theater an der Ruhr Mülheim mit „Immer noch Sturm“ nach dem Roman von Peter Handke. Anschließend kommt das Theater Schloss Maßbach – Unterfränkische Landesbühne mit „4YourEyesOnly“ nach Schweinfurt. Ein Tanztheater aus Hanoi gastiert Ende des Monats mit „Together Higher“, und das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper bringt am 25. April die Komische Oper „Albert Herring“ von Benjamin Britten auf die Bühne.
Nach dem Monatsausklang mit der 19. Auflage des Schweinfurter Tanzfestivals beginnt der Mai mit Max Frischs „Andorra“, und am 7./8. gastiert das Theater Hof mit Franz Lehárs Operette „Land des Lächelns“. In der Monatsmitte gibt das Deutsche Nationaltheater Weimar den Teil I des „Faust“, am Monatsende schließlich stellt sich zunächst die unkaputtbare Kabarettikone Erwin Pelzig ein, bevor es dann am 31. Mai feinsinniger wird mit einem Klavierrezital von Lars Vogt.
Das Staatstheater Nürnberg wartet in den Monaten April und Mai mit drei Schauspielpremieren auf. Zunächst, am 2. April, erlebt das Stück „Die Lotterie/Frauen des Krieges“ der armenischen Künstlerin Karine Khodikyan seine Uraufführung. Eine Woche später hat Sascha Havemanns Version von Ibsens „Ein Volksfeind“ Premiere. Konspirativ wird es Ende Mai, wenn Frédéric Sonntags Verschwörungskrimi „George Kaplan“ Premiere hat (am 28.). Die Ballettbegeisterten werden sich nach den faszinierenden Choreographien der letzten Zeit schon auf den nächsten Coup von Goyo Montero freuen. Er präsentiert am 30. April unter dem Titel „Kammertanz“ einmal mehr drei Darbietungen an einem Abend, wobei „Approximate Sonata“ von William Forsythe besondere Prominenz für sich beanspruchen darf.
Die Opernsparte wartet mit drei Neuigkeiten auf, worunter die Ballett-Oper „Les Indes Galantes“ von Jean-Philippe Rameau einen Sonderfall der Gattung darstellt (Premiere am 3. April). Georges Bizets „Die Perlenfischer“ wird Ende des Monats konzertant geboten, und zwar als Erstaufführung nach der kritischen Neuausgabe der Werke. Am 29. Mai kommt ein Blockbuster des Opernrepertoires zurück an den Richard-Wagner-Platz: Giuseppe Verdis „Rigoletto“. Auch die Philharmonischen Konzerte der Staatsoper widmen einen Abend der Oper: am 15. April begeben sie sich mit Auszügen aus Wagners „Parsifal“ auf Gralssuche.
Das Theater Hof bietet gleich am 1. April eine neue „Jungfrau von Orléans“ an. Sapir Heller inszeniert das Schillersche Historiendrama. Die andere Neuigkeit im Schauspielsektor des Zweimonatszeitraums hat am 14. Mai Premiere: Shakespeares karnevaleske Komödie „Was ihr wollt“. Mit einer Besonderheit wartet die Musiktheatersparte ab 24. April auf, nämlich einer „Mono-Oper“ von Francis Poulenc. Hier geht es um den telephonischen Monolog einer verlassenen Frau, die das Publikum quasi zu Voyeuren macht. Die Vorpremiere innerhalb einer Matinée gibt eine Woche zuvor einen ersten Eindruck von dieser „Telephon-Oper“.
Richtig opernhaft wird es erst wieder Ende Mai, wenn – ebenfalls in einer Matinée – in die neue „Traviata hineingeschnuppert werden darf, die aber erst im Juni Premiere hat (wir werden darauf zurückkommen). Für die Gattung Musical hat sich das Hofer Theater ein Thema - bzw. eine Persönlichkeit - aufgehoben, deren musiktheatralische Würdigung wohl längst fällig war: Albert Einstein. Das Musical „Einstein“ von Stephan Kanyar und Maren Scheel wird am 22. April uraufgeführt (!) und bereits am 17. in einer Vorpremiere präsentiert. Die Compagnie der Hofer Ballett- und Tanztheatersparte stellt ab 15. Mai ihre neuen Choreographien unter der Überschrift „Experiences“ vor.
