Ende 30. Brotlose Musikerin. Alleinerziehend in der Pandemie. Zwischen Depression, Erschöpfung und leichtfüßiger Philosophie spielt das Leben wunderbare Musik. Popmusik, schlicht aber schön, textlich intelligent und aus dem Bauch heraus. „Digitale Gefühle“, das dritte Album der in Ostdeutschland geborenen und aufgewachsenen Wahl-Göttingerin, Susanne Pauli, scheint das unfreiwillige Manifest des Glücklichen Scheiterns und schnellt aus der Schublade des Post-Pandemie-Pop mit zärtlicher Wucht heraus. Musikalisch zwischen Berührungsängsten und Leidenschaft für sanfte Arrangements, Popmusik, wie sie sich in den 90ern schon breit machte, nur zeitgemäßer, direkter, ehrlicher, unaufgeregter. Akustik-Gitarre, Synthesizer, Beats und Fläche… Klang, irgendwo auch Rhythmus. Im Vordergrund die treffliche, schonungslose Textarbeit, die aus der Stimme gehaucht wie ein Kinderlied, nur ein kleines bisschen ernster - im Leben. Hier und da. Poesie in Form und Inhalt. Und dann doch durch das Sieb gezogen, wie einst im Sandkasten. Sie zerlegt Gefühle in Cluster, misst sich daran „Was Jesus tut“ und weiß, wenn etwas zu Ende ist: „Vorbei, vorbei“. Sie „braucht überhaupt niemand“ und tut es doch. Wenn sie scheinbar mühelos und unprätentiös als „Bester Verlierer der Stadt“ kokettiert und damit vielerlei Maßstäbe verrückt. Politisch korrekt ist das alles, meist ohne und mal mit Politik. Definitiver Anspieltipp ist das nur 1:55 Minuten lange „Pommes + Lachs“. Kein Lieblingsrezept, sondern eine glasklare Auskunft zum Thema „Nein“ mit und ohne Romanze. „LUNVG“ singt sie: Lass uns nicht verloren gehen. Und meint es vermutlich nicht ganz ernst. Denn ihr freundliches Augenzwinkern ist deutlich zu sehen und dreht von pessimistischer Gesamtstimmung zu optimistisch verzeihlicher Aufbruchstimmung wie ein magischer Knopf. Formidabel!