Das Stadttheater Fürth präsentiert Anfang April zwei Klassiker des Schauspiels: „Andorra“ von Max Frisch (ab 6.4.) und Arthur Millers Pulitzerpreis-gekrönten Welterfolg „Tod eines Handlungsreisenden“. Monatsauftakt ist jedoch mit einer Komödie: In „Glück – Le Bonheur“ von Eric Assous geht es um Zufallsbekanntschaften und um das, was daraus werden kann, vor allem dann, wenn man schon über fünfzig ist und eine gewisse Beziehungsgeschichte hinter sich hat... Mit Barbara Wussow und Peter Bongartz ist diese Produktion der Münchner „Komödie im Bayerischen Hof“ prominent besetzt. Termine gibt es am 2. und 3. April.
Ende des Monats wird die Bürgerbühne einen weiteren Projektabend auf die Bretter bringen: „Modern Times – in progress“ bezieht sich, wie am Titel erkennbar, auf den berühmten Film Charlie Chaplins und die darin aufgeworfenen Probleme der gnadenlosen Fortschrittsgesellschaft. Termine: 29. und 30. April. Mit „Frau Müller muss weg“ wird am 10. und 11. Mai - nur wenige Tage nach der Coburger Premiere desselben Stückes (s.u.) - ein verlässlicher Repertoire-Kracher geboten (Gastspiel Euro-Studio).
Das Musiktheater bietet im April zunächst die Wiederaufnahme von „Die große Wörterfabrik“, einer Produktion der Musiktheatersparte jungeMET in Kooperation mit dem Theater „Pfütze“, dann im Mai mit Jacques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ ein hochkarätiges Gastspiel der Tschechischen Oper Prag (5. Mai) und mit „Höchste Zeit“ ein Musical, das sich als Fortsetzung jenes „Hormonicals“ versteht, das die Essener Truppe „Theater im Rathaus“/Euro-Studio 2011 mit großem Erfolg in Fürth präsentierte: „Heiße Zeiten“. Termine sind am 6. und 7. Mai. Dass auch die Ballett- bzw. Tanztheatersparte wieder zu ihrem Recht kommt, beweist, wie vielfältig und komplett das Fürther Theaterprogramm ist. Ab 3. Mai gastiert das Salzburg Ballett mit getanzten Kultsongs unter dem Titel „Beatles Tanzabend“.
In Erlangen am dortigen Markgrafentheater dominieren im April noch die Klassiker sowie das selbstgewählte Motto „Heimat“ das Programm. Lessings „Nathan“ wird es am 21.4. zum letzten Mal geben, während die Finissage von Goethes Werther am 27.4. stattfindet. Ein anderer Klassiker des Schauspiels, Tschechows „Drei Schwestern“, wird am 7.4. in einer Neuinszenierung von Elina Finkel aus der Taufe gehoben. „Heimat Erlangen“ von Ekat Cordes, als „intergalaktischer Liederabend“ apostrophiert, läuft auch im April noch weiter. Gespannt sein darf man auf die Premiere des interkulturellen Theaterprojektes „Neuland“, das am 8. April seine Uraufführung erleben wird.
Am Landestheater Coburg, das zurzeit seitens gewisser Politiker von einer absurden Umwandlungsdebatte geplagt wird, greift die Schauspielsparte mit Lutz Hübners „Frau Müller muss weg“ ein hochaktuelles Thema auf, wohl wissend, dass die erfolgreichsten Komödien spätestens seit der „Feuerzangenbowle“ oder dem „Fliegenden Klassenzimmer“ in der Schule spielen. Nach dem großen Erfolg der Kinofassung, in der Anke Engelke die überspannte „Helikoptermutter“ geben durfte, wird man sich darauf freuen dürfen, wie das komödienerprobte Coburger Theaterensemble die Eltern ins Visier nimmt. Premiere ist am 7. Mai.
Die zweite Schauspiel-Neuinszenierung im Zeitraum April/Mai widmet sich mit der „Grönholm-Methode“ von Jordi Galceran einem berufsspezifischen Thema, um das auf Dauer fast niemand herumkommt: der Bewerbung. Wie haben Sie Ihren Job bekommen? Per Beziehungen, per Assessment-Center oder gar aufgrund eines klassischen Vorstellungsgespräches? Wie auch immer, als Zuschauer in diesem Theaterstück sollten Sie alles vergessen, was Sie bislang über Bewerbungsverfahren zu wissen glaubten. Denn nun wurde die „Grönholm-Methode“ entwickelt, mit deren Hilfe ein multinationaler Konzern den geeigneten Kandidaten für eine vakante Top-Manager-Stelle sucht. Woraus oder worin die besteht, wird ab dem 28. Mai verraten, denn dann hebt sich der Vorhang zur Premiere.
Die Opernsparte stemmt gleich drei Werke in diesem Zweimonatszeitraum, verteilt allerdings nur auf zwei Abende, denn Henry Purcells „Dido and Aeneas“ wird kombiniert mit Ralph Vaughan Williams „Riders to the Sea“. Englische Opern gehören spätestens seit der Jahrhundert-Hochzeit zwischen Prinz Albert und Victoria von England nach Coburg, und sie werden dort selbstverständlich auch in englischer Sprache aufgeführt. In der Barockoper wie auch im gruselig-fantastischen Einakter des frühen 20. Jahrhunderts, die sich innerhalb eines Opernabends gegenüberstehen, haben verborgene Mächte das Sagen. Premiere dieser so kontrastreichen Kombination ist am 18. Juni.
Bereits Anfang Mai präsentieren die Coburger mit der „Lakmé“ von Léo Delibes eine Oper, die im exotikverrückten Frankreich des 19. Jahrhunderts großen Erfolg erzielte, heute aber seltener gespielt wird. Wie so häufig in Bühnenwerken ist auch hier ein Marktplatz der Ort der Handlung. Die Liebe eines englischen Soldaten zur Tochter eines Brahmanen bleibt nicht ohne tragische Folgen... Premiere dieser mit außergewöhnlich schöner Musik gesegneten Oper ist am 8. Mai.
Auch das Coburger Ballett bleibt nicht untätig und präsentiert am 10. Juni erstmals den Ballettabend „A Clockwork Orange“ von Tara Yipp nach dem Schauspiel von Anthony Burgess, das durch den gleichnamigen Film von Stanley Kubrick Weltruhm erlangte. Die Geschichte um den in einen Menschenversuch gezwungenen Raubmörder Alex verstörte seinerzeit so sehr, dass die Filmversion zeitweise nur in einer geschnittenen Version zugelassen wurde (USA) oder sogar ganz aus den Kinos verschwand (UK). Jedenfalls sorgte das Stück um den zur rebellierenden Nachkriegsjugend gehörenden Protagonisten für große Kontroversen.
Das E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg setzt unter seiner neuen Intendantin Sibylle Broll-Pape seinen ebenso innovativen wie offensichtlich erfolgreichen Kurs fort und bietet im Mai eine Uraufführung an, die das Saisonmotto „Heimat“ aufgreift. Unter dem Titel „Die deutsche Seele“ stellt ein musikalisches Theaterprojekt nach dem Buch von Thea Dorn und Richard Wagner Fragen wie „Was ist typisch deutsch?“ oder „Gibt es so etwas wie die ‚deutsche Seele‘?“. Das Projekt findet in Kooperation mit der Joseph-Keilberth-Orchesterakademie der Bamberger Symphoniker statt. Regie führt Stefan Otteni, die Premiere ist am 29. April.
Am 13. Mai kommt ein Klassiker deutscher Literatur auf die Bühne, allerdings nicht in seiner Originalgestalt. Thomas Manns Jahrhundertroman „Die Buddenbrooks“ in der Dramatisierung von John von Düffel. Diese „Seelengeschichte des deutschen Bürgertums“, wie Mann sein Opus Magnum charakterisierte, wird von der Intendantin selbst inszeniert. Man darf gespannt sein auf ihre Interpretation des Ausgangs einer Familiengeschichte, deren letzte Generation zerrissen ist zwischen alten Werten und Strukturen sowie den Zwängen einer neuen, schnelllebigen und krisenanfälligen Zeit.
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Stadttheater Fürth, Foto © Stadttheater Fürth
Landestheater Coburg, Großes Haus, Innenansicht, Foto © Andrea Kremper
Mainfranken Theater, Wuerzburg, Foto © Manger
Markgrafentheater Erlangen, Foto © Jochen Quast
Staatstheater Nürnberg, Foto © Staatstheater Nürnberg
E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg, Foto © Thomas Bachmann